NMR-Spektrum

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Grundlagen der chemischen Verschiebung und ihre Ursachen

Die chemische Verschiebung ist eines der fundamentalen Konzepte in der NMR-Spektroskopie, das uns erlaubt, tiefe Einblicke in die molekulare Struktur und Umgebung einzelner Atomkerne zu gewinnen. Dieses Kapitel konzentriert sich auf die physikalischen Grundlagen der chemischen Verschiebung, insbesondere wie verschiedenste Faktoren wie Elektronendichte, Hybridisierung und der Einfluss elektronegativer Atome oder funktioneller Gruppen diese beeinflussen können. Wir werden auch die Bedeutung der Delta-Skala (ppm) und die Rolle von Tetramethylsilan (TMS) als internen Standard diskutieren.

NMR-Spektrum von Ethanol1

Was ist chemische Verschiebung?

Die chemische Verschiebung gibt an, bei welcher Frequenz die Resonanz eines Kerns in einem NMR-Spektrum auftritt, relativ zu einem internen Standard – meist TMS. Sie wird in ppm (parts per million) auf der Delta-Skala gemessen und erlaubt uns die Positionsbestimmung eines Signals im Spektrum. Diese Position hängt stark von der elektronischen Umgebung des Kerns ab.

Die Delta-Skala (ppm)

Die Delta-Skala ist das Herzstück der NMR-Spektroskopie und gibt die chemische Verschiebung in ppm an. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich der Spektren unabhängig von der Betriebsfrequenz des Spektrometers. Je weiter ein Signal von 0 ppm entfernt ist, desto größer ist seine chemische Verschiebung.

Tetramethylsilan (TMS) – Der interne Standard

Tetramethylsilan2
Warum TMS?

Tetramethylsilan wird fast universell als Referenzsubstanz in der NMR Spektroskopie verwendet. Es ist chemisch inert, mit den meisten organischen Lösungsmitteln mischbar und zeigt ein einzelnes, scharfes Signal bei 0 ppm, was es zur idealen Bezugssubstanz macht.

Elektronendichte und chemische Verschiebung

Die Elektronendichte um einen Kern wirkt abschirmend gegen das externe Magnetfeld, was zu einer Hochfeldverschiebung führt (näher an 0 ppm). Umgekehrt führt geringere Elektronendichte zu einer Tieffeldverschiebung (entfernt von 0 ppm). Elektronegative Atome oder funktionelle Gruppen nahe einem Kern reduzieren dessen Elektronendichte – und führen zu einer Entschirmung.

Hybridisierung und Elektronegativität

  • sp3-hybridisierte Kerne erfahren in der Regel eine geringere chemische Verschiebung als sp2 oder sp-hybridisierte Kerne, aufgrund der höheren Elektronendichte um sp3-Kerne.
  • Elektronegative Atome (wie Sauerstoff oder Stickstoff) in der Nähe eines Kerns ziehen Elektronendichte ab, was zu einer größeren chemischen Verschiebung führt.

Der Einfluss funktioneller Gruppen

  • Aromatische Verbindungen zeigen aufgrund des Anisotropieeffekts ihres π-Elektronensystems typischerweise Verschiebungen zwischen 6 und 8 ppm.
  • Alkoholprotonen nahe einem stark elektronegativen Sauerstoff erfahren eine starke Entschirmung und zeigen Verschiebungen um 3-5 ppm.
  • Carboxyl- und Carbonylgruppen führen zu starken Tieffeldverschiebungen für benachbarte Kerne, oft über 10 ppm.

Typische Bereiche chemischer Verschiebungen

  • Aliphatische Protonen (1H) erscheinen üblicherweise im Bereich von 0,5 bis 4 ppm.
  • Aliphatische C-Atome (13C) liegen zwischen etwa 10 und 50 ppm.
  • Aromatische Protonen (1H) zeigen sich zwischen 6 und 8 ppm.
  • Carbonyl-Kohlenstoffe (13C) können Verschiebungen von mehr als 150 ppm aufweisen.
Behaltet im Kopf

Das IMPP fragt besonders gerne nach dem Einfluss spezifischer funktioneller Gruppen auf die chemische Verschiebung. Es lohnt sich also, ein gutes Verständnis dafür zu entwickeln, wie unterschiedliche Molekülstrukturen die chemischen Verschiebungen ihrer Kerne beeinflussen.

Spin-Spin-Kopplung und Signalaufspaltung

Die Spin-Spin-Kopplung ist ein Phänomen, das Aufschluss über die räumliche Nähe von Atomen im Molekül gibt. Sie tritt auf, wenn die magnetischen Momente benachbarter Kerne miteinander wechselwirken, was zu einer Aufspaltung der NMR-Signale führt. Diese Wechselwirkung ist ein Schlüsselkonzept für die NMR-Spektroskopie, da sie detaillierte Informationen über die molekulare Struktur liefert.

Kopplungskonstanten ((J)-Werte)

Kopplungskonstanten und ihre Bedeutung

Die Kopplungskonstante (J) ist ein Maß für die Stärke der Spin-Spin-Kopplung zwischen benachbarten Kernen und wird in Hertz (Hz) gemessen. Sie gibt Aufschluss über die räumliche Nähe und den Winkel zwischen gekoppelten Atomen. Daher sind (J)-Werte wertvolle Parameter zur Strukturaufklärung.

