Pulver und Granulate - Herstellung von Granulaten

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Herstellung von Granulaten: Methoden, Mechanismen und Hilfsstoffe

Granulate sind körnige, knapp millimetergroße Partikel-Aggregate, die in der Arzneiformenlehre eine zentrale Rolle spielen – etwa als Ausgangsstoff für Tabletten, zur Herstellung von Brausegranulaten oder als Dosierhilfen bei Pulvermischungen. In diesem Abschnitt schauen wir uns anschaulich die wichtigsten Herstellungswege für Granulate an, ihre zugrundeliegenden Prinzipien sowie die typischen Hilfsstoffe, die ihr für Prüfungen kennen solltet.

Einführung: Was sind Granulate und warum sind sie wichtig?

Stell dir Granulate wie kleine, feste “Kügelchen” vor, die aus vielen feinen Pulverteilchen bestehen, die durch Brücken miteinander verbunden sind – entweder durch auskristallisierte Substanzen oder durch Zugabe von Bindemitteln. Granulate werden häufig eingesetzt, weil sie:

  • Besser fließen als reines Pulver (das oft verklumpt),
  • Gut dosierbar sind,
  • Weniger stauben und
  • Mechanisch stabiler sind.

Damit Granulate ihre Aufgaben erfüllen, müssen sie gleichmäßig in Größe und Festigkeit sein. Zu harte oder zu weiche Granulate sind unerwünscht und führen schnell zu Problemen, etwa beim Tablettieren.

Hauptmethoden der Granulatherstellung

Zwei wichtige Herstellungswege solltet ihr grundsätzlich auseinanderhalten:

  1. Feuchtgranulierung – mit Flüssigkeit (entweder ein Lösungsmittel oder Bindemittellösung)
  2. Trockengranulierung – ganz ohne zugefügte Flüssigkeit

Feuchtgranulierung: Krusten- und Klebstoffgranulierung anschaulich erklärt

Die Feuchtgranulierung ist quasi das „Zusammenkleben“ von Pulverteilchen mithilfe von Wasser, Alkoholen oder Bindemittellösungen. Aber es gibt zwei klar unterschiedliche Prinzipien, die auch in Prüfungen wichtig sind:

A) Krustengranulierung („Kristallbrücken“)

Hier wird ein Pulver mit einer Granulierflüssigkeit (typischerweise Wasser, Ethanol-Wasser oder selten Isopropanol) angefeuchtet. Einige Komponenten des Pulvers sind ein wenig wasser- (oder alkohol-)löslich. Wenn das Pulver angefeuchtet wird, lösen sich diese Bestandteile an den Oberflächen der Pulverkörnchen geringfügig an. Es entsteht eine Mischung aus festen und gelösten Anteilen.

Jetzt kommt ein entscheidender Schritt: Trocknung! Beim Trocknen kristallisieren die vorher gelösten Stoffe wieder aus – und legen sich wie eine dünne Kruste um die Pulverteilchen oder füllen die Kontaktstellen zwischen den Körnchen aus. Die einzelnen Pulverteilchen sind nun durch feste, auskristallisierte „Feststoffbrücken“ miteinander verbunden, daher der Begriff „Krusten“-Granulierung.

Ein leicht verständliches Bild: Denk dir, du feuchtest Zucker an; nach dem Trocknen bekommst du harte „Zuckerklumpen“, weil sich Zuckerkristalle als Brücke gebildet haben.

NoteImmer nur teilweise und gezielt lösen!

Bei der Krustengranulierung: Es wird nie das komplette Pulver gelöst! Nur ein kleiner Teil der Bestandteile löst sich an der Oberfläche, gerade so viel, dass beim Trocknen Feststoffbrücken entstehen.

Achtung, Prüfungsfalle: Das IMPP fragt gerne nach: Nicht alle Komponenten dürfen komplett gelöst werden. Sonst gibt es keine „Kruste“, sondern einen einzigen Klumpen (und das wollen wir nicht).

Typische Lösungsmittel:
  • Wasser (Achtung: Empfindliche Wirkstoffe könnten sich zersetzen)
  • Ethanol-Wasser-Gemische
  • Gelegentlich Isopropanol

Die Wahl des Lösungsmittels hängt von der Löslichkeit (und Stabilität) der Bestandteile ab.

Fehlerquellen und Besonderheiten:
  • Nutzt man zu viel Flüssigkeit, verklebt alles zu stark.
  • Trocknet man zu langsam, werden die Brücken zu groß und unregelmäßig.
  • Statt gleichmäßigen runden Granulaten entstehen dann eher Brocken.

