Flüssige Zubereitungen - Emulgatoren und Emulsionen

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Grundlagen der Emulsionen und Emulgatoren

Was ist eine Emulsion?

Eine Emulsion ist ein feindisperses System, in dem zwei normalerweise nicht mischbare Flüssigkeiten – meist Öl und Wasser – in Form von fein verteilten Tröpfchen (disperse Phase) in der jeweils anderen Flüssigkeit (kontinuierliche Phase) vorliegen. Im Alltag begegnen dir Emulsionen z.B. in Milch (Öl-in-Wasser, O/W) oder Butter (Wasser-in-Öl, W/O). Während das Mischen beider Komponenten kurzfristig möglich ist (z.B. beim Schütteln von Öl und Wasser in einem Glas), trennen sie sich schon nach kurzer Zeit durch Prozesse wie Koaleszenz (Zusammenfließen der Tropfen), Sedimentation oder Aufrahmung wieder. Das liegt daran, dass Öl- und Wassermoleküle an ihrer Grenzfläche „unzufrieden“ bleiben und den Kontakt minimieren möchten (Grenzflächenspannung).

Die Rolle und der Aufbau der Emulgatoren

Um eine stabile Emulsion herzustellen, braucht es Emulgatoren – Moleküle, die als „Brückenbauer“ zwischen beiden Flüssigkeiten wirken. Emulgatoren sind amphiphil, bestehen also immer aus einem wasserfreundlichen (hydrophilen) und einem fettfreundlichen (lipophilen) Teil. Das ermöglicht ihnen, sich mit ihrem hydrophilen Kopf ins Wasser und dem lipophilen Ende ins Öl zu begeben. Dadurch bildet sich um die Tröpfchen ein stabilisierender Film, der die Grenzflächenspannung deutlich reduziert und das Zusammenfließen der Tropfen erschwert. Man kann sich das bildlich wie einen Iglu vorstellen: Der Emulgator schirmt jedes Tröpfchen gegen Eindringlinge ab.

Wichtiger IMPP-Tipp:
Emulgatoren werden häufig von Staatsexamensprüfern als typische „amphiphile Vermittler“ abgefragt. Ihre zentrale Funktion ist das Senken der Grenzflächenspannung und die Stabilisierung von Tröpfchen.

Emulsions-Typen und der Einfluss des Emulgators

Es gibt zwei Haupttypen von Emulsionen:

  • Öl-in-Wasser (O/W): Öltröpfchen sind in Wasser verteilt (z.B. Milch, viele Cremes).
  • Wasser-in-Öl (W/O): Wassertröpfchen sind in Öl verteilt (z.B. Butter, fettreiche Salben).

Ob eine Emulsion O/W oder W/O wird, hängt maßgeblich von den Eigenschaften des Emulgators ab. Hierbei sind zwei Grundkonzepte besonders wichtig: Die Bancroft-Regel und das HLB-Konzept.

Bancroft-Regel

Die Phase, in der sich der Emulgator besser löst, wird die äußere (kontinuierliche) Phase der Emulsion.

  • Hydrophiler Emulgator → äußere Phase Wasser (O/W)
  • Lipophiler Emulgator → äußere Phase Öl (W/O)
HLB-System (Hydrophilic-Lipophilic Balance)

Zur genaueren Bestimmung hilft das HLB-System. Der HLB-Wert eines Emulgators gibt an, wie wasser- oder fettfreundlich er ist und reicht von 0 (sehr lipophil) bis 20 (sehr hydrophil):

  • HLB < 10: Eher W/O-Emulgatoren, z.B. Sorbitanmonostearat (Span 60)
  • HLB > 10 (meist >14): O/W-Emulgatoren, z.B. Polysorbate (Tween 20, 60, 80)

Das IMPP prüft häufig die Verknüpfung zwischen Emulgator, HLB-Wert und bevorzugtem Emulsionstyp!

Nomenklatur: Tensid, Emulgator, Surfactant & Mizelle

  • Tenside (Surfactants) sind Oberflächenaktive Stoffe, die Grenzflächen zwischen zwei Phasen besetzen und durch ihre Struktur Spannung absinken lassen.
  • Emulgatoren sind spezielle Tenside, die besonders Emulsionen stabilisieren.
  • Mizellen entstehen, wenn viele Tenside oberhalb der kritischen Mizellenkonzentration in wässriger Lösung zusammenlagern: Wichtig in der Lösemitteltechnologie und Lösung von unpolaren Arzneistoffen.

Typische Emulgatoren: Einteilung und Vertreter

Nach Ladung in Wasser:

  • Anionisch: Z.B. Natriumlaurylsulfat, Natriumstearat – O/W Emulsionen, stark reinigend.
  • Kationisch: Z.B. Benzalkoniumchlorid – eher Desinfektionsmittel als pharmazeutische Emulgatoren.
  • Nichtionisch: Z.B. Polysorbate (Tween), Sorbitanester (Span), Macrogolstearat – vielseitig und hautverträglich.
  • Amphotere: Z.B. Lecithin, je nach pH unterschiedlich geladen.

