Optische Drehung

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Optische Drehung: Was passiert mit polarisiertem Licht in Zuckerlösungen & Co?

Was bedeutet eigentlich „optische Drehung“?

Stell dir vor, Licht besteht aus winzigen Wellen, die schwingen. Wenn Licht linear polarisiert ist, dann schwingen diese Wellen alle ganz ordentlich in eine Ebene, wie Soldaten in Reih und Glied. Triffst du mit solchem polarisiertem Licht auf bestimmte Substanzen – wie zum Beispiel eine Zuckerlösung – passiert etwas Faszinierendes: Die Ebene dieser Lichtschwingung wird gedreht. Das bedeutet, das Licht kommt mit einer Schwingungsrichtung an und verlässt die Lösung mit einer verdrehten Schwingungsebene.

Das liegt daran, dass manche Moleküle – vor allem solche, die asymmetrisch sind (wir sprechen von optisch aktiven Molekülen) – Licht „anders“ behandeln als andere: Sie geben praktisch einen „Dreh-Impuls“ weiter.

Das Polarimeter – wie man Drehung sichtbar macht

Um diese Drehung zu messen, wird ein Polarimeter verwendet. Das Gerät misst, welchen Winkel die Schwingungsebene beim Durchgang durch eine bestimmte Lösung tatsächlich dreht. Hier kommen wir schon zum Kern des Ganzen: Wie stark dreht sich das Licht? Wovon hängt das ab?

Wovon hängt die optische Drehung ab? – Die vier Schlüsselfaktoren

Wenn das IMPP nach optischer Drehung fragt, geht es oft genau um diese Frage: Welche Variablen beeinflussen, wie stark das Licht verdreht wird?

Ganz wichtig: Der Drehwinkel \(α\) ist nur von folgenden Größen abhängig:

  1. Konzentration (c) der optisch aktiven Substanz
    Mehr Moleküle pro Volumen = stärkere Wirkung! Wird die Konzentration (bspw. die Menge Zucker im Wasser) verdoppelt, verdoppelt sich auch der gemessene Drehwinkel.

  2. Länge des Lichtwegs (l) im Probengefäß
    Je länger der Lichtweg durch die Lösung, desto mehr kann sich die Ebene der Lichtschwingung „auf dem Weg“ drehen.
    Ein doppeltes Rohr ergibt einen doppelten Drehwinkel – ganz unmittelbar.

  3. Spezifische Drehung \([\alpha]_{\lambda}^T\)
    Diese Größe ist eine Art „Fingerabdruck“ einer Substanz und gibt an, wie stark 1 g/ml dieser Substanz pro 1 dm Röhrenlänge das Licht bei einer bestimmten Wellenlänge (\(\lambda\)) und Temperatur (\(T\)) dreht. Achtung: \([\alpha]_{\lambda}^T\) ist nicht konstant! Sie kann sich je nach Wellenlänge (Farben des Lichts), Temperatur und Lösungsmittel ändern.

  4. Wellenlänge und Temperatur
    Die meisten Messungen nimmt man mit gelbem Natrium-D-Licht (\(\lambda\) = 589,3 nm) bei 20°C vor. Verwendet man ein Licht mit anderer Farbe, oder verändert die Temperatur, kann dieselbe Lösung eine andere Drehung zeigen.

NoteKonzentration und Weglänge bestimmen die Drehung

Der gemessene Drehwinkel \(α\) wächst proportional mit der Konzentration \(c\) und der Weglänge \(l\):
Wird eine der beiden Größen verdoppelt, verdoppelt sich auch der Drehwinkel (sofern die anderen Bedingungen gleich bleiben).

Die Formel – aber bitte anschaulich!

Die in den Fragen immer wieder auftauchende Gleichung lautet:

\[\alpha = [\alpha]_{\lambda}^T \cdot c \cdot l\]

Was steckt dahinter?

