Definitionen und Regeln Rezeptur und Defektur

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Grundlagen, Definitionen und Unterschiede: Rezeptur, Defektur und Fertigarzneimittel

Rezepturarzneimittel – Maßgeschneiderte Einzelanfertigung

Ein Rezepturarzneimittel wird individuell in der Apotheke für einen bestimmten Patienten auf ärztliche Verordnung hergestellt. Es ist also ein maßgeschneidertes Arzneimittel, wenn keine geeigneten Fertigarzneimittel verfügbar sind oder eine spezielle Zusammensetzung nötig ist.

Kennzeichen:

  • Herstellung „ex tempore“, also direkt nach Anforderung.
  • Immer patientenbezogen.
  • Herstellung erfolgt nach schriftlicher Herstellungsanweisung und unter Einhaltung pharmazeutischer Standards.

Rechtliche Grundlage:
Rezepturen unterliegen der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), die genaue Vorgaben zu Herstellung, Kennzeichnung und Dokumentation macht.

Beispiel:
Hydrocortison-Creme mit individueller Grundlage bei Unverträglichkeit gegenüber einem Hilfsstoff aus industriellen Präparaten.

Defekturarzneimittel – Vorratsproduktion in der Apotheke

Defekturarzneimittel werden hergestellt, wenn eine Rezeptur häufig in gleicher Zusammensetzung benötigt wird. Die Apotheke darf sie auf Vorrat produzieren, allerdings nur in begrenztem Umfang.

Merkmale:

  • Herstellung auf Vorrat, jedoch nicht patientenbezogen.
  • Maximal 100 abgabefertige Packungen pro Tag.
  • Strenge Dokumentations- und Prüfpflichten.
  • Nur innerhalb derselben Apotheke darf abgegeben werden.

Rechtliche Grundlage:
Defekturen fallen unter AMG und ApBetrO. Herstellung und Qualitätsprüfung erfolgen durch den Apotheker.

Beispiel:
Zinkoxid-Schüttelmixtur, regelmäßig nachgefragt und in Kleinchargen vorproduziert.

NoteWann wird Defektur zur Fertigarznei?

Wird die Grenze von 100 Packungen pro Tag überschritten, gilt die Herstellung als industriell. Dann ist eine Herstellungserlaubnis nach §13 AMG nötig.

Fertigarzneimittel – Die industrielle Variante mit Zulassung

Fertigarzneimittel sind die industriell produzierten Präparate, die ihr aus der Apotheke kennt – Tabletten, Kapseln, Sprays usw. Sie werden in großem Maßstab hergestellt, benötigen eine Zulassung, und unterliegen den strengsten Qualitätskontrollen.

Merkmale:

  • Industrielle Produktion.
  • Zulassungspflichtig: Behördliche Prüfung auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit.
  • Vertrieb nur mit Zulassungsnummer.

Beispiel:
Ibu-Lysin-Tabletten, Insulinpens oder Paracetamol-Saft.

Abgrenzung:
Im Gegensatz zu Rezeptur oder Defektur ist das Fertigarzneimittel kein Apothekenprodukt, sondern ein Industrieprodukt mit standardisierter Herstellung.

Standardzulassung – Der Sonderweg der Fertigarzneimittel

Standardzugelassene Arzneimittel sind Fertigarzneien, deren Zusammensetzung und Herstellung gesetzlich festgelegt sind. Sie benötigen keine individuelle Zulassung, da Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bereits behördlich definiert wurden.

Wichtig:
Nur wenn alle gesetzlichen Vorgaben exakt eingehalten werden, darf das Präparat ohne Einzelantrag vertrieben werden.

NoteStandardzulassung = keine Einzelzulassung, aber streng reglementiert

Auch ohne individuelle Zulassung gelten alle gesetzlichen Qualitätsanforderungen – „Standard“ heißt nicht „vereinfachte Qualität“.

