Flüssige Zubereitungen - Beschreibung und Einteilung

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Systematik und Abgrenzung flüssiger Zubereitungen: Die Welt der Lösungen, Suspensionen und Emulsionen anschaulich erklärt

Flüssige Zubereitungen sind aus der Pharmazie nicht wegzudenken. Kaum ein Arzneiformgebiet zeigt so deutlich, wie unterschiedlich Substanzen in Flüssigkeiten verteilt sein können. Damit du im Staatsexamen (und später im Berufsalltag) sattelfest bleibt, betrachten wir die drei Grundtypen: Lösungen, Suspensionen und Emulsionen.

Wir gehen systematisch vor:
Was ist verteilt – Moleküle, Tröpfchen oder Partikel? Wie viele Phasen gibt es? Solche grundlegenden Fragen helfen dir, die Systeme sicher zu unterscheiden und typische Fehlerquellen – auch im Staatsexamen – zu vermeiden.

Disperse Systeme und Einteilung nach Teilchengröße

Der Begriff disperse Systeme umfasst alle Arzneiformen, bei denen mindestens eine Substanz (die disperse Phase) fein in einer anderen (der kontinuierlichen Phase) verteilt ist. Je nach Größe der verteilten Einheiten und ihrem Verteilungsgrad zeigen diese Systeme sehr unterschiedliche Eigenschaften:

  • Molekulardisperse Systeme (<1 nm): Echte Lösungen – die Teilchen sind kleinste Moleküle oder Ionen, vollständig gelöst.
  • Kolloiddisperse Systeme (1–1000 nm): Winzige Aggregate, noch nicht Moleküle aber auch keine großen Partikel.
  • Grobdisperse Systeme (>1000 nm): Sichtbare Partikel oder Tröpfchen, keine vollständige Durchmischung.

Diese Unterscheidung ist nicht nur prüfungsrelevant, sondern erklärt auch das Verhalten und Aussehen der Zubereitung.

Molekulardisperse Systeme: Echte Lösungen

Ein klassisches Beispiel ist die gelöste Kochsalz- oder Zuckerlösung im Wasser.
Hier lösen sich die Teilchen so fein, dass sie nicht mehr sichtbar sind – eine einphasige, vollkommen klare Flüssigkeit entsteht. Es gibt keine absetzbaren Komponenten, keine Trübung und keinen Tyndall-Effekt (keine Lichtstreuung beim Durchleuchten).

Merkmale:

  • Homogen und durchsichtig
  • Keine Sedimentation, keine Phasentrennung
  • Teilchen unterhalb 1 nm (meist Moleküle oder Ionen)
  • Beispiele: Glucoselösungen, klare Tinkturen, isotonische Kochsalzlösung

Kolloiddisperse Systeme

In kolloiddispersen Systemen – etwa in manchen Mizellenlösungen oder Gelatinesystemen – bewegen sich die Teilchen im Größenbereich von 1 nm bis 1000 nm. Sie sind zu groß für eine molekulare Lösung, aber zu klein, um sich schnell abzusetzen.

Merkmale:

  • Meist trüb oder opaleszierend
  • Zeigen den Tyndall-Effekt (sichtbare Lichtstreuung, z. B. Autoscheinwerfer im Nebel)
  • Sedimentationsneigung gering, aber möglich
  • Beispiele: Nebel (Wassertröpfchen in Luft), Mizellenlösungen

Grobdisperse Systeme: Suspensionen und Emulsionen

Hier sind die Partikel oder Tröpfchen deutlich größer und oft mit bloßem Auge als Trübung oder sogar Sediment erkennbar. Nach einiger Zeit trennt sich das System oft in unterschiedliche Phasen.

Merkmale:

  • Stark trüb bis undurchsichtig
  • Sedimentation (Absetzen der Feststoffe, z. B. in Suspensionen) oder Phasentrennung (Emulsionen)
  • Nicht mehr homogen; meist müssen die Systeme vor Gebrauch geschüttelt werden
  • Beispiele: Kakao in Milch (Suspension), Milch (Emulsion mit grobdispersen Fetttröpfchen), Paraffinemulsion

Flüssige Zubereitungen im Detail

Lösungen – Klar, einphasig & molekulardispers

Lösungen sind der Genuineinsteiger unter den flüssigen Arzneiformen: Der Wirkstoff ist komplett auf molekularer Ebene verteilt. Egal, ob Wasser, Ethanol oder ein anderes Lösungsmittel gewählt wird, eine echte Lösung ist immer klar und homogen.

