§ 11

📖 Zum Gesetz

  1. Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, oder mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Dies gilt auch für Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die die Zuweisung von Verschreibungen in elektronischer Form oder von elektronischen Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form zum Gegenstand haben. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Apotheken, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen, sowie deren Inhaber, Leiter oder Personal, soweit diese Apotheken Patienten in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen.

(1a) Es ist für die in Absatz 1 Satz 1 genannten Dritten unzulässig, Verschreibungen, auch Verschreibungen in elektronischer Form oder elektronische Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form, zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren.

  1. Abweichend von Absatz 1 darf der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke auf Grund einer Absprache anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes hergestellt worden sind, unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben.

(2a) Abweichend von Absatz 1 sind Absprachen und Vereinbarungen mit einer ärztlichen Einrichtung, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie spezialisiert ist, zur Organisation des Notfallvorrats nach § 43 Absatz 3a des Arzneimittelgesetzes sowie zur unmittelbaren Abgabe der Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie an den anwendenden Arzt zulässig. Die Organisation des Notfallvorrats kann auch durch eine Krankenhausapotheke sichergestellt werden; in diesem Fall darf die Krankenhausapotheke im Rahmen der Notfallversorgung Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie auch an Patienten oder Einrichtungen der Krankenversorgung abgeben.

  1. Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Krankenhausapotheke darf auf Anforderung des Inhabers einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke die im Rahmen seiner Apotheke hergestellten anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen an diese öffentliche Apotheke oder auf Anforderung des Inhabers einer Erlaubnis zum Betrieb einer anderen Krankenhausapotheke an diese Krankenhausapotheke abgeben. Dies gilt entsprechend für den Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke für die Abgabe der in Satz 1 genannten Arzneimittel an eine Krankenhausapotheke oder an eine andere öffentliche Apotheke. Eines Vertrages nach § 14 Abs. 3 oder 4 bedarf es nicht.

  2. Im Falle einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht,

  1. findet Absatz 1 keine Anwendung auf Arzneimittel, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen nach § 47 Absatz 1 Nummer 3c des Arzneimittelgesetzes bevorratet oder nach § 21 Absatz 2 Nummer 1c des Arzneimittelgesetzes hergestellt wurden,
  2. gilt Absatz 3 Satz 1 und 2 entsprechend für Zubereitungen aus von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen bevorrateten Wirkstoffen.
  1. Stellt das Bundesministerium für Gesundheit nach § 79 Absatz 5 Satz 5 bis 7 des Arzneimittelgesetzes fest, dass ein Versorgungsmangel der Bevölkerung mit Arzneimitteln, die zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden, vorliegt, kann die zuständige Behörde im Einzelfall eine Abgabe eines in der Bekanntmachung der Feststellung genannten Arzneimittels entsprechend Absatz 3 Satz 1 und 2 gestatten.

Überblick und Anwendungsbereich

§ 11 ApoG thematisiert die strikte Trennung von Interessen zwischen Apotheken und Ärzt:innen sowie anderen an der Behandlung beteiligten Personen. Ziel ist der Schutz der Unabhängigkeit beider Berufsgruppen, die Vermeidung wirtschaftlicher Anreize bei der Arzneimittelversorgung und somit der Schutz der Patientensicherheit.

Grundsatz: Verbot wirtschaftlich motivierter Zusammenarbeit

Im Regelfall ist es Apothekeninhaber:innen und Apothekenpersonal untersagt, mit Ärzt:innen, Heilpraktiker:innen oder Dritten Absprachen oder Rechtsgeschäfte zu treffen, die z. B.:

  • eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel,
  • die Zuführung von Patient:innen (Patientenvermittlung),
  • die Zuweisung von Verschreibungen (auch in elektronischer Form)
  • oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne vollständige Angabe der Zusammensetzung

zum Gegenstand haben.

“Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen … mit Ärzten oder anderen Personen … oder mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen … zum Gegenstand haben.”

Dieses Verbot gilt ausdrücklich auch dann, wenn Verschreibungen oder Zugangsdaten in elektronischer Form übermittelt werden. Ebenso gilt es für Apotheken aus dem EU-Ausland, soweit diese Patient:innen in Deutschland versorgen.