  • \(α\): gemessener Drehwinkel (in Grad)
  • \([\alpha]_{\lambda}^T\): spezifische Drehung (ein Maß, wie stark eine Substanz das Licht „drehen“ kann, hier bei bestimmter Wellenlänge und Temperatur)
  • \(c\): Konzentration der Substanz (z. B. in g/ml)
  • \(l\): Länge des durchstrahlten Gefäßes (in dm)

Du musst dabei nicht alle Zahlenwerte auswendig lernen, sondern verstehen:
Konzentration und Länge des Lichtweges zählen – alles andere wie Lichtmenge, Durchmesser, Farbe der Küvette spielen in dieser Gleichung keine Rolle für den gemessenen Drehwinkel!

Beispiele aus dem Alltag und Prüfungsfragen

Zucker unter der Lupe: Saccharose, Glucose, Fructose

  • Saccharose (Haushaltszucker):
    \([\alpha]^{20}_D \approx +66^\circ\)
    Licht wird also nach rechts (dextrorotatorisch) gedreht!

  • Glucose:
    \([\alpha]^{20}_D \approx +52,7^\circ\)
    Auch eine Rechtsdrehung, aber schwächer.

  • Fructose:
    \([\alpha]^{20}_D \approx -92,0^\circ\)
    Hier wird das Licht nach links (levorotatorisch) gedreht.

Warum kann das IMPP das fragen? Es geht oft um den Unterschied, wie sich die optische Drehung ändert, wenn sich bei der Hydrolyse von Saccharose (= Aufspaltung in Glucose und Fructose) im Verlauf der Reaktion das Drehsignal sogar das Vorzeichen wechselt!

Enantiomere und Racemate: Gegensätze & Neutralität

Viele optisch aktive Substanzen gibt es als Enantiomere – das sind Moleküle, die wie Bild und Spiegelbild zueinander stehen. Ein Enantiomer dreht das Licht nach rechts, das andere genauso stark nach links.

NoteRacemate: Optisch inaktive Mischungen

Mischt man gleiche Mengen beider Enantiomere (Racemate), heben sich ihre Dreheffekte genau auf.
Das Drehsignal ist dann null – auch wenn ganz viele Moleküle im Glas sind!

Das ist auch häufiges Prüfungswissen: Racemate sind optisch inaktiv.

Spezifische Drehung & was sie beeinflusst

Die spezifische Drehung \([\alpha]_{\lambda}^T\) ist ein Charakteristikum jeder Substanz – und sie ist nicht beliebig, sondern wird immer für eine ganz bestimmte Wellenlänge (meist Natrium-D-Licht, 589 nm), Temperatur und Lösungsmittel angegeben, z. B.:

  • \([\alpha]_D^{20}\) heißt: gemessen mit \(D\)-Linie (589 nm) bei 20°C

Die Werte können sich merklich verändern, wenn etwas davon abweicht – etwa, wenn das Licht sehr blau oder sehr rot ist, oder die Temperatur stark schwankt. Typischerweise nimmt der Drehwert mit steigender Temperatur ab.

NoteRotationsdispersion: Drehung hängt von der Lichtfarbe ab

Die gemessene(s) Drehung \([\alpha]\) variiert mit der Wellenlänge des Lichts – das nennt man Rotationsdispersion.
Das ist ähnlich wie ein Prisma verschiedene Farben unterschiedlich ablenkt; hier bekommt jede Lichtfarbe (jede Wellenlänge) ihren eigenen Drehwert!

Additivität der Drehung: Was passiert bei Mischungen?

Besonders knifflig: Was macht man, wenn mehrere optisch aktive Stoffe in der Lösung sind? Hier gilt die Additivität:
Die gemessene Gesamtdrehung ist einfach die Summe der einzelnen Drehungen, jede gewichtet nach ihrer Konzentration und spezifischen Drehung.

Beispiel:
Du hast in einer Lösung Glucose (rechtsdrehend, \([\alpha]_G\)) und Fructose (links, \([\alpha]_F\)) in gleicher Konzentration, Weglänge \(l\).

Die Gesamtdrehung ist dann: \[ \alpha_{ges} = l (\ [\alpha]_G \cdot c_G \ + \ [\alpha]_F \cdot c_F \ ) \]

Das ist besonders relevant für Reaktionen wie bei der Herstellung von Invertzucker: Die Drehung springt nach einer Weile von positiv auf negativ um!

