Pulver und Granulate - Herstellung Pulver

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Die praktische Herstellung von Pulvern in der Rezeptur

Warum sind Pulver als Arzneiform besonders?

Pulver sind eine ganz ursprüngliche Arzneiform, die vor allem dann genutzt wird, wenn individuelle Dosierungen oder spezielle Zusammenstellungen benötigt werden, etwa für Kinder, Allergiker oder Tierarzneien. Anders als bei Tabletten- oder Kapselherstellung gibt es keine industrielle Großtechnik – hier zählt wirklich handwerkliches Können!

Die zuverlässige, gleichmäßige Verteilung des Wirkstoffs auf alle Einzelportionen ist nicht immer trivial – Fehler dabei können fatale Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie haben. Darum schauen wir uns jeden Herstellschritt so genau an.

1. Exaktes Abwiegen: Die Basis für alles Weitere

Damit das fertige Pulver die richtige Wirkstoffmenge enthält, ist genaues Abwiegen der Ausgangsstoffe absolut entscheidend. Schon kleine Fehler hier können dazu führen, dass eine Patientenportion auf einmal doppelt so hoch dosiert ist – oder viel zu wenig enthält.

Waagentypen und ihre Funktionsweise

  • Analysenwaagen: Sehr präzise, messen oft bis auf 0,1 mg genau. Werden nur für sehr kleine Mengen (unter 1 g) verwendet.
  • Feinwaagen: Querbeet im Apothekenalltag, oft bis 0,01 g genau.
  • Grobwaagen: Für große Mengen/Füllstoffe, z.B. bei Hilfsstoffen.

Wichtig: Die Waage muss immer kalibriert und tarriert (also genullt) werden, bevor du wiegst. Die Umgebung sollte ruhig, erschütterungsfrei und frei von Zugluft sein, damit das Messergebnis nicht verfälscht wird.

Typische Fehlerquellen beim Wiegen

  • Unkalibrierte Waage: Führt schnell zu systematischen Fehlern.
  • Rückstände an der Uhrglaswaage oder im Taragefäß: Der Stoff klebt fest – es wird zu wenig abgegeben!
  • Nicht nullen (tarieren): Man wiegt versehentlich das Gefäß mit.
  • Ablesen aus falschem Blickwinkel („Parallaxefehler“): Die Anzeige wird schief betrachtet, falscher Wert.

2. Zerkleinern: Feine Partikel als Voraussetzung für gleichmäßiges Mischen

Je feiner und gleichmäßiger die Ausgangsstoffe sind, desto besser lassen sie sich homogen mischen. Große Klumpen („Agglomerate“) oder unterschiedlich große Partikel führen später zu Problemen: Der Wirkstoff sammelt sich vielleicht nur in einer Ecke der Mischung – das will keiner!

Wichtige Methoden zum Zerkleinern

  • Mörsern & Pistill: Klassiker in der Rezeptur – fast jede*r kennt noch den Porzellanmörser aus dem Laborpraktikum. Ideal für kleine Mengen und empfindliche Substanzen.
  • Reiben und Mahlen: Wird häufig für größere Pulvermengen oder besonders harte/granulierte Stoffe genutzt.
  • Schneidmühlen oder Quetschgeräte (technisch): Für größere Ansätze (selten in kleinen Apotheken).

Worauf muss man beim Zerkleinern achten?

  • Nicht zu viel Kraft: Manche Wirkstoffe sind hitzeempfindlich! Durch starkes Reiben kann Wärme entstehen, die Pulver können „schmierig“ werden.
  • Staubentwicklung vermeiden: Viele feine Pulver sind reizend – arbeite daher möglichst langsam und (falls nötig) unter einem Abzug.
  • Homogene Partikelgröße: Je gleichmäßiger, desto besser die Mischbarkeit.
NoteBedeutung der Partikelgröße

Das IMPP legt Wert auf die Partikelgleichmäßigkeit: Wenn einige Partikel noch sehr grob sind, werden sie beim Mischen nicht gut verteilt. Dadurch können einzelne Portionen zu viel oder zu wenig Wirkstoff enthalten.

3. Sieben: Sicherheit durch gleichmäßige Korngröße

Nach dem Zerkleinern werden die Pulver gesiebt. Das klingt erst mal bürokratisch, ist aber effektive Qualitätssicherung: So werden Klumpen entfernt und man erhält ein Pulver mit gleichmäßiger Korngröße – das „Siebgut“.

Siebtypen und praktische Anwendung

  • Handsieb: Für kleine Mengen, meist mit standardisierten Maschenweiten (z.B. 250 µm).
  • Vibrationssieb: Für größere Pulver, sorgt für besonders einheitliche Korngröße.
  • Siebmühlen: Technik für größere Mengen/Industrie.

Intuition: Man kann sich das wie beim Kuchenbacken vorstellen – Mehl wird gesiebt, damit es locker und fein ist und sich besser unterrühren lässt. Genauso sorgt das Sieben bei Pulvern dafür, dass sie später ohne Klumpen und mit einheitlicher Textur gemischt werden.

Warum ist homogenes Siebgut wichtig?

Nur so ist sichergestellt, dass sich alle Bestandteile beim Mischen wirklich gleichmäßig verteilen – große und kleine Körner trennen sich sonst wieder („Entmischung“). Im Examen taucht das häufig im Zusammenhang mit Mischgüte auf.

4. Mischen: Verschiedene Techniken und die Frage der Mischgüte

Beim Mischen werden die einzelnen Komponenten zu einer gleichmäßigen Pulvermischung vereint. Das Ziel: Jede Einzelportion soll wirklich dieselbe Zusammensetzung haben, also dieselbe Wirkstoffmenge wie im Gesamtansatz.

