§ 4a
Der Wettbewerb der Krankenkassen dient dem Ziel, das Leistungsangebot und die Qualität der Leistungen zu verbessern sowie die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu erhöhen. Dieser Wettbewerb muss unter Berücksichtigung der Finanzierung der Krankenkassen durch Beiträge und des sozialen Auftrags der Krankenkassen angemessen sein. Maßnahmen, die der Risikoselektion dienen oder diese unmittelbar oder mittelbar fördern, sind unzulässig.
Unlautere geschäftliche Handlungen der Krankenkassen sind unzulässig.
Krankenkassen sind berechtigt, um Mitglieder und für ihre Leistungen zu werben. Bei Werbemaßnahmen der Krankenkassen muss die sachbezogene Information im Vordergrund stehen. Die Werbung hat in einer Form zu erfolgen, die mit der Eigenschaft der Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Aufgaben vereinbar ist.
Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der Krankenkassen zu regeln im Hinblick auf
- Inhalt und Art der Werbung,
 - Höchstgrenzen für Werbeausgaben einschließlich der Aufwandsentschädigungen für externe Dienstleister, die zu Werbezwecken beauftragt werden,
 - die Trennung der Werbung von der Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten,
 - die Beauftragung und Vergütung von Mitarbeitern, Arbeitsgemeinschaften, Beteiligungsgesellschaften und Dritten zu Werbezwecken,
 - die Vermittlung privater Zusatzversicherungsverträge nach § 194 Absatz 1a. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf das Bundesamt für Soziale Sicherung übertragen.
 
Beauftragen Krankenkassen Arbeitsgemeinschaften, Beteiligungsgesellschaften oder Dritte zu Zwecken des Wettbewerbs und insbesondere der Werbung, haben sie sicherzustellen, dass die Beauftragten die für entsprechende Maßnahmen der Krankenkassen geltenden Vorschriften einschließlich der Vorgaben der Absätze 1 bis 3 sowie der Rechtsverordnung nach Absatz 4 einhalten.
In den Verwaltungsvorschriften nach § 78 Satz 1 des Vierten Buches und § 77 Absatz 1a des Vierten Buches ist sicherzustellen, dass Verwaltungsausgaben, die der Werbung neuer Mitglieder dienen, nach für alle Krankenkassen gleichen Grundsätzen gebucht werden.
Krankenkassen können von anderen Krankenkassen die Beseitigung und Unterlassung unzulässiger Maßnahmen verlangen, die geeignet sind, ihre Interessen im Wettbewerb zu beeinträchtigen. Die zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigte Krankenkasse soll die Schuldnerin vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihr Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann die Abmahnende von der Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Zur Sicherung der Ansprüche nach Satz 1 können einstweilige Anordnungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in § 86b Absatz 2 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Ist auf Grund von Satz 1 Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 5 ist nicht vorläufig vollstreckbar.
Überblick und Zielsetzung
§ 4a SGB V regelt die Bedingungen und Grenzen des Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenkassen. Er definiert, wie Krankenkassen um Mitglieder und Leistungen werben dürfen, welche Maßnahmen unzulässig sind und wie Überwachungs- und Sanktionsmechanismen funktionieren. Die Vorschrift schützt sowohl die Versicherten als auch die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und schafft einen fairen Rahmen für den Wettbewerb.
Grundprinzip des Wettbewerbs (Abs. 1)
Der Wettbewerb der Krankenkassen ist kein Selbstzweck, sondern dient ausschließlich dazu, das Leistungsangebot und die Qualität der Versorgung zu verbessern sowie die Wirtschaftlichkeit im Gesundheitssystem zu fördern. Dabei muss auf die Finanzierung durch Beiträge sowie den sozialen Auftrag der Krankenkassen Rücksicht genommen werden.
Maßnahmen, die der Risikoselektion dienen oder diese unmittelbar oder mittelbar fördern, sind unzulässig.
Das bedeutet:
- Krankenkassen dürfen keine Mitglieder bevorzugen oder ablehnen, um sich eine gesündere und damit kostengünstigere Versichertengemeinschaft zu verschaffen (keine “Rosinenpickerei”).
 - Der Zugang zur GKV bleibt für alle Sozialversicherten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben offen.
 
