§ 78
- Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken im Wiederverkauf abgegeben werden,
- Preise für Arzneimittel, die in Apotheken hergestellt und abgegeben werden, sowie für Abgabegefäße,
- Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln festzusetzen. Abweichend von Satz 1 wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen. Die Preisvorschriften für den Großhandel aufgrund von Satz 1 Nummer 1 gelten auch für pharmazeutische Unternehmer oder andere natürliche oder juristische Personen, die eine Tätigkeit nach § 4 Absatz 22 ausüben bei der Abgabe an Apotheken, die die Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher beziehen.
Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52b. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.
Für Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 2, für die durch die Verordnung nach Absatz 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen; für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, haben die pharmazeutischen Unternehmer zum Zwecke der Abrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen ihren einheitlichen Abgabepreis anzugeben, von dem bei der Abgabe im Einzelfall abgewichen werden kann. Sozialleistungsträger, private Krankenversicherungen sowie deren jeweilige Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmern für die zu ihren Lasten abgegebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel Preisnachlässe auf den einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vereinbaren. Bei der Abgabe von Arzneimitteln, bei der die Preise und Preispannen gemäß der Verordnung nach Absatz 1 von der Festsetzung ausgenommen sind, darf der einheitliche Abgabepreis nach Satz 1 nicht überschritten werden.
(3a) Gilt für ein Arzneimittel ein Erstattungsbetrag nach § 130b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, gibt der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel zum Erstattungsbetrag ab; dies gilt nicht im Fall einer Bestimmung nach § 130b Absatz 1c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch für das Arzneimittel. Abweichend von Satz 1 kann der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel zu einem Betrag unterhalb des Erstattungsbetrages abgeben; die Verpflichtung in Absatz 3 Satz 1 erster Halbsatz bleibt unberührt. Der Abgabepreis nach Satz 1 oder Satz 2 gilt auch für Personen, die das Arzneimittel nicht als Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse im Wege der Sachleistung erhalten. In den Fällen, die nicht vom Ausgleich nach § 130b Absatz 3a Satz 9 oder Absatz 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erfasst sind, kann die juristische Person, die das Arzneimittel erworben hat, von dem pharmazeutischen Unternehmer den Ausgleich der Differenz zwischen dem nach § 130b Absatz 3a oder Absatz 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch geltenden Erstattungsbetrag und dem bis zu dessen Vereinbarung oder Festsetzung tatsächlich gezahlten Abgabepreis einschließlich der zu viel entrichteten Zuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung und der zu viel entrichteten Umsatzsteuer verlangen. In den Fällen, die nicht vom Ausgleich nach § 130b Absatz 4a Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erfasst sind, kann die juristische Person, die das Arzneimittel erworben hat, von dem pharmazeutischen Unternehmer den Ausgleich der Differenz zwischen dem nach § 130b Absatz 3a oder Absatz 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch geltenden Erstattungsbetrag und dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis einschließlich der zu viel entrichteten Zuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung und der zu viel entrichteten Umsatzsteuer verlangen. Der pharmazeutische Unternehmer hat den Anspruch nach Satz 5 innerhalb von zehn Tagen nach seiner Geltendmachung zu erfüllen. Der Anspruch nach Satz 4 oder Satz 5 besteht nicht im Fall des Erwerbs eines Arzneimittels durch Apotheken oder Großhändler.
- Bei Arzneimitteln, die im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, durch Apotheken abgegeben werden und die zu diesem Zweck nach § 47 Absatz 1 Nummer 3c bevorratet wurden, gilt als Grundlage für die nach Absatz 2 festzusetzenden Preise und Preisspannen der Länderabgabepreis. Entsprechendes gilt für Arzneimittel, die aus für diesen Zweck entsprechend bevorrateten Wirkstoffen in Apotheken hergestellt und in diesen Fällen abgegeben werden. In diesen Fällen gilt Absatz 2 Satz 2 auf Länderebene.
Regelung der Arzneimittelpreise: Einheitspreise, Rabattverträge und Sonderregelungen
Das Ziel von § 78 AMG ist es, einen rechtlichen Rahmen für die Preisbildung von Arzneimitteln zu schaffen. Dies betrifft insbesondere verschreibungspflichtige Arzneimittel und legt fest, wie Preise gebildet, angepasst und in Ausnahmesituationen geregelt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Sicherstellung einheitlicher Apothekenabgabepreise, wodurch Preiswettbewerb bei verschreibungspflichtigen Medikamenten verhindert und die flächendeckende Versorgung gesichert wird.