Ein Irrtum ist weit verbreitet: Krustengranulate entstehen NICHT immer nur durch „Aufbau“ (also einfach Schicht für Schicht Brückenbildung), sondern es wird fast immer SIEBEN (also Abbaugranulierung) dazwischengeschaltet. Das Sieben hilft, gleichmäßige Partikelgrößen zu erzielen.

B) Klebstoffgranulierung („Bindemittelbrücken“)

Hier machst du aus Pulver kleine „Bausteine“, indem du einen Kleber, also eine Bindemittellösung, dazugibst. Dies ist der klassische Fall, wenn das Pulver selbst nicht (oder nicht genug) anlösbar ist und man daher zu einem Bindemittel greifen muss.

Die Bindemittellösung wird auf das Pulver gesprüht oder eingemischt. Typische Binder sind:

  • Povidon
  • Stärke
  • Gelatine
  • Celluloseether (z. B. HPMC)

Diese Stoffe wirken wie Klebstoff: Sie setzen sich wie ein feiner Film zwischen die einzelnen Pulverpartikel und „verkleben“ sie miteinander – beim Trocknen bilden sie stabile Bindemittelbrücken.

Eine anschauliche Metapher: Denk an feuchten Sand und Leim. Mit Wasser allein klebt Sand kaum dauerhaft zusammen. Fügst du aber einen Tropfen Holzleim hinzu und trocknest das Ganze, bleibt das Bauwerk stabil.

NoteTypische Fehlerquellen bei der Klebstoffgranulierung

Wird zu wenig Bindemittel verwendet, „zerbröselt“ das Granulat; wird zu viel Binder zugegeben, entstehen harte und „gummiartige“ Klumpen, die sich später schwer weiterverarbeiten lassen.

Unterschied zur Krustengranulierung: Bei der Klebstoffgranulierung entstehen die Brücken durch das Binde-Mittel selbst (also durch einen zugegebenen Kleber), bei der Krustengranulierung durch auskristallisierte Teile aus dem Pulver.

Trockengranulierung: Für feuchtigkeitsempfindliche Stoffe

Die Trockengranulierung ist perfekt für Wirkstoffe, die sich mit Wasser oder Lösungsmitteln nicht vertragen – etwa weil sie empfindlich oder hygroskopisch (also wasseranziehend) sind.

Prinzip:

Du nimmst das Pulver und presst es ohne Zugabe von Flüssigkeit mechanisch stark zusammen – entweder in einer Walzenpresse (Walzenkompaktierung) oder mit einer Tablettenpresse zu „Bändern“ oder „Schildern“. Diese kompakten Stücke werden anschließend zerkleinert und gesiebt, sodass die gewünschten Granulatgrößen entstehen.

Die „Brücken“ zwischen den Partikeln entstehen hier rein durch den mechanischen Druck, der die Pulverteilchen aneinanderpresst (sog. plastische Verformung).

Beispiele:
  • Geeignet: Acetylsalicylsäure (bei Empfindlichkeit gegen Wasser), viele Vitamine.
  • Nicht geeignet: Sehr spröde, kristalline oder „fettige“ Pulver, die sich mechanisch schlecht verdichten lassen.
NoteGeeignet, wenn keine Feuchtigkeit gewünscht ist!

Immer merken: Die Trockengranulierung ist das Verfahren der Wahl, wenn der Wirkstoff empfindlich gegenüber Feuchtigkeit ist oder wenn wasserlösliche Binder unerwünscht sind.

Spezialverfahren: Wirbelschicht- und Sintergranulierung einfach erklärt

Wirbelschichtgranulierung

Hier schwebt das Pulver in einem kräftigen aufwärtsgerichteten Luftstrom („Wirbelschicht“). Währenddessen wird eine Granulierflüssigkeit (Lösung eines Binders oder Wasser) fein zerstäubt und von oben eingesprüht. Die kleinen Tröpfchen verbinden die Partikel, die so zu Granulatkörnern anwachsen.

Vorteil: Gleichmäßige Verteilung, sehr gute Kontrolle über Größe und Feuchtigkeit.

Anwendungsgebiet: Besonders bei hitzeempfindlichen Substanzen, weil die Trocknung quasi gleichzeitig (im Luftstrom) schon stattfindet; auch bei größerer Produktion.

Sintergranulierung

Auch ein spannendes Verfahren: Hier wird ganz ohne zusätzliche Flüssigkeit gearbeitet! Das Pulver wird kurzzeitig auf hohe Temperaturen erhitzt, so dass die Oberfläche anschmilzt und die Körner aneinander „verschmelzen“. Nach dem Abkühlen („Erstarren“) bleiben die Partikel als festes Granulat zusammen.