Arzneimittel, Arzneiform, Darreichungsform und „Droge“

Diese Begriffe werden im Staatsexamen oft verwechselt – also klar unterscheiden:

  • Arzneimittel:
    Alle Stoffe oder Stoffkombinationen, die zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten dienen.
  • Arzneiform:
    Technologische Form des Arzneimittels (z. B. Tablette, Creme, Lösung).
  • Darreichungsform:
    Der anwendungsfertige Zustand, inklusive Verpackung und Applikationshilfen.
  • Droge:
    Getrocknete Pflanzenteile oder Naturstoffe, die als Ausgangsstoff für Arzneimittel dienen (z. B. Kamillenblüten für Tee oder Salbe).

Beispiel:
Paracetamol als Wirkstoff → Tablette als Arzneiform → Tablette im Blister als Darreichungsform.

Praxisrelevante Abgrenzung

Merkmal Rezeptur Defektur Fertigarzneimittel
Herstellung individuell, patientenbezogen auf Vorrat (bis 100 Packungen/Tag) industriell
Zulassung keine keine erforderlich
Rechtliche Grundlage ApBetrO AMG & ApBetrO AMG
Beispiel Hydrocortison-Creme nach Rezept Zinkoxid-Schüttelmixtur Paracetamol-Saft

Qualitätssicherung in der Apotheke: GMP, Dokumentation & Plausibilitätsprüfung

Was bedeutet Qualitätssicherung?

Ziel der Qualitätssicherung ist, dass jedes Arzneimittel wirksam, sicher und von gleichbleibend hoher Qualität ist. Dazu dienen Regeln und Verfahren, die verpflichtend einzuhalten sind.

Good Manufacturing Practice (GMP)

GMP = Good Manufacturing Practice, das Grundgerüst pharmazeutischer Qualität. Es umfasst alle Aspekte der sicheren Herstellung.

Kernpunkte:

  • Qualitätsmanagement: Jede Herstellung ist nachvollziehbar dokumentiert.
  • Hygiene: Saubere Arbeitsflächen und Geräte sind Pflicht.
  • Geeignete Geräte: Regelmäßige Kalibrierung und Wartung.
  • Rückverfolgbarkeit: Jede Charge ist dokumentiert.
  • Dokumentation: Alle Arbeitsschritte sind schriftlich festgehalten.
NoteIMPP-Fokus

GMP steht für kontrollierte, dokumentierte, rückverfolgbare Qualität – kein bloßes „sauberes Arbeiten“.

Dokumentation: Herstellungs- und Prüfunterlagen

Eine lückenlose Dokumentation ist verpflichtend:

  • Herstellungsanweisung:
    Detaillierte Anleitung mit allen Arbeitsschritten.
  • Herstellungsprotokoll:
    Tatsächlicher Ablauf der Herstellung mit Chargen, Zeiten, Besonderheiten.
  • Prüfprotokoll:
    Ergebnisse der Qualitätsprüfung (z. B. pH-Wert, Aussehen, Homogenität).

Diese Unterlagen sichern sowohl Produktqualität als auch die rechtliche Absicherung der Apotheke.

NoteWichtig

Dokumentation ist Beweis der Qualität – ohne Dokumentation gilt etwas als nicht hergestellt.

Identitätsprüfung und Einwaagekorrekturfaktor

Identitätsprüfung:
Jeder Ausgangsstoff muss mindestens einmal pro Charge geprüft werden, um sicherzustellen, dass der Inhalt dem Etikett entspricht. Ergebnisse werden dokumentiert.

Einwaagekorrekturfaktor:
Korrigiert die Abweichung vom Soll-Gehalt:

\[ \text{Faktor} = \frac{\text{Soll-Gehalt}}{\text{Ist-Gehalt}} \]

Beispiel: Ist-Gehalt 80 %, Soll 100 % → Faktor 1,25.
Die korrigierte Menge wird entsprechend eingewogen.

Geräte, Kalibrierung und Wartung

Nur geeignete, kalibrierte und gewartete Geräte dürfen verwendet werden.

  • Kalibrierung: Kontrolle der Genauigkeit (z. B. bei Waagen mit Prüfgewichten).
  • Justierung: Nachregulierung bei Abweichung.
  • Wartung: Regelmäßige Reinigung und Funktionsprüfung.
  • Dokumentation: Jede Maßnahme schriftlich festhalten.

Falsche Waagen führen zu Dosierfehlern – ein klassischer Prüfungsfall!

