Gele
IMPP-Score: 1.7
Grundlagen und Eigenschaften von Gelen für das 1. Staatsexamen Pharmazie
Gele – im Examen ein bekanntes IMPP-Lieblingsthema – sind auf den ersten Blick simpel, bergen aber pharmazeutisch eine enorme Vielschichtigkeit. Damit du dich von Begriffen wie Polymernetzwerk, Thixotropie oder Neutralisation nicht abschrecken lässt, findest du hier einen anschaulichen und strukturierten Überblick, der alle Kernaspekte abdeckt und typische Wiederholungen bündelt.
Was ist ein Gel?
Ein Gel ist ein halbfestes bzw. viskoelastisches System: Stell dir das wie einen unsichtbaren Schwamm oder ein dreidimensionales Netz vor, das eine Flüssigkeit (meist Wasser oder Öl) so effizient festhält, dass das Gemisch nicht einfach wie Wasser davonläuft, sondern seine Form weitgehend hält. Dieses charakteristische Netz – das „Gerüst“ des Gels – ist größtenteils unsichtbar, aber unter dem Mikroskop oder beim Testen der Fließeigenschaften ist der Unterschied zu einer simplen Lösung schnell zu erkennen.
Pharmazeutisch unterscheidet man vor allem nach der eingeschlossenen Phase zwischen
- Hydrogel: Hier wird Wasser als Phase „eingefroren“.
 - Oleogel: Hier ist es Öl (z. B. bei bestimmten Salbengrundlagen).
 
Gelbildner: Wer schafft das Gerüst im Gel?
Das Hauptmerkmal jedes Gels ist das dreidimensionale Netzwerk, aufgebaut von sogenannten Gelbildnern. Diese lassen sich in zwei große Kategorien einteilen:
Organische Gelbildner
Hierbei handelt es sich immer um Makromoleküle (Polymere), als Polysaccharide pflanzlichen oder tierischen Ursprungs oder synthetische Polymere. Wichtige Vertreter:
- Carboxymethylcellulose-Natrium (CMC-Na, Carmellose-Na):
Ein Cellulosederivat, das zuverlässig bereits bei geringen Konzentrationen (3–6 %) in Wasser geliert und dabei kaum auf Temperaturanschwankungen reagiert. Kommt sehr häufig in pharmazeutischen Hydrogelen zum Einsatz. - Hydroxyethylcellulose (HEC):
Typisch für klare, homogene Gele, löslich ab ca. 2,5 %. Etwas empfindlicher gegenüber Hilfsstoffzusätzen. - Polyacrylsäuren (Carbomer):
Ein synthetisches Polymer für sehr klare und hochviskose Gele. Die Gelstruktur benötigt eine Neutralisation mit einer Base: Erst dadurch laden sich die Polymerstränge negativ auf, „spreizen“ ab – und das Netzwerk bildet sich wirklich aus. - Gelatine:
Tierisches Protein, das erst beim Abkühlen geliert (wie bekannt von Götterspeise). Mikrobiell anfällig; heute weniger gebräuchlich. - Stärke/Tragant:
Klassische Gelbildner auf pflanzlicher Basis, aber wegen Keimanfälligkeit und technischen Nachteilen nur noch selten zu finden. 
Anorganische Gelbildner
Hier werden Netzwerkstrukturen nicht von Riesenmolekülen, sondern von anorganischen Partikeln gebildet:
- Bentonit:
Ein stark quellendes Tonmineral. Beim Verrühren mit Wasser entstehen thixotrope Gele (z. B. in dermatologischen Hydrogelen). - Hochdisperses Siliciumdioxid (Aerosil):
Liefert durch die feine Partikelstruktur exzellente Gelbildner für Hydro- wie Oleogele. Besonders relevant, wenn Öl-Gele (Oleogele) formuliert werden. 
Gelatine und Stärke waren früher populär, sind aber heute mikrobiell zu empfindlich. Synthetische Polymere (z. B. Carbomer) und modifizierte Celluloseprodukte dominieren heute die Rezepturpraxis!
Gerüststruktur und Einflussfaktoren
Das charakteristische Merkmal eines Gels ist das Netzwerk:
- Bei organischen Gelbildnern sind es verknäulte oder vernetzte Polymerketten, die durch zwischenmolekulare Kräfte oder Ionenbrücken das Gerüst aufbauen.
 - Anorganische Gelbildner (wie Bentonite oder Aerosil) formen das Netz durch die Aggregation kleiner Plättchen bzw. Kügelchen mittels physikalischer Wechselwirkungen.
 