Besonderheiten:

  • Die Löslichkeit des Wirkstoffs muss beachtet werden; deshalb kommen manchmal Hilfsstoffe oder Löslichkeitsverbesserer (wie Tenside/Solubilisatoren) hinzu.
  • Es gibt verschiedene Konzentrationsangaben (z. B. % w/v, % w/w, % v/v).
  • Konservierungsmittel sind bei vielen Lösungen notwendig, um die mikrobiologische Stabilität zu gewährleisten (z. B. Kaliumsorbat, Parabene, Ethanol – abh. vom Anwendungsgebiet).
NoteLösungen sind immer klar!

Lösungen zeichnen sich durch echte Homogenität aus – sie sind durchsichtig, zeigen keinen Tyndall-Effekt und keine Sedimentation. Das unterscheidet sie sicher von kolloidal- und grobdispersen Systemen.

Suspensionen – Die Welt der Feststoffteilchen in Flüssigkeit

Eine Suspension erhältst du, wenn unlösliche Feststoffe (wie Paracetamolpulver) in eine Flüssigkeit eingerührt werden. Sie sind grobdispers (Teilchen meist >1 μm) und daher sichtbar und fühlbar.

Typische Eigenschaften:

  • Oft erscheint die Suspension trüb bis blickdicht; Feststoffteilchen setzen sich mit der Zeit ab (Sedimentation).
  • „Vor Gebrauch schütteln“ wird auf der Arzneimittelpackung ausdrücklich verlangt!
  • Die Teilchengröße beeinflusst die Stabilität: Je kleiner die Teilchen, desto langsamer sedimentieren sie.
  • Durch Hilfsstoffe wie Viskositätserhöher wird die Sedimentation verringert (Cellulosederivate, Zucker auch als Nebeneffekt).
  • Besonders für Suspensionen am Auge ist eine sehr feine Teilchengröße wichtig (ca. 30 µm, um Reizungen zu vermeiden).
NoteSedimentation ist typisch für grobdisperse Systeme!

Das IMPP fragt sehr gerne gezielt nach: Nur grobdisperse Systeme sedimentieren – Lösungen (molekulardispers) nicht!

Emulsionen – Wenn sich Flüssigkeiten nicht mischen wollen

Emulsionen entstehen, wenn zwei eigentlich nicht mischbare Flüssigkeiten (wie Öl und Wasser) fein verteilt werden. Die kleinen Tröpfchen einer Phase schwimmen in der anderen. Unterschieden wird nach der außen liegenden Phase:

  • O/W-Emulsion (Öl in Wasser): Öltröpfchen sind in Wasser verteilt – z. B. Milch, viele Lotionen. Meist leicht abwaschbar, für äußere Anwendungen beliebt.
  • W/O-Emulsion (Wasser in Öl): Wassertröpfchen im Öl, z. B. Butter, reichhaltige Cremes. Stärker fettend, typischer für bestimmte Hautpräparate.

Die Stabilität hängt wesentlich vom Emulgator ab – ohne geeigneten Emulgator (wie Lecithin, Tenside etc.) trennen sich die Phasen rasch. Das HLB-Konzept (hydrophile-lipophile Balance) hilft bei der Auswahl.

Stabilitätsprobleme bei Emulsionen:
Sie können „aufrahmen“ (zusammenlaufende Tropfen schwimmen auf), koagulieren oder komplett phasentrennen.

NoteEmulgatoren und das HLB-Prinzip

Das IMPP fragt häufig nach Emulgatoren und deren Eignung:

  • Hydrophile (hoher HLB) = gut für O/W-Emulsionen
  • Lipophile (niedriger HLB) = gut für W/O-Emulsionen
    Das HLB-Konzept zeigt, ob der Emulgator zum Emulsionstyp passt!

Hydrophilie und Lipophilie – Warum sich Öl und Wasser nicht mischen

Entscheidend für die Verteilung von Wirkstoffen und Hilfsstoffen ist ihre Polarität:

  • Hydrophil: Lösligkeit in Wasser (z. B. viele Salze, Zucker)
  • Lipophil: Lösligkeit in Fetten/Ölen (z. B. viele Vitamine, lipophile Wirkstoffe)

Die Polarität bestimmt

  • In welchem Medium ein Wirkstoff bevorzugt vorliegt,
  • Welche Emulgatoren ausgewählt werden müssen,
  • und wie Stabilität und Verträglichkeit einer Emulsion aussehen.

Merke: In Emulsionen findet die Lösung lipophiler Wirkstoffe oft in der Ölphase statt, hydrophile Substanzen verbleiben bevorzugt im Wasser.

Praktische Unterscheidungsmerkmale und IMPP-Strategien

Gerade im Staatsexamen und im Laboralltag sind einfache Orientierungshilfen gefragt:

  • Klarheit: Ist das Präparat klar? → Lösung.
    Trüb oder opaleszent? → Kolloidal/grobdispers!
  • Sedimentation: Setzen sich Partikel ab? → Grobdisperses System (Suspension).
  • Tyndall-Effekt: Streut das Präparat Licht? → Kolloiddispers.
  • Zwei Phasen, mischbar und wieder trennbar? → Emulsion (Unterscheid O/W vs. W/O via Sudanrot-Test oder Leitfähigkeitsmessung).