Verbot wirtschaftlicher Vorteile für Dritte

Auch „Dritte“, insbesondere digitale Vermittler und Plattformen, dürfen Rezepte oder Zugangsdaten nicht sammeln, weiterleiten oder dafür Vorteile gewähren oder annehmen.

“Es ist … unzulässig, Verschreibungen … zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür … einen Vorteil zu fordern, … anzunehmen oder zu gewähren.”

Ausnahmen bei speziellen Therapien

Trotz des strikten Verbots sieht das Gesetz praxisrelevante Ausnahmen vor:

  • Zytostatika:
    • Eine Absprache zwischen öffentlicher Apotheke und dem anwendenden Arzt ist zulässig, wenn es um die direkte Abgabe von im Apothekenbetrieb hergestellten, anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen geht.
    • Ebenso können Krankenhausapotheken solche Zubereitungen an öffentliche Apotheken oder andere Krankenhausapotheken abgeben – hier ist kein zusätzlicher Vertrag notwendig.
  • Hämophilie-/Gerinnungsstörungstherapie:
    • Bei Einrichtungen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen spezialisiert sind, sind Absprachen zur Organisation des Notfallvorrats sowie zur direkten Abgabe von spezifischen Arzneimitteln an den anwendenden Arzt erlaubt.
    • Die Versorgung kann hier auch über Krankenhausapotheken erfolgen, einschließlich der Abgabe an Patient:innen oder Krankenversorgungseinrichtungen.

Sonderregeln im Pandemiefall oder Versorgungsknappheit

Bei besonderen Situationen, wie etwa einer Pandemie oder einem erklärten Versorgungsmangel mit lebensnotwendigen Medikamenten, lockert das Gesetz das strikte Trennungsprinzip zur Sicherstellung der Versorgung:

  • Bei einer “bedrohlichen übertragbaren Krankheit” oder anderem Notfall dürfen spezifische Arzneimittel, die von Gesundheitsbehörden bevorratet oder hergestellt wurden, auch auf besonderen Wegen verteilt werden. Dazu gehören auch entsprechende Zytostatikazubereitungen.
  • Im Falle eines vom Bundesministerium für Gesundheit festgestellten Versorgungsmangels kann die zuständige Behörde eine Sonderabgabe nach denselben Regeln wie für die Abgabe zwischen Krankenhaus- und öffentlichen Apotheken erlauben.

Praxisrelevanz und Systematik der Ausnahmen

Bereich Grundsatz Ausnahmen nach ApoG § 11
Alltagsversorgung mit Arzneimitteln Keine wirtschaftlich motivierten Absprachen mit Ärzten oder Dritten Absprachen nur im Rahmen direkter Therapien zulässig (z. B. Zytostatika, Hämophilie)
Vermittlung/Weiterleitung von Rezepten Absolute Unzulässigkeit gegen Entgelt Keine Ausnahme
Versorgung in Pandemien/Notfällen Striktes Verbot Sonderregelungen zur Versorgungssicherheit, wenn Behörden aktiv werden
TipKernaussage

Apothekenarbeit und ärztliche Tätigkeit sind strikt voneinander zu trennen, wirtschaftlich motivierte Absprachen sind verboten. Ausnahmen gelten in eng begrenzten Spezialfällen (z. B. bei Zytostatika, Gerinnungsstörungen, Versorgungskrisen), um eine zeitnahe und sichere Patientenversorgung zu gewährleisten.

Zusammenfassung

§ 11 ApoG stellt das wirtschaftliche Trennungsgebot zwischen Apothekenbetrieb und anderen Heilberufen in den Mittelpunkt. Er enthält ein umfassendes Verbot wirtschaftlich motivierter Absprachen im Bereich der Arzneimittelversorgung und regelt zugleich wichtige Ausnahmen für Spezialfälle und Not- bzw. Pandemiesituationen, in denen Kooperationen zugunsten der Patientensicherheit ausdrücklich zulässig sind.

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