Identitäts- und Grenzprüfungen
IMPP-Score: 7.3
Identitätsreaktionen auf funktionelle Gruppen
Nachweis von Aldehyden und Ketonen
Aldehyde und Ketone besitzen die Carbonylgruppe \(C=O\), doch unterscheiden sie sich in ihrer chemischen Umgebung. Aldehyde haben mindestens ein Wasserstoffatom am Carbonylkohlenstoff, während Ketone zwei Alkyl- oder Arylgruppen besitzen.
Tollensprobe
Die Tollensprobe ist spezifisch für Aldehyde. Bei dieser Reaktion reduzieren Aldehyde das diamminsilber(I)-ion [Ag(NH3)2]+ in ammoniakalischer Lösung zu metallischem Silber. Das Ergebnis ist ein Spiegeleffekt im Reagenzglas.
Ein positives Ergebnis der Tollensprobe (Silberspiegel) bestätigt die Anwesenheit eines Aldehyds.
Fehlingprobe
Die Fehlingprobe ist eine weitere Methode, um Aldehyde nachzuweisen. Bei dieser Reaktion reduzieren Aldehyde das komplexe Kupfer(II)-tartrat-Ion in alkalischer Lösung zu \(Cu_2O\) (Kupfer(I)-oxid), welches als rötlicher Niederschlag ausfällt.
Ein positiver Test (rötlicher Niederschlag) zeigt die Anwesenheit eines Aldehyds an.
Nachweisreaktionen von Phenolen
Phenole sind Verbindungen, die eine oder mehrere Hydroxygruppen (\(-OH\)) direkt an einem aromatischen Ring gebunden haben. Der bekannteste Test zum Nachweis von Phenolen ist die Eisen(III)-chlorid-Reaktion.
Eisen(III)-chlorid-Test
Bei diesem Test bildet sich bei der Zugabe von Eisen(III)-chlorid-Lösung zu einer Phenollösung eine violette, blaue oder grüne Färbung, je nach Art des Phenols.
Eine Veränderung der Farbe nach Zugabe von Eisen(III)-chlorid zeigt die Anwesenheit von Phenolen an.
Primäre aromatische Amine
Primäre aromatische Amine haben die allgemeine Struktur \(Ar-NH_2\), wobei Ar für einen aromatischen Rest steht. Ein bekannter Test für primäre aromatische Amine ist der Azokupplungstest.
Azokupplungstest
Bei diesem Test reagieren primäre aromatische Amine in saurem Milieu mit diazotierter Sulfanilsäure zu farbigen Azoverbindungen.
Die Bildung einer farbigen Azoverbindung deutet auf die Anwesenheit eines primären aromatischen Amins hin.
Carbonsäuren und Derivate
Carbonsäuren besitzen die Carboxylgruppe (\(COOH\)), während ihre Derivate durch Substitution des Hydroxy-Wasserstoffs in der Gruppe entstehen und zu Estern, Amiden, Anhydriden und Chloriden umgewandelt werden können.
Hydroxamat-Test für Carbonsäurederivate
Ein spezifischer Test für Carbonsäurederivate ist der Hydroxamat-Test, der auf der Fähigkeit von Carbonsäurechloriden, -estern und -anhydriden basiert, mit Hydroxylamin zu Hydroxamsäuren zu reagieren, welche dann mit Eisen(III)-chlorid eine tiefrote Färbung ergeben.
Eine tiefrote Färbung nach Ausführung des Tests zeigt die Anwesenheit von Carbonsäurederivaten an.
Grenzprüfungen
Grenzprüfungen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass Arzneistoffe innerhalb der zulässigen Grenzwerte für spezifische Verunreinigungen liegen. Diese Verunreinigungen können potenziell schädlich sein, wodurch die Qualität des Arzneimittels beeinträchtigt wird. Verständnis und Durchführung dieser Prüfungen sind somit unerlässlich.