Alltagsbeispiele

  • Lösung: Zucker in Wasser – alles klar und durchsichtig.
  • Kolloid: Milch – trüb wegen feinster, kolloidaler Fetttröpfchen (Tyndall-Effekt!).
  • Suspension: Kakaopulver in Milch – dunkle Schwebeteilchen, setzen sich ab.
  • Emulsion: Mayonnaise – Öl in Wasser, stabilisiert durch Eigelb.

Typische Fehlerquellen & IMPP-Klassiker

Das IMPP prüft immer wieder diese Unterscheidungsmerkmale:

  • Klarheit/Trübung vs. Sedimentationsverhalten
  • Tyndall-Effekt als Unterscheid zur Lösung
  • Emulsionstypen (O/W vs. W/O) und die Auswahl passender Emulgatoren (HLB-Prinzip!)
  • Konservierungsmittel und deren Wirksamkeit (pH-Abhängigkeit, Phasenzuordnung)

Qualitätsanforderungen und Hilfsstoffe bei flüssigen Zubereitungen

Stabilität: Physikalisch, chemisch und mikrobiologisch

Physikalische Stabilität:

  • Ziel: Keine Entmischung, kein Phasenausfall.
  • Suspensionen: Sedimentation von Feststoffen vermeiden/verzögern (Viskositätserhöher, Teilchenverkleinerung).
  • Emulsionen: Phasentrennung minimieren, oft durch Emulgatoren (ggf. Kombinationen).
  • Lösungen: Stabil, solange Bestandteile gut löslich.

Chemische Stabilität:

  • Wirkstoffe dürfen nicht zerfallen (Hydrolyse, Oxidation vermeiden).
  • Schutz vor Licht/Sauerstoff durch geeignete Hilfsstoffe oder Verpackungen.

Mikrobiologische Stabilität:

  • Besonders für wässrige Zubereitungen wichtig.
  • Konservierungsmittel sind Standard, vor allem bei Mehrdosensystemen.

Hilfsstoffe: Funktion und Auswahl

Emulgatoren & Tenside

  • Sorgen für Vermischung nicht mischbarer Flüssigkeiten (Emulsionen).
  • Der HLB-Wert gibt an, ob ein Emulgator hydrophil oder lipophil wirkt.

Konservierungsmittel

  • Schützen vor mikrobiellen Verunreinigungen. Die Auswahl hängt vom pH-Bereich und dem Anwendungstyp ab (z. B. Kaliumsorbat – saures Milieu; Parabene – breites Spektrum, aber potenziell sensibilisierend).
  • Für Emulsionen ist wichtig, dass das Konservierungsmittel in der Wasserphase aktiv ist, da Mikroorganismen sich hier vermehren.
NoteIMPP-Hinweis: Phasenverteilung bei Emulsionen

Wird das Konservierungsmittel nur in der Ölphase gelöst, schützt es meist nicht ausreichend – darauf achtet das IMPP gern!

Löslichkeitsverbesserer (Solubilisatoren)

  • Ermöglichen das Lösen schwer wasserlöslicher Wirkstoffe (z. B. durch Mizellenbildung, Einsatz von Tensiden).

Weitere Hilfsstoffe

  • Verdickungsmittel: Erhöhen Viskosität, stabilisieren Suspensionen.
  • Geschmacksverbesserer: Vor allem bei oralen Präparationen, meist Zucker, verbessern gleichzeitig die physikalische Stabilität.

Lösungsmittel und Wasserqualitäten

Menstruum = Hauptlösungskomponente, meist Wasser.
Nicht jedes Wasser eignet sich aber für jede Zubereitung – die Europäische Pharmakopöe (Ph. Eur.) unterscheidet:

  • Aqua purificata (gereinigtes Wasser): Für orale/topische Formen, muss frei von schädlichen Mikroben/Rückständen sein.
  • Wasser für Injektionszwecke: Für parenterale und ophthalmische Zubereitungen unbedingt erforderlich (steril, pyrogenfrei).
NoteExamenstipp: Wasserqualität bei Augentropfen und Injektionspräparaten

Immer Wasser für Injektionszwecke verwenden – gereinigtes Wasser reicht nicht aus.

Isotonie & pH-Anpassung:
Für Augen- und Injektionspräparate ist isotonische Zusammensetzung (osmotischer Druck wie im Organismus) sowie eine geeignete pH-Einstellung (Puffer) essenziell, um Reizungen zu vermeiden.

