Phasengleichgewichte

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Phasengleichgewichte und kolligative Eigenschaften in Zweikomponentensystemen

Was versteht man unter Phasengleichgewichten in Zweikomponentensystemen?

Phasengleichgewichte beschreiben stabile Zustände, in denen verschiedene Phasen (etwa Flüssigkeit und Dampf) eines Systems nebeneinander existieren, und molekularer Übergang zwischen den Phasen im Mittel ausgeglichen ist. Typisch im Zweikomponentensystem bedeutet das: Zwei Substanzen (beispielsweise Wasser und Ethanol) stehen miteinander im Gleichgewicht, wobei die Zusammensetzung der einzelnen Phasen (z. B. Flüssigkeit vs. Dampf) unterschiedlich sein kann.

Ein klassisches Beispiel: Mischung aus Wasser und Ethanol, die teilweise verdampft ist. Im Gleichgewicht geht genauso viel Ethanoldampf in die Flüssigkeit über, wie verdampft – und das gilt auch für Wasser. Die Konzentrationen der beiden Stoffe sind jedoch in Dampf- und Flüssigphase meist unterschiedlich!

Das Raoult’sche Gesetz – Intuition, Anwendung und grafische Darstellung

Das Raoult’sche Gesetz beschreibt in idealen Zweikomponentensystemen, wie sich der Dampfdruck einer Flüssigkeitsmischung zusammensetzt – Voraussetzung ist, dass sich die gemischten Stoffe ohne besondere Wechselwirkung verhalten („ideale Lösung“).

Der partielle Dampfdruck \(p_A\) einer Komponente A berechnet sich zu:

\[ p_A = x_A \cdot p_A^* \]

  • \(x_A\): Stoffmengenanteil von A in der Flüssigkeit
  • \(p_A^*\): Dampfdruck von reinem A (bei gleicher Temperatur)

Intuitiv: Je mehr Moleküle eines Stoffes vorhanden sind, desto mehr davon können verdampfen – der Dampfdruck wächst also linear mit dem Anteil von A.

Bei nichtflüchtigen gelösten Stoffen (etwa Salz in Wasser) hat der gelöste Stoff selbst keinen merklichen Dampfdruck. Er verdrängt jedoch Moleküle des Lösungsmittels an der Oberfläche: Weniger Moleküle des Lösungsmittels können verdampfen, also sinkt der Gesamtdampfdruck der Lösung:

\[ p_\text{Lösung} = x_\text{Lösungsmittel} \cdot p_\text{Lösungsmittel}^* \]

Der Gesamtdampfdruck einer Mischung: \[ p_\text{gesamt} = p_A + p_B = x_A p_A^* + x_B p_B^* \]

Grafische Darstellung im p–x-Diagramm

Im p–x-Diagramm wird der Dampfdruck (y-Achse) gegen die Zusammensetzung (x-Achse; z. B. Anteil von A) aufgetragen.

  • Für \(x_A = 1\): Nur A ist vorhanden → \(p_\text{gesamt} = p_A^*\)
  • Für \(x_A = 0\): Nur B ist vorhanden → \(p_\text{gesamt} = p_B^*\)
  • Dazwischen gilt: Linearer Zusammenhang bei Idealfall für jede Komponente

Die Kurve des Gesamtdampfdrucks ist also stets die Summe der Partialdrücke.

NoteExamensklassiker: Das IMPP fragt gerne, warum die Linien im p–x-Diagramm an den Achsen die Dampfdruckwerte der reinen Stoffe schneiden: Bei \(x_A = 1\) (nur A) ist der Dampfdruck rein der von A (\(p_A^*\)); bei \(x_A = 0\) (nur B) entsprechend \(p_B^*\).

Unterschiede zwischen Gas- und Flüssigphase:
Die Zusammensetzung in der Dampfphase ist meist anders als in der Flüssigkeit. Typisch ist der Anteil des flüchtigeren Stoffs im Dampf erhöht – darauf basiert die Destillation (siehe weiter unten).

Ideale und reale Lösungen

Bei einer idealen Lösung verhalten sich die Komponenten so, als hätten sie „keine besonderen Wechselwirkungen“: Das Raoult’sche Gesetz gilt exakt. Bei realen Lösungen (zum Beispiel Alkohol-Wasser) treten oft stärker oder schwächer ausgeprägte Wechselwirkungen auf, sodass der reale Dampfdruck vom idealen Verlauf abweicht – je nach Art der Wechselwirkung nach oben oder unten.