Dieses dreidimensionale Gerüst bindet Flüssigkeiten in „Taschen“ und bestimmt die typischen Eigenschaften wie:
- Viskosität: Wie zäh ist das Gel, wie gut lässt es sich verstreichen?
 - Rückstellverhalten: Bleibt das Gel nach Belastung formstabil? Stichwort hier ist die Thixotropie (weiter unten).
 - Stabilität: Wie empfindlich ist das Netz gegenüber Störfaktoren aus der Rezeptur?
 
Die Ausbildung des Netzwerks hängt von mehreren Faktoren ab: - Konzentration des Gelbildners: Zu wenig – keine Gelbildung; zu viel – das Gel wird puddingartig fest. - Temperatur: Einige Gelbildner reagieren sensibel (zb. Gelatine benötigt Abkühlung, CMC-Na ist relativ indifferent). - pH-Wert: Besonders kritisch bei ionischen Polymeren wie Carbomer, deren Netz erst nach Neutralisation entsteht. - Elektrolyte: Ionen können das Netz stabilisieren oder zerstören (vor allem relevant bei Polyacrylaten und Gelatine).
Hilfsstoffe in Gelen
Nahezu jedes pharmazeutische Gel enthält neben dem eigentlichen Gelbildner vielfältige Hilfsstoffe, um Wirkung, Stabilität und Handhabung zu optimieren:
- Feuchthaltemittel:
Glycerol und Propylenglykol halten die eingeschlossene Flüssigkeit (bes. Wasser) fest und verhindern ein schnelles Austrocknen. - Konservierungsmittel:
Notwendig bei Wasserbasis (Hydrogele), um mikrobielles Wachstum zu verhindern. Typische Vertreter sind Parabene und Sorbinsäure. 10 % Glycerol reicht nie zur Konservierung! - pH-Regulatoren (Basen/Säuren):
Besonders bei neutralisationspflichtigen Gelbildnern (z. B. bei Carbomer + Trometamol). - Lösungsvermittler/Co-Solventien:
Bei schlecht wasserlöslichen Wirkstoffen werden Hilfsstoffe wie Ethanol ergänzt. - Farb- & Duftstoffe:
Für pharmazeutische Gele meist unwichtig, können das Gelgerüst aber negativ beeinflussen. Immer prüfen! 
Kationische Zusätze wie Benzalkoniumchlorid können anionische Gelnetze (z. B. bei CMC-Na oder Carbomer) zerstören. Auch Elektrolyte und falscher pH destabilisieren Gele!
Herstellung pharmazeutischer Gele: Der praktische Ablauf
Im Alltag der Rezeptur läuft die Gel-Herstellung meist nach folgendem Schema ab:
- Abwiegen des Gelbildners.
 - Unter kräftigem Rühren in die Basisflüssigkeit (Wasser, Öl) einstreuen.
Bei Gelatine, Tragant oder Stärke ggf. Quellzeiten/Erwärmen notwendig. - Feuchthaltemittel und ggf. Konservierungsstoffe einmischen.
 - Neutralisation bei bestimmten Gelbildnern (v. a. Carbomer) erst im letzten Schritt zu homogenen Gelen.
 - Rühren bis zur vollständigen Gelbildung.
 - Abfüllen in geeignete Gebinde (meist Tuben/Dispenser, um Keimkontakt zu minimieren).
 
Rheologie und Thixotropie: Was macht Gele pharmazeutisch so besonders?
Rheologie beschreibt das Fließ- und Verformungsverhalten. Gele zeichnen sich oft durch folgende Eigenschaften aus:
- Nicht-Newtonsches Verhalten: Viskosität ist nicht konstant, sondern verringert sich bei steigender Scherkraft (z. B. beim Verstreichen).
 - Pseudoplastizität: Das Gel fühlt sich unter Ruhe fest an, wird beim Verreiben aber dünnflüssiger.
 - Thixotropie: Das Gel verflüssigt sich zeitweilig unter mechanischer Einwirkung (Rühren, Schütteln), kehrt bei Ruhe aber wieder in den ursprünglichen halbfesten Zustand zurück. Das ist praktisch für die Anwendung (z. B. lässt sich das Gel gut verstreichen, bleibt aber anschließend ortsfest).
 