Was beeinflusst die Drehung – und was nicht?

Sehr gerne gefragt: Es gibt Größen, die auf die Drehung KEINEN Einfluss haben!

  • Lichtintensität (also wie hell das Licht ist): Egal!
  • Durchmesser des Probenrohrs: Egal!
  • Konzentration und Länge: Verantwortlich für die Drehung!

Nicht zu verwechseln ist die optische Drehung übrigens mit der Doppelbrechung:
Bei der Doppelbrechung wird ein Lichtstrahl in zwei unterschiedliche Strahlen aufgespalten, das ist aber ein komplett anderes physikalisches Prinzip.

Anwendungen: Wie kann man optische Drehung praktisch nutzen?

In der Lebensmittelchemie, Pharmazie, Biochemie etc. wird die optische Drehung z. B. zur Bestimmung des Zuckergehalts in Lösungen genutzt. Da bekannt ist, wie stark reine Saccharose oder Glucose das Licht dreht, kann man mit dem Polarimeter durch einfaches Messen und Umstellen der Gleichung die Konzentration der Zuckerlösung berechnen.

Relevante Stolpersteine in Prüfungen – und wie du sie intuitiv meisterst

  • Drehwinkel wächst proportional mit Konzentration und Weglänge
  • Racemate: immer optisch inaktiv, auch wenn Substanz mengenmäßig vorhanden ist
  • Enantiomere: Drehungen gleich groß, aber entgegengesetzt
  • Wellenlänge & Temperatur: beeinflussen den spezifischen Drehwert – bei anderen Bedingungen ändern sich die Werte!
  • Additivität: Drehung sagt einfach aus: alle optisch aktiven Stoffe „drehen mit“, ihre Drehwerte werden einfach addiert
  • Lichthelligkeit und Gefäßquerschnitt: spielt keine Rolle für die Polarisationsebene
  • Doppelbrechung ≠ optische Drehung
  • Rotationsdispersion: Drehwinkel hängt je nach „Lichtfarbe“ mehr oder weniger stark ab
NoteWenn das IMPP nach maximalen/praktischen Fehlerquellen fragt …

Immer daran denken: Konzentration und Weglänge bestimmen den Drehwinkel, alles andere verändert nur den spezifischen Drehwert.
Auch die Richtung der Drehung (rechts/links) ist für die Bestimmung von Enantiomeren wichtig!

Zusammenfassung

  • Optische Drehung beschreibt die Verdrehung der Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht, wenn es durch eine Lösung mit optisch aktiven Molekülen (wie Zucker) geleitet wird – die Richtung (rechts/links) und Stärke hängen von der Substanz ab.
  • Der gemessene Drehwinkel α wächst proportional zur Konzentration der Substanz und zur Messweg-Länge; beide Faktoren zu verdoppeln bedeutet, dass sich auch der Drehwinkel verdoppelt.
  • Die Formel \(\alpha = [\alpha]_{\lambda}^T \cdot c \cdot l\) zeigt: Nur Konzentration und Länge des Messwegs beeinflussen α direkt, nicht aber Lichtintensität oder Durchmesser der Küvette.
  • Die sogenannte spezifische Drehung \([\alpha]_{\lambda}^T\) ist charakteristisch für jede Substanz und abhängig von Wellenlänge (Farbe des Lichts), Temperatur und Lösungsmittel; bei Änderung dieser Bedingungen verändert sich auch der Drehwinkel.
  • Enantiomere drehen das Licht gleich stark in entgegengesetzte Richtungen; Racemate (Mischung zu gleichen Teilen) sind optisch inaktiv, weil ihre Drehwirkungen sich exakt aufheben.
  • Mischungen verschiedener optisch aktiver Substanzen ergeben additive Drehungen: Die Gesamtdrehung ist die Summe der einzelnen Beiträge, gewichtet nach ihrer Konzentration und spezifischen Drehung.
  • Die optische Drehung hat praktische Bedeutung z.B. zur Zuckerbestimmung mittels Polarimeter; dabei ist sie klar von Phänomenen wie Doppelbrechung (Aufspaltung des Lichts), die auf anderen physikalischen Effekten beruhen, zu unterscheiden.

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