NoteÜberprüfung im Examen: Das IMPP prüft gern, ob du ideale von realen Lösungen unterscheiden kannst! Bei idealen Lösungen gilt der Dampfdruck proportional zum Anteil (\(x_i\)); bei realen Lösungen kann es Abweichungen geben – nach oben oder unten!

Kolligative Eigenschaften und der van’t Hoff-Faktor

Kolligative Eigenschaften sind physikalische Eigenschaften, die ausschließlich von der Anzahl der gelösten Teilchen in einer Lösung abhängen, unabhängig von deren chemischer Art.

Zu den wichtigsten kolligativen Effekten zählen:

  • Dampfdruckerniedrigung
  • Siedepunktserhöhung
  • Gefrierpunktserniedrigung
  • osmotischer Druck

Der Grund: Gelöste Teilchen (z. B. Salz, Zucker) „blockieren“ Lösungsmittelmoleküle an der Oberfläche, sodass weniger verdampfen können – das führt insgesamt zu den genannten Effekten.

Der van’t Hoff-Faktor (\(i\))

Manche Stoffe dissoziieren beim Lösen in mehrere Teilchen:
- NaCl → Na⁺ + Cl⁻: \(i = 2\) - Saccharose (Zucker) bleibt als Molekül: \(i = 1\)

Je mehr Teilchen pro Molekül, desto stärker der Effekt auf Siede- und Gefrierpunkt (und den osmotischen Druck). Die Gefrierpunktserniedrigung etwa ist proportional zur gesamten Teilchenmenge – 0,2 mol NaCl (\(i=2\)) in 1 kg Wasser erzeugen 0,4 mol Teilchen und eine entsprechend größere Erniedrigung als 0,2 mol Saccharose.

Phasendiagramme und die Gibbssche Phasenregel

Phasendiagramme geben an, unter welchen Bedingungen (T, p, Zusammensetzung) verschiedene Phasen im Gleichgewicht sind.

Die Gibbssche Phasenregel bestimmt, wie viele unabhängige Zustandsgrößen (Freiheitsgrade) steuerbar sind:

\[ F = K - P + 2 \]

  • \(F\): Freiheitsgrade (etwa Temperatur, Druck, Zusammensetzung)
  • \(K\): Komponentenanzahl (z. B. Wasser + Ethanol = 2)
  • \(P\): Phasenanzahl (z. B. flüssig und gasförmig = 2)

Beispiel:
Für \(K = 2\), \(P = 2\): \[ F = 2 - 2 + 2 = 2 \] Du kannst beispielsweise Temperatur und Zusammensetzung unabhängig einstellen.

NoteFreiheitsgrade im Examen: Das IMPP fragt, wie viele Zustandsgrößen ihr variieren könnt – die Gibbssche Phasenregel hilft bei der Antwort!

Destillation, Fraktionierung und Azeotrope

Destillation nutzt, dass verschiedene Stoffe unterschiedlich leicht verdampfen. Die Dampfphase ist reicher an der leichtflüchtigen Komponente. Wird der Dampf wieder verflüssigt und erneut verdampft (fraktionierte Destillation), kann eine Trennung erzielt werden.

Grenzen setzt ein Azeotrop:
Ein Azeotrop ist ein Gemisch mit einem bestimmten Verhältnis der Komponenten, bei dem die Dampf- und Flüssigphase identisch zusammengesetzt sind. Ab hier kann mittels Destillation keine weitere Trennung erzielt werden – wie etwa bei Ethanol-Wasser (ca. 96 % Ethanol).

NoteAzeotrope: Standardfrage im Examen! Warum lässt sich manches Gemisch nicht vollständig destillativ trennen? Weil Dampf und Flüssigkeit beim Azeotrop die gleiche Zusammensetzung haben!

Anwendungen: Molekülmassen-Bestimmung und Praxisbeispiele

Molekülmassenbestimmung: Kolligative Effekte wie die Gefrierpunktserniedrigung ermöglichen die experimentelle Bestimmung der unbekannten Teilchenzahl (und damit Molekülmasse) einer Substanz, indem man die Temperaturänderung ausmisst.