Techniken zur Herstellung und Qualitätskontrolle

Filtration

  • Entfernt Keime und Partikel – besonders relevant bei ophthalmischen und parenteralen Zubereitungen.
  • Filter mit 0,45–0,2 µm sind Standard.

Teilchengrößenbegrenzung

  • Augenzubereitungen: Teilchengröße ≤ 30 µm, um Reizungen zu vermeiden.

Herstellung und Dosierung

  • Stammlösungen werden verdünnt, Konzentrationen exakt berechnet (% w/v, % v/v etc.).
  • Dosierhilfen sorgen dafür, dass Patienten die korrekte Menge erhalten (Messlöffel, Tropfenzähler, Dosierspritzen; Letztere vor allem bei hochpräzisem Bedarf wie in der Pädiatrie oder Ophthalmologie).
Hilfsmittel Vorteile Nachteile
Messlöffel Einfach, günstig Geringe Genauigkeit, evtl. Verschütten
Tropfenzähler Gut für kleine Volumen Schwankende Tropfengröße bei Änderung der Viskosität
Dosierspritze Sehr präzise, hygienisch Erklärungsbedürftig, bei dicken Lösungen schwer entleerbar

Zusammenspiel von Formulierung, Herstellung und Qualität

Jede flüssige Zubereitung ist das Ergebnis vieler abgestimmter Faktoren:

  • Die Auswahl der Hilfsstoffe muss zur gewünschten Wirkung und Stabilität passen.
  • Die richtige Lösungsmittelqualität ist für die Sicherheit entscheidend.
  • Die Herstellungsweise und die Kontrolle der Teilchengröße/Tyndall-Effekt verhindern spätere Probleme und gewährleisten die Qualität.

Das IMPP legt Wert darauf, dass du dieses Zusammenspiel erkennst – isoliertes Faktenwissen genügt nicht!

Zusammengefasst: Kompetent unterscheiden & systematisch denken

Ob Lösung, Suspension oder Emulsion: Die sichere Unterscheidung basiert auf der Frage nach der Verteilung des Wirkstoffs, der Klarheit und den Stabilitätsmerkmalen.
Mit dem Wissen um die typischen Hilfsstoffe, die Bedeutung der Wasserqualität, die wichtigsten Herstellungsschritte und die Bedeutung von Dosierhilfen bist du optimal auf das Staatsexamen vorbereitet – und kannst flüssige Zubereitungen nicht nur beschreiben, sondern auch erfolgreich beurteilen!

Halte dich stets an die zentralen Fragen:

  • Was ist gelöst und wie groß sind die Teilchen?
  • Verhalten sich die Systeme im Stehenlassen unterschiedlich?
  • Welche Rolle spielen Hilfsstoffe und Wasserqualität für Sicherheit und Stabilität?

Damit erkennst und analysierst du jede flüssige Pharmapräparation sicher – und meisterst jede IMPP-Frage souverän!

Zusammenfassung

  • Flüssige Zubereitungen werden in Lösungen (molekulardispers, klar, einphasig), Suspensionen (grobdispers, trüb, Partikel setzen sich ab) und Emulsionen (grobdispers, zwei nicht mischbare Flüssigkeiten, Stabilisierung durch Emulgatoren) unterschieden.
  • Die Teilchengröße (molekulardispers < 1 nm, kolloiddispers 1–1000 nm mit Tyndall-Effekt, grobdispers > 1000 nm mit sichtbarer Phasentrennung) ist entscheidend für Stabilität, Aussehen und Verhalten der Systeme.
  • Bei Suspensionen und Emulsionen ist Sedimentation oder Phasentrennung typisch; Stabilisierung erfolgt durch Hilfsstoffe wie Verdickungsmittel oder Emulgatoren (O/W oder W/O, Auswahl nach HLB-Wert).
  • Konservierungsmittel (z.B. Kaliumsorbat, Parabene) schützen vor mikrobieller Kontamination, müssen aber in der richtigen Phase (wässrig) und bei passendem pH eingesetzt werden, besonders wichtig bei Mehrdosenbehältern und empfindlichen Anwendungen (z.B. Auge).
  • Die Wasserqualität muss dem Verwendungszweck entsprechen: Für Augen- und Injektionspräparate ist ausschließlich sterilisiertes Wasser für Injektionszwecke erlaubt, während für andere Anwendungen Aqua purificata genügt.
  • Isotonie und pH-Anpassung sind für verträgliche, sichere Zubereitungen (insbesondere fürs Auge und zur Injektion) unerlässlich, während Filtration und Begrenzung der Teilchengröße (meist <30 µm) weitere wichtige Qualitätsaspekte sind.
  • Hilfsmittel wie Dosierspritzen ermöglichen eine genaue Applikation besonders bei kleinen Volumina, während Messlöffel und Tropfenzähler für weniger kritische Anwendungen eingesetzt werden.

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