Mischtechniken: Die richtige Methode für jeden Ansatz

  • Manuelles Mischen im Mörser: Häufig, weil man kleinste Mengen gut im Blick hat.
    • Pulver werden schichtweise zugegeben (am besten immer „Pulver plus Pulver“, nie direkt Flüssigkeit zugeben).
    • Mit kreisenden Bewegungen verteilt man die Mischung im Mörser.
    • Für besonders geringe Mengen empfiehlt das IMPP oft das Einfalten in Papier (Konusschüttelmethode).
  • Schüttelmischen: Weniger genau für kleine Mengen. Pulver in einem fest verschlossenen Gefäß gleichmäßig sanft geschüttelt.
  • Technische Mischer (z.B. Trommelmischer): Kommen eher im großen Maßstab oder in Rezeptur-Laboratorien vor.

Worauf beim Mischen achten?

  • Reihenfolge der Zugabe: Immer gleich große oder gleichartige Pulver zuerst, schwer mischbare Stoffe können mit Hilfspulvern vermischt werden („Vormischung“).
  • Mischdauer: Nicht nur „schnell drüber“, sondern wirklich mischen! Aber auch nicht zu lange, sonst kann Entmischung auftreten.
  • Mischgefäß sauber und trocken halten.
NoteMischgüte – Wie „gleichmäßig“ ist eine Mischung wirklich?

Das zentrale Qualitätskriterium ist die Mischgüte: Sie gibt an, wie gut sich die einzelnen Bestandteile im Pulver verteilt haben.

Ein häufiges Beispiel, das du im Examen kennen solltest, ist der Farbstofftracer-Versuch: Ein „unsichtbarer“ Bestandteil wie ein Farbstoff oder eine erlaubte Spurensubstanz wird eingemischt und dann an mehreren Probenpunkten untersucht. Unterschiedliche Messwerte zeigen eine schlechte Mischgüte!

Kennzahlen wie die Standardabweichung (\(s\)) oder die relative Standardabweichung (\(RSD\)) drücken mathematisch aus, wie stark die Proben voneinander abweichen.

Formel für \(RSD\):

\[ RSD = \frac{s}{\bar{x}} \cdot 100\% \]

Mit \(s\) = Standardabweichung, \(\bar{x}\) = Mittelwert der Messwerte (z.B. Wirkstoffgehalt in mehreren Proben).

Intuition: Je kleiner der Wert, desto einheitlicher (= besser) ist deine Mischung.

5. Abteilen: Portionieren für die individuelle Abgabe

Wenn das Pulver perfekt gemischt ist, müssen daraus noch gleich große Portionen für den Patienten oder die Patientin entstehen. Man nennt das Abteilen oder Portionsabgabe.

Methoden des Abteilens

  • Abfüllschaufeln: Pulver wird in Einzelportionen direkt auf eine Unterlage gegeben – einfach, aber nicht immer superpräzise.
  • Kapselplatten: Für die Herstellung von Kapseln, besonders beliebt bei Einzelherstellungen.
  • Dosierlöffel und -gefäße: Für Volumen- oder Gewichtsportionierung.

Tipp: Für besonders gleichmäßige Einzelportionen kann man das gesamte Pulver auf einem Blatt Papier in eine dünne, gleichmäßige Schicht streichen und mit einem Spatel in genau gleich große „Kuchenstücke“ abteilen – wie das Teilen von Schokolade in exakt gleich große Riegel.

Typische Fehler und wie du sie vermeidest

  • Ungenaues Arbeiten: Unterschiedliche Portionen – Patienten bekommen zu viel oder zu wenig Wirkstoff.
  • Rückstände im Gefäß: Beim Umfüllen bleibt Pulver hängen, nicht alle Portionen enthalten anteilig denselben Wirkstoff.
  • Hände und Arbeitsplatz nicht sauber: Das Pulver kann verunreinigt werden.
NoteHygiene und Dokumentation sind Pflicht!

Das IMPP prüft gerne nach der Bedeutung von Sauberkeit und lückenloser Dokumentation. Besonders bei Pulvern können schon kleinste Verunreinigungen oder nicht dokumentierte Zwischenschritte zu Problemen führen! Jede Bewegung sollte nachvollziehbar sein – das schützt nicht nur Patient*innen, sondern auch dich als herstellende Person.

Zusammenfassung

  • Beim Herstellen von Pulvern in der Rezeptur ist exaktes Abwiegen entscheidend, denn schon geringe Dosierfehler können die Therapie gefährden – kalibrierte Waagen und sorgfältiges Tarieren sind Pflicht.
  • Ein gleichmäßiges Zerkleinern der Ausgangsstoffe sorgt dafür, dass der Wirkstoff später homogen verteilt ist; zu grobe oder verklumpte Partikel führen zu ungleichmäßigen Portionen.
  • Sieben nach dem Zerkleinern garantiert eine einheitliche Korngröße und verhindert Klumpenbildung, so dass sich alle Bestandteile beim Mischen gleichmäßig verteilen.
  • Mischen erfordert passende Techniken (z.B. manuelles Mörsern oder Schüttelmischen), wobei die Reihenfolge und Mischdauer wichtig sind, um eine hohe Mischgüte zu erreichen; der Farbstofftracer-Versuch prüft die Gleichmäßigkeit mathematisch (z.B. mit RSD).
  • Das Abteilen des Pulvers in Einzelportionen muss präzise erfolgen, da sonst Patient*innen unterschiedlich dosierte Portionen erhalten – Hilfsmittel wie Spatel oder Kapselplatten helfen, aber das saubere Arbeiten ist entscheidend.
  • Hygiene und lückenlose Dokumentation sind unerlässlich, da schon kleine Verunreinigungen oder nicht dokumentierte Änderungen die Arzneimittelsicherheit gefährden.

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