Beispiele aus der Praxis: - Natriumchlorid (NaCl) streut auf Winterstraßen, indem es den Gefrierpunkt von Wasser herabsetzt. - Osmotischer Druck ist entscheidend bei Infusionen und Dialyse (denn: abhängig von der Teilchenzahl, nicht von der Stoffart).

Was solltest du für das Staatsexamen besonders sicher können?

  • Die Intuition hinter dem Raoult’schen Gesetz
  • Den Unterschied ideale vs. reale Lösung
  • Den van’t Hoff-Faktor und warum kolligative Eigenschaften von der Teilchenzahl abhängen
  • p–x-Diagramme lesen und interpretieren
  • Die Gibbssche Phasenregel anwenden, Freiheitsgrade bestimmen
  • Bedeutung von Azeotropen
  • Funktionsweise und Grenzen von Destillation/Fraktionierung
  • Kolligative Effekte im Alltag erkennen und anwenden können

Verteilungsgleichgewichte und osmotischer Druck: Intuition, Anwendung & Examens-Knowhow

Verteilungsgleichgewicht – Wie teilt sich ein Stoff zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten auf?

Befinden sich zwei nicht mischbare Flüssigkeiten (z. B. Wasser und Öl) im Kontakt und ein verteilbarer Stoff (z. B. ein Farbstoff) ist enthalten, stellt sich im Gleichgewicht ein konstantes Verhältnis der Konzentrationen (je Phase) ein. Dieses Verhältnis ist der Verteilungskoeffizient (\(D\) bzw. \(K\)):

\[ D = \frac{c_\text{Phase 1}}{c_\text{Phase 2}} \]

  • \(D\) ist nur von Temperatur und den eingesetzten Flüssigkeiten abhängig, nicht von der Stoffmenge oder dem Volumen der Phasen.

Das bedeutet: Egal wie viel Stoff insgesamt vorliegt, das Verhältnis der Konzentrationen bleibt unter den gleichen Bedingungen konstant.

Praktische Anwendung – Flüssig-Flüssig-Extraktion:
Man nutzt \(D\), um einen Wirkstoff gezielt aus einer Phase in eine andere zu überführen. Je größer \(D\) zugunsten der Zielphase, desto effektiver die Extraktion. Mehrfache Extraktionen mit kleineren Volumina erhöhen die Gesamtausbeute deutlich:

NoteExtraktionstipp: Mehrfache Extraktion mit kleineren Portionen löst mehr heraus, weil das Restgleichgewicht immer wieder neu eingestellt wird!

Beispiel

100 mg Farbstoff in 100 ml Wasser, \(D = 5\) (Farbstoff mag Öl). Einmal mit 100 ml Öl extrahiert → etwa 5/6 des Farbstoffs ins Öl. Zweimal mit je 50 ml Öl hintereinander ergibt noch bessere Ausbeute, da der verbliebene Rest weiter aufgeteilt wird.

Osmotischer Druck: Wenn Teilchen Wasser „ziehen“

Osmose tritt auf, wenn Lösungsmittel (z. B. Wasser) durch eine semipermeable Membran strömt und so versucht, Konzentrationsunterschiede auszugleichen. Der dabei entstehende Druck ist der osmotische Druck.

Das van’t Hoff’sche Gesetz

Der osmotische Druck einer idealen verdünnten Lösung:

\[ \pi = i \, M\, R\, T \]

  • \(\pi\): osmotischer Druck
  • \(i\): van’t Hoff-Faktor (Anzahl der gelösten Teilchen pro Ursprungsteilchen)
  • \(M\): molare Konzentration der gelösten Teilchen
  • \(R\): universelle Gaskonstante
  • \(T\): Temperatur in Kelvin

Koligativ: Auch der osmotische Druck hängt nur von der Teilchenanzahl ab, nicht davon, um welche Teilchen es sich handelt.

NoteVan’t Hoff-Faktor: Das IMPP prüft oft, ob du bei Elektrolyt-Lösungen \(i>1\) berücksichtigst (z. B. NaCl → 2 Teilchen, \(i=2\); Saccharose → 1 Teilchen, \(i=1\))!

Ideale und reale Lösungen

Das van’t Hoff’sche Gesetz gilt am genauesten für stark verdünnte Lösungen. In konzentrierten Lösungen kann \(i\) vom Idealwert abweichen (z. B. durch Paarbildung), auch Wechselwirkungen beeinflussen den realen osmotischen Druck.