Die Berechnung der (J)-Werte erfolgt durch die Messung des Abstands zwischen den Spitzen der durch Kopplung geteilten Signale.

Typische Signalaufspaltungen

  • Dublett: Ein Signal spaltet in zwei Peaks auf, typisch für die Kopplung mit einem benachbarten Proton.

  • Triplett: Entsteht, wenn ein Kern mit zwei äquivalenten Protonen koppelt.

  • Quartett: Weist auf eine Kopplung mit drei äquivalenten Protonen hin.

  • Dublett von Dubletts (Dd): Erfolgt bei Kopplung mit zwei Gruppen von Protonen mit unterschiedlichen Kopplungskonstanten.

Multiplizitätsregel: (n + 1) Regel

Die Multiplizität eines Signals, also die Anzahl der Aufspaltungen, folgt der (n + 1) Regel, wobei (n) die Anzahl der benachbarten, koppelnden Protonen ist. Dies bedeutet, dass ein Proton, das mit (n) anderen Protonen koppelt, in einem (n + 1) -Multiplett resultiert.

Fallbeispiele

  • Ethanol: Im Spektrum von Ethanol zeigt die Methylgruppe (CH3) ein Triplett aufgrund der Kopplung mit den zwei Protonen der Methylengruppe (CH2). Die Methylengruppe wiederum zeigt ein Quartett, bedingt durch die Kopplung mit den drei Protonen der Methylgruppe.

  • Methylsalicylat: Die aromatischen Protonen zeigen eine komplexe Aufspaltung, die auf die Kopplung zwischen nicht äquivalenten Protonen zurückzuführen ist. Zusätzlich kann die Hydroxylgruppe eine Verschiebung im Spektrum aufgrund von Wasserstoffbrückenbindungen aufweisen.

  • Essigsäureethylester: Die Protonen in der Methylgruppe (CH3) des Esters zeigen ein Singulett, da sie mit keinen anderen Protonen koppeln. Die Methylengruppe (-CH2-) zeigt ein Quadruplett durch Kopplung mit den drei Protonen der endständigen Methylgruppe.

Integration und Quantitative Analyse

Die Fläche unter einem NMR-Peak, die Integralwerte, ist proportional zur Anzahl der Kerne, die das Signal erzeugen. Diese Information ist besonders nützlich in der quantitativen Analyse, wo die Konzentration spezifischer Moleküle oder das Verhältnis von Komponenten in einer Mischung bestimmt werden sollen. Diese Technik wird beispielsweise in der Qualitätskontrolle pharmazeutischer Produkte angewendet, um die Reinheit der Inhaltsstoffe sicherzustellen.

Schlüsselkonzepte im Überblick

  • Chemische Verschiebung gibt Aufschluss über die molekulare Umgebung und elektronische Struktur.
  • Spin-Spin-Kopplung offenbart Informationen über die Anzahl und räumliche Anordnung benachbarter Atome.
  • Quantitative Analyse ermöglicht die Bestimmung der Konzentration spezifischer Komponenten.
  • Die Einhaltung der Arzneibuch-Kriterien durch NMR-Spektroskopie ist für die Qualitätskontrolle in der Pharmaindustrie entscheidend.

Zusammenfassung

  • Chemische Verschiebung ist ein Maß für die elektronische Umgebung eines Kerns in der NMR-Spektroskopie und hängt von Faktoren wie Elektronegativität benachbarter Atome und molekularer Geometrie ab.
  • Aromatische Protonen zeigen in der Regel chemische Verschiebungen im Bereich von 6 bis 8 ppm wegen des Anisotropieeffekts aromatischer Ringe.
  • Hydroxylprotonen und Protonen in Nähe stark elektronegativer Gruppen wie Carboxylgruppen finden sich häufig bei höheren ppm-Werten (>9 ppm) aufgrund starker Entschirmung.
  • Kopplungsmuster (z.B. Dubletts, Triplett) im NMR-Spektrum ergeben sich durch Spin-Spin-Kopplungen und helfen bei der Zuordnung von Protonen sowie der Bestimmung ihrer Nachbarschaftsbeziehungen.
  • Spin-Spin-Kopplung beschreibt die Wechselwirkung zwischen benachbarten magnetisch aktiven Kernen und resultiert in der Aufspaltung von Signalen, deren Muster (z.B. Singulett, Dublett, Triplet) wertvolle Informationen über die molekulare Struktur liefern.
  • Kopplungskonstante J wird in Hz gemessen und definiert den Abstand zwischen den Peaks in einem Multiplett, was Rückschlüsse auf die räumliche Nähe und Anordnung der koppelnden Kerne erlaubt.
  • Chemische Äquivalenz weist auf identische chemische Umgebungen hin, wobei magnetische Äquivalenz für identische NMR-Signale sorgt.

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Footnotes

  1. Credits NMR-Spektrum von Ethanol Grafik: Andel, 1H NMR Ethanol Coupling shown, CC0 1.0↩︎

  2. Credits Tetramethylsilan Grafik: , Tetramethylsilane Structural formula V1, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons↩︎