gleichgewichtssysteme

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Phasengleichgewichte in Gleichgewichtssystemen

1. Was sind Phasengleichgewichte?

Phasengleichgewichte beschreiben das dynamische Zusammenspiel mehrerer Phasen eines Stoffes – meist fest, flüssig und gasförmig – im Gleichgewichtszustand. Im Alltag erkennst du das z.B. daran, wenn Eiswürfel in Wasser bei 0 °C neben Eis und Wasser nebeneinander bestehen oder Wasser beim Kochen gleichzeitig als Flüssigkeit und Dampf vorliegt.

Das Gleichgewicht heißt, dass zwar ständig Moleküle zwischen den Phasen wechseln (Verdampfen, Kondensieren), aber makroskopisch keine Veränderungen mehr stattfinden, weil diese Hin- und Rückprozesse genau ausgeglichen sind.

Beispiel: In einem geschlossenen Gefäß verdunsten Wasser-Moleküle, während gleichzeitig ebenso viele aus dem Gas in die Flüssigkeit zurückkehren. Der Druck des Wasserdampfs über der Flüssigkeit erreicht so den Sättigungsdampfdruck.

2. Die Rolle von Temperatur und Druck bei Phasengleichgewichten

Die Anzahl und Art der koexistierenden Phasen sind stark von Temperatur und Druck abhängig:

  • Bei niedrigen Temperaturen ist Wasser z.B. fest (Eis).
  • Bei Zwischentemperaturen kann Eis und Wasser gleichzeitig vorliegen.
  • Bei höheren Temperaturen ist Wasser flüssig oder gasförmig.

Das IMPP fragt gerne danach, dass die Kombination aus Temperatur und Druck exakt festlegt, welche Phasen nebeneinander im Gleichgewicht existieren können und in welchem Verhältnis.

Wichtig: Der Sättigungsdampfdruck, also der Dampfdruck, der im Gleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Dampf herrscht, ist bei fester Temperatur eindeutig bestimmt und hängt nicht von der Menge der Flüssigkeit oder des Dampfes ab!

3. Phasendiagramme: Landkarten der Zustände

Phasendiagramme zeigen anschaulich, welche Phasen unter welchen Bedingungen (Temperatur auf der x-Achse, Druck auf der y-Achse) existieren.

  • Phasengebiete: Bereiche, in denen fest, flüssig oder gasförmig ausschließlich vorhanden sind.
  • Phasengrenzen: Linien, an denen zwei Phasen gleichzeitig im Gleichgewicht koexistieren (z.B. Schmelzlinie, Siedelinie).
  • Tripelpunkt: Punkt, an dem alle drei Phasen (fest, flüssig, gasförmig) gleichzeitig bestehen.
  • Kritischer Punkt: Oberhalb dieses Punktes verschwimmen Flüssigkeit und Gas; eine Unterscheidung ist nicht mehr möglich.

Praxisbeispiel: Beim Wasser liegt bei 1 bar und 100 °C der Siedepunkt auf der Grenzlinie zwischen flüssig und gasförmig.

Merke: An den Phasengrenzlinien herrscht das Phasengleichgewicht mit genau definierten Druck- und Temperaturwerten.

4. Typische Beispiele von Phasengleichgewichten

a) Flüssigkeit – Dampf: Sättigungsdampfdruck

Im geschlossenen System steigt beim Verdunsten der Dampfdruck solange, bis genau so viele Moleküle kondensieren wie verdampfen. Dieser Gleichgewichtsdruck ist der Sättigungsdampfdruck.

  • Wird der Dampfdruck gleich dem äußeren Umgebungsdruck, siedet die Flüssigkeit (z.B. Wasser bei 100 °C bei 1 bar).
  • Solange Flüssigkeit und Dampf vorhanden sind und Temperatur konstant bleibt, bleibt der Druck unverändert.

b) Feststoff – Gas: Sublimation

Manche Feststoffe (z.B. Trockeneis CO₂) können direkt in die Gasphase übergehen, ohne flüssig zu werden. Dieser Vorgang heißt Sublimation und tritt vor allem bei niedrigen Drücken auf.

c) Siedeverzug

Wasser kann im Labor manchmal über den Siedepunkt hinaus erhitzt werden, ohne zu sieden, wenn keine Keime zur Bläschenbildung vorhanden sind.