Nach chemischer Struktur:

  • Polysorbate (Tween): Polyoxyethylensorbitan-Fettsäureester, HLB > 14.
  • Sorbitanester (Span): Sorbitan-Fettsäureester, HLB < 10 (lipophil).
  • Wollwachs/Wollwachsalkohole: Hoch lipophil, typisch für W/O-Cremes.
  • Alkylsulfate: Z.B. Natriumlaurylsulfat, anionisch, sehr hydrophil.
Emulgator Ladung HLB Beispielhafte Anwendung
Polysorbat 60, 80 (Tween) nichtionisch >14 O/W, Cremes, Tropfen
Sorbitanmonostearat (Span 60) nichtionisch ~4-5 W/O, Fettcremes
Natriumlaurylsulfat anionisch hoch O/W, selten topisch
Wollwachs (eher) nichtionisch <10 W/O, Salben
Lecithin amphoter 7–12 O/W/W/O, Diätetika

Prüfungsfalle: Polyacrylsäure und Macrogol sind keine Emulgatoren! (Ersteres ist ein Gelbildner, letzteres ein Lösungsmittel.)

Komplexemulgatoren

Manche pharmazeutische Grundlagen nutzen Emulgator-Mischungen mit gezielt eingestelltem HLB-Bereich (Komplexemulgatoren, z.B. emulgierender Cetylstearylalkohol Typ A: Mischung aus Cetylstearylalkohol und Natriumcetylstearylsulfat, ideal für O/W-Emulsionen). Solche Mischungen kombinieren die Vorteile verschiedener Emulgatortypen und sorgen für hohe Stabilität wie angenehme Anwendbarkeit.

Herstellung und Typisierung von Emulsionen

Herstellungsverfahren

Staatsexamensrelevant: Nicht nur die Wahl des richtigen Emulgators entscheidet, sondern auch wie und in welcher Reihenfolge die Phasen zusammengebracht werden und bei welcher Temperatur.

Kontinentale Methode (Gum-Gummi-/Suspensionsmethode)

  • Emulgator wird mit Öl gemischt, Wasser dann unter kräftigem Rühren zugegeben
  • Idealer Einsatz: hydrophiler Emulgator in O/W-Emulsion

Englische Methode (Lösungsmethode)

  • Emulgator in Wasser lösen, Öl langsam einarbeiten
  • Ideal, wenn Emulgator in Wasser am besten löslich

Aufschaukelmethode

  • Alternierende Zugabe und Verreibung beider Phasen
  • Flexibel, besonders wenn keine klare Emulgatorlöslichkeit

Phase-Inversion-Temperaturmethode (PIT-Methode)

  • Für spezielle nichtionische Emulgatoren, die ihre Hydrophilie temperaturempfindlich verändern
  • Herstellung bei erhöhter Temperatur, beim Abkühlen bildet sich feinste Tropfengröße und optimale Stabilität

Die gewählte Methode und die Reihenfolge der Zugabe sind besonders prüfungsrelevant und entscheiden maßgeblich über die Qualität der Emulsion!

Typisierung und praktische Unterscheidung von Emulsionen

Ob eine Emulsion O/W oder W/O ist, wird meist durch einfache Tests klar gemacht:

  • Farbstofftests:
    • Methylenblau (wasserlöslich) färbt die Wasserphase → gleichmäßig blau: O/W.
    • Sudanrot (fettlöslich) färbt Ölphase → Rotfärbung: W/O.
  • Leitfähigkeit:
    • O/W-Emulsionen leiten Strom wegen wässriger Außenphase, W/O nicht.
  • Abwaschbarkeit:
    • O/W kann leicht mit Wasser abgewaschen werden, W/O hinterlässt Fettfilm.
  • Verdünnungstest:
    • O/W mit Wasser, W/O mit Öl verdünnbar.

Das IMPP fragt bevorzugt nach diesen Unterscheidungsmerkmalen!

Stabilität und Stabilisierung von Emulsionen

Emulsionen sind thermodynamisch instabil und neigen zu diversen Trennungserscheinungen wie Koaleszenz oder Sedimentation:

  • Koaleszenz: Tröpfchen verschmelzen zu größeren Tropfen, dies schwächt die Emulsion.
  • Aufrahmung/Sedimentation: Leichtere Phase steigt auf (z.B. Öl bei O/W, Aufrahmung), schwerere sinkt ab (Sedimentation).
  • Phaseninversion: Plötzlicher Wechsel des Emulsionstyps, z.B. durch Temperatur oder falsche Mengenverhältnisse.
  • Ostwald-Reifung: Größere Tröpfchen wachsen zulasten kleinerer durch Moleküldiffusion.

