Mikrobiologische Qualität

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Mikrobiologische Qualität von Arzneiformen: Grundprinzipien, Anforderungen & Kontrolle

1. Was bedeutet “mikrobielle Qualität” im pharmazeutischen Kontext?

Beginnen wir mit einem Bild, das fast jede:r aus dem Alltag kennt: Stell dir vor, du stellst eine offene Wasserflasche in dein warmes Zimmer. Nach ein paar Tagen „lebt“ es darin: Trübung, Geruch, vielleicht sogar kleine Flöckchen – klassische Zeichen für mikrobielle Besiedlung.

Ähnliches kann auch bei Arzneiformen passieren, besonders wenn sie Wasser enthalten. Wenn wir von mikrobieller Qualität sprechen, meinen wir in der Pharmazie, wie keimfrei oder keimarm ein Produkt ist – also ob (und wie viele) Mikroorganismen darin vorkommen könnten.

Warum ist das so wichtig?

Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze können nicht nur das Arzneimittel selbst verderben – sie können beim Menschen Infektionen verursachen! Das ist bei bestimmten Patientengruppen, etwa bei Säuglingen, älteren oder immungeschwächten Menschen, besonders kritisch. Nicht zuletzt wirkt ein Medikament mit Bakterienbelastung eventuell nicht mehr wie vorgesehen.

Wässrige Systeme: Der „Lieblings-Spielplatz“ für Keime

Wasser ist die Grundvoraussetzung für (fast) alles Leben – auch für unerwünschte Keime. Arzneimittel, die Wasser enthalten, sind daher besonders anfällig für mikrobielle Kontamination. Bakterien und Pilze fühlen sich darin richtig wohl und können sich sehr schnell vermehren.

Beispiel: Augentropfen, Nasensprays oder Hautcremes enthalten oft Wasser und sind einem hohen Risiko ausgesetzt.

2. Risiken & Relevanz für den Patienten

Das Ziel in der pharmazeutischen Praxis ist, Patientinnen und Patienten vor Infektionen zu schützen. Wird die mikrobiologische Qualität nicht streng kontrolliert, können folgende Gefahren entstehen:

  • Infektionen (lokal oder systemisch)
  • Verkürzte Haltbarkeit durch Zerstörung des Wirkstoffs durch Bakterien
  • Wirkverlust oder sogar Bildung giftiger Stoffwechselprodukte durch Keime

Gerade bei Arzneimitteln, die auf empfindliche Körperstellen angewandt werden (zum Beispiel Augen, offene Wunden), kann eine verunreinigte Zubereitung schwerwiegende Schäden anrichten.

3. Grundbegriffe: Sterilität, Keimarmut und Keimreduktion

Sterilität: Was heißt das konkret?

Sterilität bedeutet die vollständige Abwesenheit lebens- und vermehrungsfähiger Mikroorganismen. Praktisch ist also kein einziger Keim (Bakterium, Pilz etc.) nachweisbar.

  • Achtung Prüfungsfalle (IMPP): Es wird gerne danach gefragt, dass “steril” nicht einfach “sauber” bedeutet: Auch eine Million gesunder Zellen ist klinisch sauber, aber nicht steril. Steril = komplett keimfrei.

Keimarmut und Keimreduktion

  • Keimarm heißt: Nur sehr wenig Keime vorhanden. Die Menge ist so niedrig, dass sie für Patient:innen als ungefährlich gilt. Nicht “null”, sondern “minimal”.
  • Keimreduziert ist ebenfalls kein Synonym für steril; hier wurden Keime durch Maßnahmen vermindert, sind aber ggf. in größerer Zahl als bei „keimarm“ vorhanden.

4. Anforderungen je nach Applikationsweg – Warum sind nicht alle Arzneiformen steril?

Das IMPP fragt hierzu gerne Fallbeispiele zu verschiedenen Arzneiformen!

Sterilität & Empfindliche Körperstellen

  • Augenarzneimittel (z.B. Augentropfen):
    Müssen steril sein! Das Auge ist besonders infektionsempfindlich, und schon wenige Keime können zu Entzündungen führen.

  • Nasen-, Vaginal-, Ohrzubereitungen:
    Müssen oftmals nur keimarm sein – unser Körper bringt dort eigene Abwehrfunktionen mit, sodass wenige (ungefährliche) Keime toleriert werden können.

  • Orale Arzneiformen:
    Nur selten besonders keimarm oder steril, denn unser Magen ist mit seiner Säure selbst ein hervorragender „Keim-Killer“.

5. Wässrige Zubereitungen: Warum ist hier die Kontrolle besonders kritisch?

Wasser als Nährboden

Nochmals zur Intuition: Wir können uns Wasser als eine Art All-you-can-eat-Buffet für Bakterien vorstellen. Ohne geeignete Schutzmaßnahmen vermehrt sich alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist!

Daraus folgen zwei wichtige Konsequenzen für die pharmazeutische Praxis:

  • Die mikrobiologische Qualität wird besonders streng überwacht.
  • Es werden entweder Sterilisation, Konservierungsmittel oder besonders durchdachte Entnahmesysteme (z. B. Applikatoren) eingesetzt.

6. Konservierungsmittel & Applikationssysteme

Warum braucht es Konservierungsmittel?

Immer dann, wenn ein wässriges Arzneimittel mehrfach entnommen wird (z. B. Nasenspray, Hautcreme im Tiegel), kann es zur Kontamination durch Berühren oder Luftkontakt kommen. Damit sich eventuelle hineingetragene Keime nicht hektisch vermehren, setzt man Konservierungsmittel zu.

  • Diese hemmen oder töten Keime ab, die in das Produkt gelangen könnten.