  • Fehlen Nukleationszentren, verzögert sich der Übergang zur Dampfphase.
  • Sobald die Flüssigkeit gestört wird (z.B. durch Bewegung), bilden sich schlagartig Dampfblasen und das Wasser „explodiert“.

Wichtig: Siedeverzug ist ein Nicht-Gleichgewichtsphänomen – im Gleichgewicht würde das Wasser schon beim Erreichen des Dampfdrucks sieden.

5. Einfluss gelöster Stoffe – Raoult’sches Gesetz und Siedepunktserhöhung

Gelöste Stoffe wie Salz senken den Sättigungsdampfdruck, weil die Ionen den Verdampfungsprozess behindern. Dadurch erhöht sich die Siedetemperatur – das Beispiel der Kochsalzlösung zeigt, wie der Siedepunkt steigt.

Raoult’sches Gesetz beschreibt quantitativ, dass Lösungen einen niedrigeren Dampfdruck haben als das reine Lösungsmittel, was zum Phasengleichgewicht führt.

6. Die Bedeutung der Phasenanteile

Ein verbreiteter Irrtum ist, dass mehr Flüssigkeit automatisch zu höherem Druck führt. Im Gleichgewicht bei konstanter Temperatur bestimmt aber allein die Temperatur den Sättigungsdampfdruck, unabhängig von der Menge der Flüssigkeit oder Dampfphase.

Die Menge jeder Phase ändert nur das Verhältnis der Phasenanteile, aber nicht den Druck.

7. Phasengleichgewichte im Phasendiagramm richtig erkennen

Für das Staatsexamen ist wichtig,

  • die Lage von Phasen und Gleichgewichtszuständen im Diagramm zu bestimmen,
  • den Tripelpunkt zu identifizieren,
  • und zu wissen, wie sich das System unter Temperatur- oder Druckänderung verhält.

Merksätze:

  • Phasenlinien bedeuten Gleichgewicht zwischen Phasen.
  • Im Bereich zwischen Linien nur eine Phase vorhanden.
  • Tripelpunkt: Drei Phasen bei genau festgelegter Temperatur und Druck.
  • Kritischer Punkt: Keine Unterscheidung mehr zwischen flüssig und gasförmig.
  • Störungen wie Siedeverzug entsprechen Nicht-Gleichgewichtssituationen.
  • Zusätze wie Salz verschieben Phasengrenzen (z. B. Siede- oder Gefrierpunkt).

Das IMPP fragt häufig nach diesen Zusammenhängen.

Gibbs’sche Phasenregel und Freiheitsgrade

Grundprinzip

Die Gibbs’sche Phasenregel verbindet die Anzahl der Komponenten (\(K\)), der Phasen (\(P\)) und die Freiheitsgrade (\(F\)):

\[ F = K - P + 2 \]

  • \(K\): Anzahl der chemisch unabhängigen Komponenten im System.
  • \(P\): Anzahl der koexistierenden Phasen.
  • \(F\): Anzahl der frei wählbaren Zustandsgrößen (wie Temperatur, Druck, Konzentration), ohne Änderung der Phasenzahl.

Erläuterungen zu den Größen

  • Komponenten (K): Chemisch unabhängige Substanzen. Ein reines Wassersystem hat \(K=1\). Bei Mischungen ohne Reaktion (z. B. Ethanol-Wasser) gilt \(K=2\).
  • Phasen (P): Homogene, physikalisch getrennte Zustände (z.B. fest, flüssig, gasförmig).
  • Freiheitsgrade (F): Wie viele Zustandsvariablen (T, p, Konzentration) können unabhängig verstellt werden.

Beispiele zur Anwendung

  1. Wasser mit Eis und flüssig (2 Phasen, 1 Komponente):
    \[F = 1 - 2 + 2 = 1\]
    Bei Eis-Wasser-Gleichgewicht kann z.B. Temperatur frei bestimmt werden; der Druck folgt daraus.