Praktische und physiologische Anwendungen

  • Osmose im Alltag und in der Medizin: Die Wasseraufnahme und -abgabe von Zellen (z. B. Rosinen, Zwiebelzellen, Blutkörperchen in Lösungen) wird durch osmotische Vorgänge bestimmt. Der richtige osmotische Druck ist entscheidend für Infusionen, Dialyse, Zellphysiologie und Arzneizubereitung.

  • Pfeffer’scher Versuch: Macht den osmotischen Druck sichtbar – Wasser „wandert“ durch eine Membran in eine konzentrierte Lösung und erzeugt messbaren Druck.

  • Zusammenhang mit Stofftrennung: Sowohl Verteilungskoeffizient (\(D\)) als auch kolligative Effekte (Osmose, Dampfdruckerniedrigung) sind Triebkräfte für Trennung und Stofftransport im Labor wie im Körper.

  • Molekülmassenbestimmung: Über Messung von kolligativen Effekten (z. B. osmotischer Druck) kann die molare Masse unbekannter Substanzen experimentell bestimmt werden.

Wichtiges für das Staatsexamen – Zusammenfassung

  • Verteilungskoeffizient: Gibt an, wie sich ein Stoff zwischen zwei Phasen aufteilt, ist temperaturabhängig und für Extraktionsverfahren zentral. Mehrfache Extraktion ist effektiver!
  • Osmotischer Druck: Kolligative Größe – hängt nur von der Anzahl gelöster Teilchen ab (egal, ob Ion oder Neutralmolekül); Grundlage für viele biomedizinische und pharmazeutische Anwendungen.
  • Theorie vs. Praxis: Ideale Modelle erklären Grundlagen, reale Abweichungen solltest du im Hinterkopf haben.
  • Das IMPP stellt gerne Fragen zu: Zusammenhang zwischen \(D\), Extraktionsausbeute und Stoffmenge, zum van’t Hoff-Faktor, zur Bedeutung kolligativer Eigenschaften und ihrer Unabhängigkeit von der Stoffart.

Merke dir: Wasser wandert dorthin, wo mehr gelöste Teilchen sind, und der Verteilungskoeffizient steuert, wo am Ende der meiste extrahierte Stoff landet!

Zusammenfassung

  • Im Phasengleichgewicht eines Zweikomponentensystems gehen pro Zeiteinheit gleich viele Moleküle von einer Phase in die andere über; der Dampfdruck einer idealen Flüssigkeitsmischung lässt sich mittels Raoult’schem Gesetz aus dem Anteil und Dampfdruck der reinen Komponenten berechnen.
  • Kolligative Eigenschaften wie Dampfdruckerniedrigung, Siedepunktserhöhung und osmotischer Druck hängen ausschließlich von der Anzahl der gelösten Teilchen ab; der van’t Hoff-Faktor \(i\) berücksichtigt, dass Salze beim Lösen in mehrere Teilchen dissoziieren (z. B. NaCl: \(i = 2\)).
  • Im p–x-Diagramm zeigt der Gesamtdruck der Mischung einen linearen Verlauf zwischen den Dampfdruckwerten der Reinstoffe; dabei ist der flüchtigere Stoff im Dampf stets überrepräsentiert, was zur Destillation genutzt wird.
  • Die Gibbssche Phasenregel (\(F = K - P + 2\)) gibt an, wie viele Zustandsgrößen (wie Temperatur, Druck, Zusammensetzung) in einem Mehrphasensystem unabhängig variiert werden können.
  • Ein Azeotrop ist ein Gemisch, bei dem Dampf- und Flüssigkeitszusammensetzung gleich sind, sodass über einfache Destillation keine weitere Trennung möglich ist, wie zum Beispiel bei ca. 96 % Ethanol-Wasser-Gemischen.
  • Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion entscheidet der Verteilungskoeffizient \(D\), wie viel eines Stoffes sich im Gleichgewicht in jeder der beiden Phasen befindet; mehrfaches Extrahieren mit kleineren Volumina erhöht die Gesamtausbeute.
  • Der osmotische Druck entsteht, wenn gelöste Teilchen den Durchtritt von Wasser durch eine Membran erzwingen; dieser Druck ist proportional zur Teilchenanzahl und wird idealerweise durch das van’t Hoff’sche Gesetz beschrieben.

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