Wichtig: Wird zum Beispiel eingesetzt, wenn wasser- (oder lösungsmittel-)empfindliche Wirkstoffe verarbeitet werden müssen, aber Hitze ausgehalten werden kann.

Hilfsstoffe bei der Granulatherstellung

Hilfsstoffe sind die „unsichtbaren Helfer“, die das Granulat stabil machen oder seine Eigenschaften steuern.

Typische Bindemittel:

  • Stärke
  • Gelatine
  • Celluloseether
  • Povidon

Sie werden meist als Lösung oder Schleim zugegeben und sorgen für feste Brückenbildung beim Trocknen.

NoteHydrophile Flüssigkeiten (PEG, Glycerol) bilden keine festen Binderbrücken!

Das IMPP fragt immer wieder: Hydrophile flüssige Zusätze wie Polyethylenglykol (PEG) oder Glycerol bleiben bei Raumtemperatur flüssig. Sie können KEINE festen Brücken nach dem Trocknen ausbilden und eignen sich NICHT als Binder für Granulate, die durch Trocknung entstehen sollen!

Methoden-Überblick und typische Anwendungsbeispiele

Methode Bindungstyp Typische Hilfsstoffe/Lösungsmittel Beispiel-Arzneistoffe Vorteile Nachteile
Krustengranulierung Feststoffbrücken (Kristalle) Wasser, Ethanol, Isopropanol ASS-Granulat Keine Binder nötig, gut dosierbar Nicht für alles geeignet
Klebstoffgranulierung Bindemittelbrücken Stärke, Povidon, Gelatine, Celluloseether Paracetamolgranulat Für viele Pulver geeignet Zu viel Binder = zu fest
Trockengranulierung Mechanische Verdichtung Feuchtigkeitsempfindliche Stoffe Kein Wasser, schnell Nicht für jedes Pulver
Wirbelschichtgranulation Bindemittel – spraygetrocknet Wie oben Große Chargen, spezielle Präparate Gleichmäßige Körnchengröße, schonend Technisch aufwendig
Sintergranulierung Schmelzbrücken Manche Spezialgranulate Keine Flüssigkeit nötig Nicht für hitzeempfindliche Substanzen

Typische Prüfungsfragen und worauf ihr achten solltet

Das IMPP und viele mündliche Prüfungen wollen wissen:

  • „Erklären Sie den Unterschied zwischen Krusten- und Klebstoffgranulierung!“
    Antwort: Krusten: Feststoffbrücken aus auskristallisierenden Pulveranteilen – Klebstoff: Bindemittelbrücken aus zugegebenem Polymer.

  • „Nennen Sie typische Bindemittel für Granulate!“
    Antwort: Stärke, Gelatine, Celluloseether, Povidon

  • „Warum ist Trockengranulierung für feuchtigkeitsempfindliche Substanzen geeignet?“

Achtet immer auf: - Die rationale Auswahl des Granulierverfahrens je nach Wirkstoff! - Die Frage: „Wie erkennt man schlechtes Granulat?“ (z.B. zu wenig Binder = keine Festigkeit, zu viel = Klumpen) - Fähigkeit, Anwendungsgebiete zuzuordnen.

Damit seid ihr für Prüfungen und Praxis bestmöglich ausgerüstet!

Zusammenfassung

  • Granulate verbinden Pulverteilchen zu festen, besser fließenden und dosierbaren Kügelchen, deren gleichmäßige Größe und Festigkeit Voraussetzung für gute Arzneiformen ist.
  • Bei der Krustengranulierung entsteht die Verbindung der Teilchen durch auskristallisierende Stoffe aus dem Pulver selbst (z.B. wie angefeuchteter, getrockneter Zucker), während bei der Klebstoffgranulierung externe Bindemittel (wie Povidon oder Stärke) die Partikel verkleben.
  • Trockengranulierung arbeitet ohne Flüssigkeit, indem Pulver mechanisch stark verdichtet wird – ideal für feuchtigkeitsempfindliche Substanzen wie viele Vitamine.
  • Die Wirbelschichtgranulierung nutzt einen Luftstrom und feinst zerstäubte Flüssigkeit, um besonders gleichmäßige und schonend getrocknete Granulate herzustellen.
  • Hydrophile flüssige Zusätze (z.B. PEG, Glycerol) sind als Binder ungeeignet, weil sie nach dem Trocknen keine festen Brücken bilden können.
  • Die Wahl des Granulierverfahrens richtet sich nach den Eigenschaften des Wirkstoffs, wobei insbesondere Löslichkeit und Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit entscheidend sind.

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