Tropfenzubereitungen
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Tropfenzubereitungen für Schleimhäute – Pharmazeutische Grundlagen, Herstellung und Besonderheiten
Tropfenzubereitungen, wie Augen- und Nasentropfen, gehören zu den sensibelsten Arzneiformen überhaupt. Das liegt vor allem daran, dass sie direkt auf empfindliche Schleimhäute gebracht werden, die nur wenig eigene Schutzmechanismen haben und keine Möglichkeit zur schnellen „Verdünnung“ einer überreizenden Lösung bieten – ganz anders als zum Beispiel im Mund.
Bedeutung des Applikationsortes: Warum sind Schleimhäute so sensibel?
Stell dir die Schleimhäute in Auge und Nase wie das zarte Innenfutter eines Handschuhs vor – sie sind dünn und durchlässig und müssen gleichzeitig äußere Reize abwehren. Damit eine Arzneiform, die du hier aufbringst, nicht reizt oder gar Schäden verursacht, braucht sie besondere Eigenschaften:
- Sie soll der „körpereigenen Flüssigkeit“ möglichst ähnlich sein.
- Der Körper besitzt hier wenig Verdünnungskapazität!
- Die Verträglichkeit hängt stark von: Osmolarität (Isotonie), pH-Wert, Sterilität und ggf. Konservierung ab.
Die orale Einnahme (also übers Trinken/Schlucken) ist dagegen nicht so kritisch, da der Speichel oder die Magensäure die Lösung sofort verdünnt. Daher ist Isotonie dort meistens egal. Auch bei Zäpfchen (Suppositorien) ist Isotonie kein Thema – das sind schließlich feste Formen.
Isotonie und Osmolarität: Was bedeutet „isoton“ – und warum ist es so wichtig?
Was ist Isotonie?
Isotonie bezeichnet den Zustand, in dem eine Lösung denselben „osmotischen Druck“ hat wie das Körperwasser an einer bestimmten Stelle, also z.B. wie die Tränenflüssigkeit im Auge.
Osmotischer Druck ist im Prinzip ein Maß dafür, wie viele „Teilchen“ (also gelöste Moleküle oder Ionen) eine Lösung enthält im Vergleich zu einer anderen. Wenn zu viele oder zu wenige Teilchen da sind, kann Wasser aus den Zellen in die Lösung treten oder umgekehrt – die Zelle „schrumpft“ oder „platzt“.
Warum muss ich das bei Tropfenzubereitungen beachten?
- Sind Tropfen hypoton (zu wenig gelöste Teilchen), können die Schleimhautzellen anschwellen – Wasser strömt in die Zellen.
- Sind Tropfen hyperton (zu viele gelöste Teilchen), schrumpfen die Zellen – Wasser verlässt sie.
- Beides ist unangenehm bis schmerzhaft («brennen», «ziehen», im schlimmsten Fall Gefahr für die Schleimhautzellen).
Ideal für Auge und Nase ist eine Kochsalz-Konzentration von 0,9 % NaCl (also 9 mg/ml), weil das genau der Konzentration in der Tränenflüssigkeit entspricht. Die Toleranz ist überraschend groß: 0,7–1,45 % werden gut vertragen. Bei verletzten oder operierten Augen ist absolute Isotonie Pflicht!
Der Praxiswert: Toleranzbereich statt starres Optimum
Das Auge ist nicht so pingelig, wie man denkt, aber nur innerhalb eines bestimmten Spielraums:
- Toleranzbereich: ca. 0,7–1,45 % NaCl
- Das entspricht etwa einer „Kälteabsenkung“ (Gefrierpunktserniedrigung) von 0,4–0,8 K
- Im Examen stehen gerne Werte wie 0,9% NaCl oder die Gefrierpunktdifferenz 0,52 K (beides Synonyme für isoton).
Und noch ein Praxis-Tipp: Nasentropfen dürfen sogar ganz leicht hyperton sein, um festsitzenden Schleim zu verflüssigen (deswegen enthalten manche Nasensprays bewusst etwas mehr Salz).
Wie berechnet man die Osmolarität bzw. Isotonie anschaulich?
Das IMPP liebt konkrete Rechenbeispiele, aber noch wichtiger ist, dass ihr das Prinzip dahinter versteht!
Schritt 1: Masse in Mol umrechnen
Wir machen’s am Beispiel NaCl (Kochsalz):
- Nehmen wir 116,88 mg NaCl in 100 ml (also 1,1688 g/l).
- Umrechnung in Mol:
- \(M(NaCl) = 58,44 \mathrm{g/mol}\)
- \(n = 0,11688 \mathrm{g} / 58,44 \mathrm{g/mol} \approx 0,0020 \mathrm{mol}\)
Überleg, was das bedeutet: Die gegebene Menge sagt dir, wie viele „Stoffportionen“ (Mole) du hast.
Schritt 2: Wie viele „Teilchen“ entstehen?
NaCl löst sich vollständig in Wasser in zwei Teilchen auf:
- \(NaCl \rightarrow Na^+ + Cl^-\)
- Das ist wichtig, weil der osmotische Druck von der Anzahl der TEILCHEN abhängt, nicht nur von der Substanzmenge.
Schritt 3: Wie wird daraus die Osmolarität?
- Für 0,002 Mol NaCl entstehen 0,004 Osmol (also 2 × 0,002).