  2. Tripelpunkt Wasser (3 Phasen, 1 Komponente):
    \[F = 1 - 3 + 2 = 0\]
    Kein Freiheitsgrad, Druck und Temperatur sind fest – das System liegt punktgenau am Tripelpunkt.

  3. Ethanol-Wasser-Gas (2 Komponenten, 2 Phasen):
    \[F = 2 - 2 + 2 = 2\]
    Zwei Zustandsgrößen (Temperatur und Druck) können unabhängig eingestellt werden.

  4. Lösung mit Zucker in Wasser (2 Komponenten, 1 Phase):
    \[F = 2 - 1 + 2 = 3\]
    Drei Freiheitsgrade – Temperatur, Druck und Konzentration unabhängig wählbar.

Bedeutung für das Staatsexamen und praktische Anwendungen

Die Freiheitsgrade geben an, wie flexibel ein Phasengleichgewicht auf äußere Parameter reagiert. An Phasengrenzen (Linien) ist meist \(F=1\); im Bereich einer einzigen Phase \(F \geq 2\); am Tripelpunkt \(F=0\).

Merke, die Phasenregel gilt nur für Gleichgewichtszustände und bezieht sich auf makroskopisch getrennte Phasen.

Wichtige Hinweise und typische Fehlerquellen

  • Komponenten richtig zählen: Bei chemischen Reaktionen und Dissoziationen kann \(K\) geringer sein als die Zahl der Molekülarten.
  • Phasen richtig erkennen: Nur makroskopisch getrennte und physikalisch unterschiedliche Bereiche zählen als separate Phase.
  • Gibbs-Regel bezieht sich nur aufs Gleichgewicht, nicht auf die Geschwindigkeit der Erreichung (Kinetik).

Das IMPP testet häufig das korrekte Verständnis dieser Zusammenhänge.

Chemische Gleichgewichte: Dynamik und Kinetik

Definition chemisches Gleichgewicht

Bei einer reversiblen Reaktion \[ \text{A} \rightleftharpoons \text{B} \] laufen Hin- und Rückreaktion gleichzeitig ab. Im Gleichgewicht gleichen sich die Geschwindigkeiten genau aus, sodass die Konzentrationen von A und B konstant bleiben.

Mathematische Beschreibung

Hin- und Rückreaktionsgeschwindigkeit proportional zu Konzentrationen: - \(r_{v} = k_1 \cdot [A]\) - \(r_{r} = k_{-1} \cdot [B]\)

Im Gleichgewicht gilt: \[ k_1 [A] = k_{-1} [B] \] Daraus folgt: \[ \frac{[B]}{[A]} = \frac{k_1}{k_{-1}} \]

Gleichgewichtskonstante \(K\)

Für Reaktion
\[a A + b B \rightleftharpoons c C + d D\]
ist
\[ K = \frac{[C]^c \cdot [D]^d}{[A]^a \cdot [B]^b} \]
ein Maß für die Lage des Gleichgewichts:

  • \(K\) groß → Produkte dominieren
  • \(K\) klein → Edukte dominieren

\(K\) ist temperaturabhängig:
- Endotherme Reaktionen → \(K\) steigt mit T
- Exotherme Reaktionen → \(K\) fällt mit T

Für Gasreaktionen kann man auch den Gleichgewichtskonstanten \(K_p\) über Partialdrücke verwenden.

Le Chatelier-Prinzip (Prinzip des kleinsten Zwanges)

Ändert man Bedingungen (Konzentration, Druck, Temperatur), verschiebt das System sein Gleichgewicht so, dass die Änderung möglichst ausgeglichen wird:
- Mehr Edukt → Gleichgewicht wandert Richtung Produkt
- Druckerhöhung bei Gas → Verschiebung zur Seite mit weniger Gas
- Temperaturänderung → beeinflusst die Lage direkt über \(K\) (Temperatur ist die einzige Größe, die \(K\) ändert!)