Thioacetamid-Reagenz zur Prüfung auf Schwermetalle
Verunreinigungen durch Schwermetalle können toxische Wirkungen haben. Das IMPP legt besonderen Wert auf das Wissen über die Durchführung dieser Prüfung.
Das Thioacetamid-Reagenz generiert in saurer Lösung Schwefelwasserstoff (H2S), der mit Schwermetallen unlösliche Sulfide bildet. Diese Reaktion ermöglicht die qualitative Analyse dieser Metalle in pharmazeutischen Substanzen.
- Durchführung: Zu einer Lösung der Probe wird Thioacetamid-Reagenz und Säure hinzugefügt. Anschließend beobachtet man die Lösung auf etwaige Farbveränderungen oder Niederschläge.
- Auswertung: Die Gegenwart von Schwermetallen wird durch die Bildung eines farbigen Niederschlags angezeigt.
Baeyer-Probe zum Nachweis von Alkenen
Die Baeyer-Probe ist eine qualitative Reaktion, die die Gegenwart von Alkenen durch Oxidation mittels Kaliumpermanganat-Lösung anzeigt. Bei Anwesenheit von Alkenen wird die violette Lösung von KMnO4 entfärbt.
- Durchführung: Eine verdünnte Lösung von KMnO4 wird zu der Probe hinzugefügt.
- Auswertung: Eine Entfärbung der Lösung deutet darauf hin, dass ungesättigte Bindungen, spezifisch Alkene, vorhanden sind.
Hier ist der Reaktionsmechanismus aufgeführt:
Identifikation und Quantifizierung von Ammonium-Ionen
Ammonium-Ionen können mittels Methode B nachgewiesen werden, die darauf basiert, dass Ammoniak aus Ammoniumverbindungen bei Zugabe eines starken Alkalis (wie Natriumhydroxid) freigesetzt wird.
- Durchführung: Zu der zu testenden Lösung wird Natriumhydroxid hinzugefügt und anschließend erhitzt. Die entstehenden Dämpfe werden auf ein feuchtes pH-Papier geleitet.
- Auswertung: Die Verfärbung des pH-Papiers zeigt die Bildung von Ammoniak und damit die Anwesenheit von Ammonium-Ionen an.
Präzision bei diesen Tests ist entscheidend, da sie die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln gewährleistet. Ein tiefergehendes Verständnis der Chemikalien und Reaktionen verbessert die Genauigkeit der Ergebnisse.
Verunreinigungen in Arzneimitteln können nicht nur die Wirksamkeit der Medikamente beeinträchtigen, sondern auch unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Die Fähigkeit, diese Verunreinigungen zu identifizieren und zu quantifizieren, ist daher von enormer Bedeutung.
Reaktionen zur Identifizierung spezifischer Arzneistoffe
Die Dragendorffs-Reaktion - Ein Klassiker zur Identifizierung von Alkaloiden
Die Dragendorffs-Reaktion dient als Basis zum Nachweis von Alkaloiden, welche typischerweise tertiäre Amine enthalten. Hierfür verwendet man Dragendorffs Reagenz, bestehend aus Bismut(III)-nitrat und Kaliumiodid in essigsaurer Lösung. Die Anwesenheit eines Alkaloids führt zur Bildung eines orangeroten Niederschlags durch die Interaktion mit Tetraiodobismutat-Ionen ([BiI_4]^-). Diese Farbveränderung und Niederschlagsbildung ist ein unverzichtbares Hilfsmittel bei der Identifizierung von tertiären Aminen in Arzneistoffen.
Hydroxamsäurereaktion - Spezifischer Nachweis für Benzylpenicillin
Für die Identifikation von Benzylpenicillin nutzen wir eine spezifische Reaktion, die Hydroxamsäurereaktion. Durch die Reaktion von Hydroxylamin in alkalischem Milieu mit dem Lactamring von Benzylpenicillin entsteht eine Hydroxamsäure. Eine markante rote Färbung tritt auf, wenn wir das Reaktionsgemisch ansäuern und Eisen(III)-chlorid zugeben. Diese Reaktion hebt die charakteristischen Strukturelemente von Benzylpenicillin hervor und zeigt die spezifische Reaktivität von Lactamringen auf.