Festlegung und Anpassung von Preisen
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (heute: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, BMWK) ist ermächtigt, per Rechtsverordnung Preise für verschiedene Stufen des Arzneimittelvertriebs festzulegen:
- Preisspannen im Großhandel und bei Apotheken
- Preise für in Apotheken hergestellte Arzneimittel und Abgabegefäße
- Preise für besondere Leistungen der Apotheken
Die Preisfestsetzung erfolgt stets im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und grundsätzlich mit Zustimmung des Bundesrates. Eine Ausnahme besteht bei der Anpassung von Festzuschlägen, die nicht dem Notdienst dienen – diese Anpassung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Die Preisvorschriften für den Großhandel … gelten auch für pharmazeutische Unternehmer … bei der Abgabe an Apotheken
Somit sind auch Hersteller und bestimmte Händler einbezogen, wenn Arzneimittel an Apotheken zur Abgabe an den Endverbraucher geliefert werden.
Einheitlicher Apothekenabgabepreis
Ein zentrales Prinzip ist die Einheitlichkeit des Apothekenabgabepreises. Für Arzneimittel, „die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind“ (also verschreibungspflichtige Medikamente), ist sicherzustellen, dass Verbraucher*innen bundesweit denselben Preis zahlen. Dadurch wird ein Preiswettbewerb unter Apotheken verhindert, der die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährden könnte.
Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis … ist zu gewährleisten.
Diese Regel gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die privat – also nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung – abgegeben werden.
Rolle der pharmazeutischen Unternehmer
Pharmazeutische Unternehmer (also typischerweise der Hersteller oder Inhaber der Zulassung) müssen für die betroffenen Arzneimittel einen einheitlichen Abgabepreis sicherstellen und diesen bekanntgeben. Für OTC-Präparate, die zu Lasten der GKV abgegeben werden, muss der Preis zur Abrechnung angegeben werden, darf aber im Einzelfall abweichen.
Rabattverträge und Preisnachlässe
Sozialleistungsträger (Gesetzliche Krankenkassen), private Krankenversicherungen und deren Verbände dürfen mit pharmazeutischen Unternehmern Preisnachlässe für verschreibungspflichtige Arzneimittel vereinbaren. Das bedeutet: Der einheitliche Apothekenabgabepreis bleibt offiziell erhalten, Krankenkassen können jedoch durch Rabattverträge günstigere Konditionen aushandeln.
Erstattungsbeträge (§ 130b SGB V)
Für Arzneimittel mit einem „Erstattungsbetrag“ nach SGB V, wie etwa nach Abschluss der AMNOG-Nutzenbewertung, gilt:
- Der pharmazeutische Unternehmer gibt das Arzneimittel zum festgelegten Erstattungsbetrag ab.
- Es ist erlaubt, darunter zu bleiben, nicht aber darüber.
- Gehören Patienten nicht zur GKV (z. B. Privatversicherte, Selbstzahler), gilt der gleiche Preis.
- Wurden vor Festsetzung des Erstattungsbetrags höhere Preise gezahlt, regelt das Gesetz einen Ausgleichsanspruch der Käufer, außer bei Apotheken und Großhändlern.
Sonderregelung im Fall einer Pandemie oder epidemischen Lage
Bei Arzneimitteln, die im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit … abgegeben werden … gilt … der Länderabgabepreis.
Kommt es zu einer außergewöhnlichen Krankheitslage, bei der eine über das übliche Maß hinausgehende Bereitstellung von Arzneimitteln notwendig ist (z. B. bei Pandemien), bildet der Länderabgabepreis die Grundlage der Preisbildung. Besonderheit: Die Preisbildung kann hier regional auf Ebene der Bundesländer angepasst werden.
Das betrifft sowohl Fertigarzneimittel als auch in diesen Fällen in Apotheken hergestellte Arzneimittel.
Die Preisbindung verhindert einen ruinösen Preiswettbewerb und garantiert flächendeckende Versorgung. Rabattverträge und Erstattungsbeträge führen zu komplexen Abrechnungswegen, ändern jedoch nichts am Grundsatz der Einheitlichkeit für verschreibungspflichtige Präparate. Sonderregelungen im Pandemiefall schaffen Flexibilität und Versorgungssicherheit.
Zusammenfassung
§ 78 AMG schafft die rechtliche Basis für regulierte, einheitliche Preise verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Er regelt, wer Preise wie festlegt und anpasst, schützt Verbraucher und sichert die Versorgung. Rabattverträge, Erstattungsbeträge und Sonderregelungen machen die Praxis komplexer, bewahren aber stets das Prinzip der fairen, gesicherten Arzneimittelabgabe.
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