Unterschied Thermodynamik vs. Kinetik

  • Thermodynamik bestimmt Endpunkt und Zusammensetzung des Gleichgewichts (via \(K\), ΔG).
  • Kinetik bestimmt, wie schnell dieser Zustand erreicht wird.

Rolle von Katalysatoren

  • Katalysatoren erhöhen die Geschwindigkeit beider Reaktionsrichtungen.
  • Sie verändern weder \(K\), noch die Lage des Gleichgewichts.
  • Impuls für Prüfung: „Ein Katalysator verschiebt nicht das Gleichgewicht!“

Weitere Gleichgewichtstypen

Verteilungsgleichgewichte (Nernst’sches Verteilungsgesetz)

Ein Stoff verteilt sich zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten (z.B. Wasser und Öl) so, dass das Konzentrationsverhältnis zwischen Phasen bei Gleichgewicht konstant ist:

\[ K = \frac{[A]_{\text{Lösung 1}}}{[A]_{\text{Lösung 2}}} \]

Dieses Prinzip ist Grundlage für z.B. Flüssig-Flüssig-Extraktionen.

Adsorptionsgleichgewichte (Langmuir-Isotherme)

Bei der Adsorption gasförmiger Moleküle an einer festen Oberfläche entsteht ein Gleichgewicht zwischen freien Molekülen in der Gasphase und besetzten Oberflächenplätzen.

  • \(θ\) = Bedeckungsgrad der Oberfläche
  • Mit steigendem Gasdruck \(p\) steigt \(θ\) und nähert sich einem Plateau (= Sättigung, Monolayer).
  • Mit sinkender Temperatur wird Adsorption begünstigt (höheres \(K\)).

Langmuir-Gleichung:

\[ \theta = \frac{K \cdot p}{1 + K \cdot p} \]

Dieses Modell erklärt wichtige Vorgänge wie Filterung mit Aktivkohle und katalytische Prozesse.

Zusammenfassung

  • Phasengleichgewichte beschreiben das dynamische Gleichgewicht zwischen verschiedenen Phasen (z. B. fest/flüssig/gasförmig) eines Stoffes, wobei Temperatur und Druck festlegen, welche Phasen gleichzeitig bestehen können – wie bei Eiswürfeln und Wasser bei 0 °C.
  • Der Gleichgewichtsdruck (z. B. Sättigungsdampfdruck) in einem Zwei-Phasen-System hängt nur von der Temperatur ab und wird nicht durch die Mengenverhältnisse von Flüssigkeit und Gas beeinflusst, solange beide Phasen vorhanden sind.
  • Phasendiagramme zeigen, unter welchen Bedingungen (Temperatur, Druck) bestimmte Phasen stabil sind; an den Phasengrenzen koexistieren zwei Phasen im Gleichgewicht und am Tripelpunkt sogar drei bei exakt vorgegebenen Werten.
  • Die Gibbs’sche Phasenregel (\(F = K - P + 2\)) gibt an, wie viele Zustandsgrößen (z.B. Temperatur, Druck, Konzentration) unabhängig gewählt werden können, bevor sich die Zahl der Phasen im Gleichgewichtssystem ändert; am Tripelpunkt sind das zum Beispiel null (alles festgelegt).
  • Chemische Gleichgewichte sind dynamisch – Hin- und Rückreaktionen laufen gleich schnell – und die Zusammensetzung im Gleichgewicht hängt von der Temperatur über die Gleichgewichtskonstante \(K\) ab, die Kinetik entscheidet aber nur darüber, wie schnell dieses Gleichgewicht erreicht wird.
  • Das Le Chatelier-Prinzip beschreibt, dass sich bei Störungen (z. B. Temperatur-, Druck- oder Konzentrationsänderung) das Gleichgewicht so verschiebt, dass die Störung teilweise kompensiert wird; lediglich Temperatur ändert die Gleichgewichtskonstante.
  • Katalysatoren beschleunigen die Einstellung des Gleichgewichts (senken die Aktivierungsenergie), verändern aber weder die Lage des Gleichgewichts noch die Gleichgewichtskonstante – das System erreicht denselben Zustand einfach schneller.

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