Fentons Reaktion zur Identifikation von Weinsäure
Eine weitere wichtige Identitätsreaktion ist die Fentons Reaktion. Sie findet Anwendung bei der Identifizierung von Weinsäure. Durch die Behandlung mit Wasserstoffperoxid in Gegenwart von Eisen(II)-Ionen wird Weinsäure zu Dihydroxyfumarsäure oxidiert. Dieser Komplex bildet in alkalischem Milieu mit Eisen(II)-Ionen spezifische violett- bis purpurrote Komplexe. Diese Farbreaktion dient als direkter Hinweis auf die Anwesenheit von Weinsäure.
Aspartam Identifizierung
Aspartam, ein künstlicher Süßstoff, wird oft mithilfe seiner charakteristischen Eigenschaften nachgewiesen. Eine zentrale Prüfung ist die wasserfreie Titration mit Perchlorsäure in Ameisensäure/Essigsäure unter potentiometrischer Endpunktsanzeige. Aspartam verhält sich als Zwitterion, sodass bei dieser Titration das Carboxylat protoniert wird. Diese spezifische Reaktion ist unter anderem durch das Vorhandensein der Esterfunktion in Aspartam und seiner Löslichkeit in verdünnter Salzsäure gekennzeichnet. Die Bildung eines farbigen Chelatkomplexes mit Eisen(III)-chlorid nach Umsetzung mit alkalischer Hydroxylamin-Lösung bekräftigt die Identifizierung, da diese auf der Esterfunktion des Aspartams beruht.
Lidocain Identifizierung
Lidocain, ein häufig verwendetes Lokalanästhetikum, kann durch seine spezifische Reaktion mit Chrom(VI)-oxid identifiziert werden. Bei dieser Reaktion wird Lidocain zu 4-Aminobenzoesäure, Ethanol und Acetaldehyd oxidiert. Wichtig dabei ist der Nachweis von Acetaldehyd unter Einsatz der Simon-Awe-Reaktion, die eine blaue Farbfärbung auf dem Filterpapier erzeugt, was auf die Anwesenheit von Lidocain hinweist.
Hexetidin Identifizierung
Für Hexetidin, welches als Antiseptikum genutzt wird, ist eine spezifische Reaktion mit ethanolischer Schwefelsäure und Chromotropsäure von Bedeutung. Bei dieser Reaktion wird Hexetidin aufgespalten, wobei Formaldehyd und eine offenkettige Verbindung mit drei Amin-Funktionen entstehen. Formaldehyd reagiert weiter mit Chromotropsäure, was zur Bildung eines violetten Produkts führt, dies bestätigt die Anwesenheit von Hexetidin.
Es ist besonders wichtig, die spezifischen chemischen Bedingungen und Reagenzien im Griff zu haben, die zur Identifizierung der Arzneistoffe führen. Das IMPP legt häufig Wert darauf, dass die Prozesse genau verstanden und beschrieben werden können. Insbesondere die Reaktionen von Aspartam, Lidocain und Hexetidin unterliegen präzisen Bedingungen, deren Kenntnis für die qualitätskontrolle von essenzieller Bedeutung ist.
In allen Fällen ist es wichtig, die chemischen Reaktionswege und die Rolle der funktionellen Gruppen zu verstehen, um die Identitätsprüfungen gemäß dem Arzneibuch korrekt durchzuführen.
Zusammenfassung
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Footnotes
Credits Überblick über die organischen Nachweise. Grafik: Eigene Arbeit.↩︎
Credits Positive Tollensprobe Grafik: Tmv23, Tollensprobe, CC BY-SA 3.0↩︎
Credits Reaktionsmeachanismus der Baeyer-Probe. Grafik: Jü, Baeyers Probe Alkenes V.2, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons↩︎
Credits Struktur vom Alkaloid Morphin. Grafik: NEUROtiker, Morphin - Morphine, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons↩︎