- Bezogen auf 1 kg Lösung: \(Osmolarität = 0,004 \mathrm{osmol/kg} = 4 \mathrm{mosmol/kg}\)
Stell dir vor, Osmolarität ist wie die Anzahl Bälle, die du in einen Raum schmeißt. Ein NaCl-Molekül gibt zwei Bälle (Ionen), Glukose aber nur einen. Nicht die Startmenge, sondern die Anzahl getrennter Ionen ist entscheidend!
pH-Wert: Wie „sauer“ oder „basisch“ darf die Tropfenlösung sein?
Der pH-Wert beeinflusst, wie angenehm oder irritierend ein Tropfen empfunden wird. Da die Tränenflüssigkeit einen pH um 7,4 hat (leicht basisch!), ist das für Tropfenzubereitungen auch optimal.
- Ideal: pH 7,4 (Tränenflüssigkeit)
- Toleranzbereich: 7,3 – 9,7
- Akzeptabel (reizend): 5,5 – 11,4
Praxis-Kniff: Wenn das Auge verletzt oder nach einer Operation besonders empfindlich ist, sollte man mit dem pH noch weniger experimentieren – am besten auf dem Idealwert bleiben.
Konservierungsmittel & Haltbarkeit: Wann und warum sind sie (nicht) nötig?
Weil Augentropfen jedes Mal mit Luft und Umwelt in Berührung kommen können, brauchen Mehrdosenbehälter fast immer ein Konservierungsmittel. Aber:
- Einzeldosisbehälter (sogenannte Monodosen/„Single-Use“): brauchen kein Konservierungsmittel – sie werden nach Gebrauch weggeworfen.
- Verletztes/optiertes Auge: KEINE Konservierungsmittel! Sie steigern nur das Irritationsrisiko und können die Heilung behindern.
Das IMPP fragt besonders gerne nach, wie lang Tropfenzubereitungen nach Anbruch haltbar sind:
- Mit Konservierungsmittel: Nach Öffnen oft bis zu 6 Monaten (Angabe beachten!)
- Ohne Konservierungsmittel (z. B. Einzeldosen): Sofort verbrauchen – keine Aufbrauchfrist!
Tropfengröße & Dosierung: So beeinflusst die Formulierung die Wirkstoffabgabe
Die Größe des Tropfens bestimmt, wie viel Wirkstoff abgegeben wird. Das klingt simpel, hat es aber in sich:
- Kleine Tropfen: weniger Volumen, aber gezieltere Dosierung
- Große Tropfen: Gefahr der Überdosierung, aber oft weniger Treffsicherheit
Einfluss der Viskosität
Viskosität = „Zähflüssigkeit“ der Lösung.
- Erhöhte Viskosität (z.B. durch Methylcellulose) → Tropfen werden langsamer und größer, bleiben länger auf der Schleimhaut.
- Das hilft, den Wirkstoff länger im Kontakt mit dem Auge oder der Nase zu halten – und muss bei der Dosierung bedacht werden!
Sterilität: Wie stellt man wirklich sterile Augentropfen her?
Sterile Zubereitung ist Pflicht bei Augentropfen!
- Standardmethode: Sterilfiltration durch 0,22 μm Membranfilter
- Hierbei werden Keime herausgefiltert, die Lösung bleibt klar und ist keimfrei.
- Nicht geeignet: Aufkochen, trockene Hitze, Gamma- oder Ethylenoxidsterilisation – nicht zuverlässig oder praktikabel für Lösungen in der Rezeptur.
Das IMPP prüft regelmäßig, dass ihr die Sterilfiltration als einzig zulässige Methode zum Entkeimen bei der Augenrezeptur kennt!
Lösung, Emulsion & Hilfsstoffe: Was gehört in die Zubereitung?
Im Apothekalltag und besonders im Examen stehen häufig wässrige Lösungen oder Öl-in-Wasser-Emulsionen im Fokus. Nutzt die Praxis als Referenz:
- Wässrige Lösungen: Klar, einfach, mit Puffersystem und ggf. Viskositätssteigerer.
- Emulsionen: Nur wenn es nötig ist, z.B. lipidlösliche Wirkstoffe (sonst selten in reinen Arbeitsplatzrezepturen)
Puffersysteme und Viskositätssteigerer
- Puffer (z.B. Natriumtetraborat): Halten den pH stabil.
- Viskositätssteigerer (z.B. Methylcellulose): Verlängern die Kontaktzeit, verhindern zu schnelles „Abfließen“.
Besonderheiten bei der Anwendung: Warum ist der Unterschied zur oralen Anwendung so groß?
- Orale Zubereitung: Wird im Magen sofort verdünnt – Isotonie spielt praktisch keine Rolle.
- Nasale und okuläre Anwendung: Keine Verdünnung möglich! Jede Abweichung von Idealwerten (Osmolarität, pH) wird sofort bemerkt.
- Verletzte/operierte Schleimhäute: Kein Spielraum – jede Irritation kann gefährlich werden.
Irritationen erkennen
- Symptome: Brennen, Tränenfluss, Rötung, Fremdkörpergefühl – alle Hinweise darauf, dass die Formulierung „danebenliegt“ (pH oder Osmolarität nicht im Toleranzbereich).
- Bei Unsicherheit: IMMER Rücksprache mit Arzt oder Apotheker!
- Isotonie ≙ 0,9% NaCl, Toleranzbereich 0,7–1,45%
- pH Ideal: 7,4; Toleranz 7,3–9,7; (5,5–11,4 = reizend)
- Sterilfiltration für Augentropfen Pflicht
- Mehrdosenbehälter = Konservierung; Einzeldosen = konservierungsmittelfrei
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