Plausibilitätsprüfung

Die Plausibilitätsprüfung erfolgt vor der Herstellung. Sie überprüft die Sinnhaftigkeit und Sicherheit der Rezeptur:

  • Ist die Dosierung angemessen?
  • Sind die Bestandteile kompatibel?
  • Ist die Form für den Anwendungsweg geeignet?
  • Ist die Haltbarkeit realistisch?
  • Gibt es Risiken für den Patienten?

Ergebnis: schriftlich dokumentierte Freigabe der Rezeptur.

NoteIMPP-Favorit

Frage: Welche Aspekte prüft man vor der Herstellung?
Antwort: Dosierung, Kompatibilität, Applikationsweg, Haltbarkeit, Sicherheit.

Typische Fehlerquellen und Praxistipps

  • Unzureichende Dokumentation → rechtliches Risiko.
  • Falsche Waage → Dosierungsfehler.
  • Fehlende Plausibilitätsprüfung → Inkompatibilitäten oder Instabilitäten.
  • Nicht dokumentierte Kalibrierung → GMP-Verstoß.

Merke: Jeder Schritt muss nachvollziehbar sein – das ist der Kern der Qualitätssicherung.

Regulatorik, Arzneibücher, NRF und Kennzeichnungsvorschriften

Rechtliche Grundlagen

Die wichtigsten Regelwerke für Rezeptur und Defektur:

  • Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO): Herstellungs- und Kennzeichnungsvorschriften.
  • Arzneimittelgesetz (AMG): Gilt besonders für Defekturarzneimittel.
  • Pharmazeutische Arzneibücher (z. B. Ph. Eur., DAB): Regeln Qualität, Reinheit, Prüfmethoden.
  • NRF (Neues Rezeptur-Formularium): Praxisorientierte Herstellungs- und Prüfanleitungen.

Unterschied ApBetrO vs. AMG:
Rezepturen: ApBetrO (§ 14).
Defekturen: AMG (zusätzliche Kennzeichnungspflichten, z. B. Chargenangabe).

Kennzeichnungspflichten

Auf jedem Etikett (nach §14 ApBetrO) müssen stehen:

  • Art der Anwendung
  • Wirkstoffe (Art und Menge)
  • Inhalt
  • Herstellungsdatum
  • Name und Anschrift der Apotheke
  • Haltbarkeitsdatum
  • Warnhinweise (falls nötig)
  • Gebrauchsanweisung
  • Patientennamen (bei Rezepturen)

Für Defekturarzneimittel: zusätzlich Chargenbezeichnung und Prüfvermerke.

Zum Einnehmen. Wirkstoff: Paracetamol 500 mg/Kapsel Inhalt: 20 Kapseln Herstellungsdatum: 15.06.2024 Haltbar bis: 31.07.2024 Hersteller: Muster-Apotheke, Musterstraße 15, 12345 Musterstadt Achtung: Nicht auf nüchternen Magen einnehmen.

NotePflichtangaben merken!

Art der Anwendung, Wirkstoffe, Inhalt, Herstellungsdatum, Apotheke, Haltbarkeit – immer Pflicht!

Warnhinweise

Ethanol (> 0,5 g/Dosis):
„Dieses Arzneimittel enthält Ethanol. Bitte beachten Sie die Hinweise in der Packungsbeilage.“

Analgetika:
Warnhinweise nach Analgetika-Warnhinweis-Verordnung (z. B. bei Paracetamol, Ibuprofen).

Sonstige:
z. B. bei lichtempfindlichen oder reizenden Stoffen.

IMPP fragt oft nach Schwellenwerten und Pflichtfällen solcher Warnhinweise.

Wasserqualitäten in der Herstellung

  • Gereinigtes Wasser (Aqua purificata):
    Nicht steril, aber mikrobiologisch kontrolliert. Für Rezepturen geeignet.
  • Hochgereinigtes Wasser (HPW):
    Pyrogenfrei, für empfindliche Anwendungen.
  • Wasser für Injektionszwecke (WFI):
    Steril und pyrogenfrei, nur für Injektabilia.

In der Apotheke wird gereinigtes Wasser oft kurz vor Verwendung durch Erhitzen desinfiziert und dokumentiert.