Verbot unlauterer Praktiken (Abs. 2)
Unlautere geschäftliche Handlungen der Krankenkassen sind unzulässig.
Unlauter heißt hier: Irreführende, aggressive oder anders unfaire Wettbewerbsmethoden, zum Beispiel falsche Versprechungen, Verleumdung anderer Krankenkassen oder Einflussnahme auf Wechselwillige, um sie am Kassenwechsel zu hindern.
Werbung: Was ist erlaubt? (Abs. 3)
Krankenkassen dürfen Werbung betreiben. Dabei gilt:
- Im Vordergrund steht die sachbezogene Information über Leistungen und Angebote.
 - Die Werbung muss zum öffentlichen Auftrag passen: Die Kassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und dürfen nicht wie kommerzielle Unternehmen auftreten (Abgrenzung zu privatwirtschaftlicher Reklame).
 
Beispiel: Zulässig sind Informationsflyer über Extra-Leistungen, verboten sind Gewinnspiele mit hohen Preisen zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
Konkretisierung durch das Bundesministerium (Abs. 4)
Das Bundesministerium für Gesundheit kann per Verordnung Einzelheiten zur Werbung regeln, z. B. Höchstgrenzen für Werbeausgaben oder die Vergütung Dritter.
Wichtige Regelungsbereiche:
- Inhalt und Art der Werbung
 - Höchstgrenzen für Werbeausgaben (inkl. externer Dienstleister)
 - Trennung von Werbung und Pflichtinformationen
 - Vorgaben bei Beauftragung und Vergütung Dritter oder Kooperationen
 - Regeln zur Vermittlung privater Zusatzversicherungen
 
Die Verordnungskompetenz kann auch an das Bundesamt für Soziale Sicherung übertragen werden.
Verantwortung bei Beauftragung von Dritten (Abs. 5)
Beauftragt eine Krankenkasse für Werbung oder Wettbewerb Dritte (z. B. Werbeagenturen, Tochtergesellschaften), so trägt sie die Verantwortung, dass auch diese Dritten sämtliche gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorgaben einhalten.
Buchführung und Ausgabentransparenz (Abs. 6)
Werbeausgaben für die Gewinnung neuer Mitglieder müssen:
- Für alle Kassen nach den gleichen Maßstäben verbucht werden.
 - Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen den Krankenkassen sicherstellen.
 
Durchsetzung und Sanktionen bei Wettbewerbsverstößen (Abs. 7)
Krankenkassen können sich gegenseitig auf Beseitigung oder Unterlassung unzulässiger Maßnahmen im Wettbewerb in Anspruch nehmen (Unterlassungsanspruch).
Ablauf:
- Vor Klageerhebung ist eine Abmahnung erforderlich, um dem Gegner eine außergerichtliche Streitbeilegung zu ermöglichen.
 - Bei berechtigter Abmahnung hat die abmahnende Kasse Anspruch auf Ersatz notwendiger Kosten.
 - Auch einstweilige Anordnungen sind möglich, um Verstöße schnell zu unterbinden.
 - Das Gericht kann dem Erfolgreichen das Recht einräumen, das Urteil auf Kosten der Gegenseite öffentlich bekannt zu machen.
 - Dieses Recht muss binnen drei Monaten nach Rechtskraft ausgeübt werden.
 
Für Apotheken ist essenziell, zu wissen, welche Maßnahmen der Krankenkassen im Rahmen der Selbstmedikation, Beratung und der Zusammenarbeit mit Versicherten rechtmäßig sind. Unzulässige Wettbewerbsvorteile, insbesondere bei Selektionsstrategien, Werbemaßnahmen und irreführender Information, sind zu melden und können rechtlich geahndet werden.
Zusammenfassung
§ 4a SGB V gibt den Rahmen für Wettbewerb und Werbung gesetzlicher Krankenkassen vor. Ziel ist ein sachlicher, transparenter und sozial ausgewogener Wettbewerb mit klaren Begrenzungen für Fairness, Gleichbehandlung und Transparenz. Das Verbot der Risikoselektion schützt die Solidarität, Werbemaßnahmen unterliegen engen Regeln und werden durch die Behörden kontrolliert. Sanktionen bei Verstößen stärken die Rechtsdurchsetzung und schützen die soziale Krankenversicherung.
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