Konservierungsmittelfreie Systeme

Manchmal sind Konservierungsmittel problematisch – sie können bei empfindlichen Menschen Allergien oder Irritationen auslösen.

Alternative: Spezielle Applikatoren, die absolut kontaminationssicheren Gebrauch erlauben, also Keime gar nicht erst eindringen lassen. Achtung: Hier ist die Technik entscheidend; solche Systeme werden streng getestet!

NoteKonservierungsmittel nachweisen und bewerten können

Das IMPP fragt gerne nach dem Nachweis der Wirksamkeit von Konservierungsmitteln! Es reicht nicht aus, einfach ein Mittel zuzusetzen. Es muss geprüft werden, ob die Konzentration auch wirksam ist und für die gesamte Haltbarkeit erhalten bleibt.

7. Beispiele & Anforderungen aus der Praxis

  • Augentropfen: Immer steril, mit/ohne Konservierungsmittel.
  • Nasentropfen in Mehrdosenbehältnissen: Keimarm, meist mit Konservierungsmittel. Konservierungsmittelfreie Varianten nur, wenn der Applikator Infektion definitiv verhindert.
  • Halbfeste, wasserhaltige Hautzubereitungen (z. B. Cremes): Meist keimarm, Konservierungsmittel zur Absicherung. Prüfverfahren testen, ob Keimzahlen im erlaubten Bereich sind und ob das Konservierungsmittel wie geplant wirkt.

8. Kontrolle & Prüfverfahren

Wie wird kontrolliert, ob die mikrobiologische Qualität stimmt? Hier eine Übersicht:

  • Keimzahlauszählung: Wie viele Keime sind tatsächlich in einer Probe? Es gibt festgelegte Grenzwerte.
  • Sterilitätstest: Bei Arzneiformen, die steril sein müssen, wird auf das völlige Fehlen von vermehrungsfähigen Mikroorganismen getestet.
  • Prüfung der antimikrobiellen Wirksamkeit: Für Produkte mit Konservierungsmittel – hier wird das Zubereitungs-System absichtlich kontaminiert und überprüft, wie gut die Keime reduziert werden.
  • Validierte Herstellungsprozesse: Reinraumtechnik, Hygienemaßnahmen – hier steht der Schutz vor Kontamination schon bei der Herstellung im Vordergrund.
NoteUnterschiede: Steril, keimarm, keimreduziert – worauf es ankommt

Der Unterschied zwischen diesen Begriffen ist prüfungsrelevant! Steril = KEIN Keim; keimarm = kaum/fast keine Keime (aber nicht 0!); keimreduziert = Keimzahl wurde vermindert, kann aber je nach Produkt höher als bei keimarm sein.

9. Verknüpfung von Technologie, Mikrobiologie und Gesetzgebung

Um die mikrobiologische Qualität dauerhaft zu sichern, ist ein Zusammenspiel verschiedener Disziplinen gefragt:

  • Pharmazeutische Technologie: Entwicklung geeigneter Formulierungen (z. B. Auswahl der Konservierungsmittel, Applikatoren)
  • Mikrobiologie: Identifizierung und Kontrolle von Mikroorganismen, Entwicklung validierter Testmethoden
  • Regulatorische Anforderungen: Festlegung von Standards, was “steril”, “keimarm” oder “keimreduziert” für verschiedene Arzneiformen bedeutet

Nur wenn alle Zahnräder ineinandergreifen, kannst du sicher sein, dass das Nasenspray, die Creme oder die Augentropfen im Alltag für den Patienten risikofrei sind!

Die mikrobiologische Qualität ist also kein Selbstzweck – sie schützt konkret die Patient:innen und muss von der Entwicklung über die Herstellung bis zur Anwendung und Lagerung mitgedacht werden. Das IMPP achtet hier gerne darauf, dass du die Hintergründe wirklich verstanden hast: Warum müssen manche Zubereitungen steril sein, andere aber nicht? Wann reicht Keimarmut? Wie lassen sich Verunreinigungen technisch und regulatorisch minimieren?

Diese Zusammenhänge geben dir die notwendige Intuition für Prüfungen – und für die Praxis!

Zusammenfassung

  • Die mikrobielle Qualität eines Arzneimittels beschreibt, wie viele lebensfähige Mikroorganismen das Produkt enthält; für viele Präparate – insbesondere wässrige – ist eine geringe Keimzahl zum Schutz der Patient:innen unerlässlich.
  • Sterilität heißt völlige Keimfreiheit und ist besonders für empfindliche Anwendungen wie Augentropfen vorgeschrieben, während bei anderen Arzneiformen (z. B. Nasensprays) oft Keimarmut genügt.
  • Wässrige Arzneiformen bieten Mikroorganismen optimale Wachstumsbedingungen und müssen deshalb besonders strikt mikrobiologisch überwacht und häufig mit Konservierungsmitteln oder speziellen Applikationssystemen geschützt werden.
  • Konservierungsmittel verhindern die Vermehrung eingebrachter Keime in Mehrdosenanwendungen, doch ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit müssen geprüft und nachgewiesen werden.
  • Unterschiede zwischen steril, keimarm und keimreduziert sind prüfungsrelevant: Steril bedeutet keine Keime, keimarm wenige (ungefährliche) Keime, keimreduziert eine im Vergleich zum Ausgangszustand verringerte, aber nicht zwangsläufig sichere Keimzahl.
  • Zur Kontrolle der mikrobiologischen Qualität werden Keimzahlauszählung, Sterilitätstests, Tests zur Wirksamkeit von Konservierungsmitteln und validierte Herstellungsverfahren eingesetzt.
  • Das Zusammenspiel von pharmazeutischer Technologie, Mikrobiologie und regulatorischen Vorgaben stellt sicher, dass Arzneimittel mikrobiologisch sicher und risikofrei für Patient:innen bleiben.

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