Faktoren zur Stabilisierung:

  • Emulgatorwahl: Passender HLB-Wert zum gewünschten Emulsionstyp.
  • Viskositätserhöhung: Zusätze wie Gelbildner (z.B. Cellulosederivate) verlangsamen das Absinken/Aufrahmen der Tröpfchen, können aber keine echte Emulsion ohne Emulgator erzeugen.
  • Kleine Tröpfchengröße: Je kleiner und einheitlicher die Tröpfchengröße, desto stabiler (auch durch das Stokes’sche Gesetz beschreibbar: Geschwindigkeit der Aufrahmung/Sedimentation nimmt quadratisch mit dem Tröpfchenradius zu).
  • Optimierung der Herstellung: Starke Dispergierung, Temperatureinstellung oder Homogenisatoren schaffen kleinere Tröpfchen.

Starke Emulsion braucht:

  • Passenden und ausreichend konzentrierten Emulgator
  • Möglichst kleine, einheitliche Tröpfchen
  • Eine ausreichend hohe Viskosität der äußeren Phase
  • Keine Temperaturextreme oder Licht

Pharmazeutische und praktische Anforderungen

Vor allem für parenterale Emulsionen gelten hohe Anforderungen:

  • Partikelgröße: Muss <5 µm liegen, um Mikroembolien zu verhindern.
  • Sterilität: Parenterale und ophthalmologische Produkte müssen steril hergestellt werden.
  • Stabilität: Phasentrennung und Verkeimung müssen während der gesamten Lagerzeit ausgeschlossen werden.
  • Stabilitätsprüfungen: Umfassen mikroskopische Kontrolle, Zentrifugenstabilität, Temperaturwechsel, Leitfähigkeits- und Farbstofftests.

Zusammenfassung & Take-Home-Message

  • Emulsionen entstehen aus zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten durch den Einsatz amphiphiler Emulgatoren, die Tröpfchen stabilisieren.
  • Der Emulsions-Typ (O/W oder W/O) wird durch die Bancroft-Regel und den HLB-Wert des Emulgators bestimmt.
  • Typische Prüfungsfragen prüfen auf diesen Zusammenhang, den Aufbau typischer Vertreter, Unterschiede zwischen Gelbildnern & Emulgatoren, Testmethoden zur Typisierung und pharmazeutische Anforderungen.
  • Für stabile Emulsionen benötigen wir:
    • Den passenden Emulgator (mit korrektem HLB),
    • eine geeignete Herstellungsmethode,
    • Hilfsstoffe zur Viskositätserhöhung, wo sinnvoll,
    • und die Berücksichtigung der Partikelgröße besonders bei parenteralen Produkten.
  • IMPP-Fragen zielen auf die Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten, ihre Alltagsbeispiele und die Begründungen der jeweiligen Eigenschaften.

Das Zusammenspiel von Emulgatorwahl, HLB-Wert, Zubereitungsverfahren und Stabilität ist der zentrale „rote Faden“ für das Staatsexamen!

Zusammenfassung

  • Emulsionen sind feindisperse Mischungen aus zwei eigentlich nicht mischbaren Flüssigkeiten wie Öl und Wasser, wobei ein Emulgator benötigt wird, um die Tröpfchen der einen Phase in der anderen stabil zu halten (z.B. Milch als Öl-in-Wasser-Emulsion).
  • Emulgatoren sind amphiphile Moleküle, die sich an der Grenzfläche zwischen Öl und Wasser ausrichten und die Grenzflächenspannung senken; typische Vertreter sind Polysorbate (Tween, für O/W) und Sorbitanester (Span, für W/O).
  • Der HLB-Wert (Hydrophilic-Lipophilic Balance) zeigt an, ob ein Emulgator hydrophil (>10, für O/W) oder lipophil (<10, für W/O) ist; die Bancroft-Regel besagt, dass die Phase, in der sich der Emulgator besser löst, die äußere (kontinuierliche) Phase bildet.
  • Zur Herstellung von Emulsionen werden Methoden wie die kontinentale, englische oder PIT-Methode genutzt, wobei die Reihenfolge der Zugabe und die Temperatur das Ergebnis und die Stabilität beeinflussen.
  • Typisierung von Emulsionen erfolgt praxisnah über Farbstofftests, Leitfähigkeit, Verdünnbarkeit und Abwaschbarkeit, z.B. leitet nur eine O/W-Emulsion Strom und ist mit Wasser verdünnbar.
  • Ursachen für Instabilität einer Emulsion sind Koaleszenz, Aufrahmung/Sedimentation, Ostwald-Reifung und Phaseninversion; kleine Tropfengröße und hohe Viskosität fördern Stabilität (siehe Stokes-Gesetz).
  • Bei parenteralen Emulsionen sind besonders kleine Partikelgrößen (<5 µm), Sterilität und Isotonie essenziell, um Unverträglichkeiten und Gefahren wie Embolien zu vermeiden.

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