NoteWasserarten unterscheiden!

WFI ➔ steril, Aqua purificata ➔ nicht steril, aber geprüft.

Arzneibücher und NRF

  • Arzneibücher (z. B. Ph. Eur., DAB):
    Verbindliche Vorschriften zur Qualität von Ausgangsstoffen, Prüfmethoden und Grenzwerten.

  • NRF (Neues Rezeptur-Formularium):

    • Standardisierte Rezepturvorschriften.
    • Angaben zu Haltbarkeit, Kennzeichnung, Prüfmethoden.
    • Enthält Musterprotokolle und Prüfpläne.

Beide sichern die Qualität und rechtliche Sicherheit der Herstellung.

NoteNRF = dein Praxisleitfaden

NRF-Rezepturen sind prüfungsrelevant und praxisbewährt – sie liefern rechtssichere Anleitungen und Haltbarkeitsvorgaben.

Konservierung, Haltbarkeit und Aufbrauchfrist

  • Haltbarkeit: Zeitraum bis zum Verfallsdatum bei Lagerung.
  • Aufbrauchfrist: Zeitraum nach Anbruch.
  • Konservierung: Verlängert Haltbarkeit wasserhaltiger Zubereitungen.

Arzneibücher und das NRF geben hierzu exakte Angaben. Konservierungsprüfung erfolgt z. B. durch den Challenge-Test (Ph. Eur.).

Der Herstellungsablauf in der Praxis

  1. Plausibilitätsprüfung durchführen.
  2. Herstellung nach NRF oder Vorschrift.
  3. Qualitätsprüfung (pH, Aussehen, ggf. Konservierung).
  4. Etikettierung mit Pflichtangaben.
  5. Dokumentation aller Schritte.
  6. Patientenaufklärung und Abgabe.

Häufige Prüfungsfragen (IMPP)

  • Unterscheidung Rezeptur / Defektur / Fertigarzneimittel
  • Kennzeichnungspflichten (ApBetrO vs. AMG)
  • Wasserarten und deren Verwendung
  • Warnhinweise ab welchen Konzentrationen
  • Aufgaben von Arzneibuch und NRF
  • Bedeutung der Plausibilitätsprüfung

Zusammenfassung

  • Ein Rezepturarzneimittel wird individuell für einen einzelnen Patienten auf ärztliche Verordnung direkt in der Apotheke extemporiert und unterliegt dabei strengen Dokumentations- und Kennzeichnungspflichten nach ApBetrO.
  • Ein Defekturarzneimittel ist eine in der Apotheke auf Vorrat gefertigte Zubereitung in kleinen Chargen (bis 100 Packungen pro Tag), die nicht patientenbezogen, aber nicht industriell hergestellt wird – hierfür gelten sowohl AMG als auch ApBetrO.
  • Fertigarzneimittel werden industriell in großen Mengen produziert, besitzen eine behördliche Zulassung durch das AMG und sind an standardisierte Kennzeichnung und Qualitätsvorgaben gebunden.
  • GMP (Good Manufacturing Practice) verlangt ein umfassendes System von Qualitätssicherung, Dokumentation, Hygiene und Geräteüberprüfung, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln in der Apotheke zu gewährleisten.
  • Vor jeder Produktion ist eine Plausibilitätsprüfung Pflicht; hierbei wird die Rezeptur sorgfältig auf Dosierung, Kompatibilität, Anwendungsweg, Haltbarkeit und Patientensicherheit überprüft und schriftlich dokumentiert.
  • Die Wasserqualität ist je nach Zubereitung kritisch: Für nicht-sterile Rezepturen genügt gereinigtes Wasser (Aqua purificata), bei sterilen Anwendungen hingegen muss Wasser für Injektionszwecke (WFI) verwendet werden.
  • Pflichtangaben wie Art der Anwendung, Wirkstoffe/Menge, Inhalt, Herstellungsdatum, Name/Anschrift der Apotheke und Haltbarkeitsdatum müssen je nach Herstellungsart korrekt und vollständig auf dem Etikett stehen, ergänzt durch Warnhinweise bei bestimmten Inhaltsstoffen.

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