Typische Beispiele sind dermatologische Gele und einige Oleogele.
Das IMPP fragt gerne nach dem Zusammenhang zwischen Thixotropie, Pseudoplastizität und Anwendung von Gelen – „Chamäleon“ zwischen pastös (Tiegel), flüssig (beim Streichen) und wieder fest (nach dem Auftragen).
Stabilität pharmazeutischer Gele
Chemische Stabilität
Bestimmte Gelbildner (z. B. CMC-Na) sind in breiten pH-Bereichen stabil, andere (z. B. Gelatine) dagegen empfindlich für Temperatur, pH-Verschiebungen und mikrobiellen Befall. Die Formulierung – besonders bei Gele mit Arzneistoffen oder empfindlichen Hilfsstoffen – muss daher genau angepasst werden.
Physikalische Stabilität
Gele sind gegenüber starken Elektrolyt-Zusätzen, größeren Temperaturwechseln oder pH-Verschiebungen gefährdet. Die Folge: Das Netzwerk kann „zerfallen“, das Gel wird dünnflüssig oder entmischt sich, was die Arzneiform unbrauchbar macht.
Mikrobielle Stabilität
Gerade wasserreiche Gele sind ohne Konservierungsmittel stark kontaminationsgefährdet. Daher ist die Ergänzung eines geeigneten Konservierungsmittels und die Abfüllung in schützende Gebinde (z. B. Tube) Standard.
Nicht konservierte Gele sollten nur in kleinen Mengen frisch zubereitet und rasch verbraucht werden. Besonders empfindlich: Gelatine-Gele!
Anwendung und typische Beispiele in der Rezeptur
Beispiele für typische pharmazeutische Gele und ihre Zusammensetzung:
- Carmellose-Natrium/CMC-Na + Glycerol + Wasser: Standard-Hydrogel.
 - Bentonit + Wasser: Für dermatologische oder galenische Anwendungen mit hohem Thixotropiebedarf.
 - Carbomer, neutralisiert (z. B. mit Trometamol): Transparentes, hochviskoses Medizin- und Kosmetikgel.
 - Aerosil in Öl: Für Oleogele, ideal bei Fehlen oder Ausschluss von Wasser.
 
Zusammengefasst für das Staatsexamen
- Gel = Netzwerkstruktur (meist Polymer) + eingesperrte Flüssigkeit (meist Wasser/Öl)
 - Organische Gelbildner (Polymere) vs. anorganische Gelbildner (anorg. Partikel/Schichten)
 - Die Art des Netzwerks bestimmt Viskosität, Applikationsverhalten und Stabilität
 - Hilfsstoffe (Feuchthaltemittel, Konservierer, Co-Solventien, Regulatoren) sind für pharmazeutische Gele essenziell.
 - Konzentration, Temperatur, pH-Wert und Salzgehalt sind bedeutende Einflussfaktoren für Gelbildung und Haltbarkeit
 - Thixotropie und Pseudoplastizität sind typische rheologische Kennzeichen, die Anwendung und Stabilität begünstigen
 - Bei Carbomer-Gelen ist Neutralisation Pflicht, Cellulosederivate brauchen das nicht!
 - Typische Inkompatibilitäten: Kationische Wirkstoffe, falscher pH, hohe Salzzugabe
 
Mit diesem Überblick bist du für alle klassischen IMPP-Fragen, die sich rund um die Grundlagen, Herstellung, Eigenschaften, typische Hilfsstoffe und Stabilitätsfaktoren von pharmazeutischen Gelen drehen, bestens gerüstet. Stelle dir Gele als die wandelbaren „Pudding-Netzwerke“ der halbfesten Arzneiformen vor – und denke immer an ihre Netzstruktur, die alles zusammenhält!
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