§ 69

📖 Zum Gesetz

  1. Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

  2. Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

  3. Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

  4. Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

Systematik der Rechtsbeziehungen – Abschluss- und Bindungswirkung

§ 69 SGB V schafft klare Regeln für alle Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und ihren Vertragspartnern im Gesundheitssystem. Er legt damit die gesetzlichen Spielregeln fest, innerhalb derer Verträge und Absprachen – also zum Beispiel mit Apotheken, Ärzten oder Krankenhäusern – gestaltet werden dürfen.

Was regelt § 69 SGB V genau?

Das wichtigste Stichwort ist hier abschließend:

Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen … zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern …

Bedeutung: Nur die in diesem Kapitel und in den genannten Paragrafen getroffenen Vorschriften gelten für Vertrags- und Rechtsverhältnisse zwischen Krankenkassen und den genannten Akteuren. Es gibt keinen Raum für abweichende, außerhalb des SGB V liegende Regelungen.

Konkret heißt das für die Praxis:

  • Alle Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Krankenkassen z.B. mit Apotheken oder Ärzten finden sich hier.
  • Es gibt keine „Parallelverträge“ außerhalb dieser gesetzlichen Grundlage.

Für Krankenhäuser greift zusätzlich noch das Krankenhausfinanzierungs- und -entgeltgesetz.

Bürgerliches Recht – aber nur soweit es passt

Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend …

Die Regeln des BGB (z.B. Schuldrecht, Vertragsrecht) gelten ergänzend, aber nur dann, wenn sie nicht mit dem SGB V kollidieren oder dessen Zweck widersprechen. Praktisch relevant, weil (Standard‑)Vertragsrecht nicht einfach unreflektiert angewendet werden darf.

Beispiel: Die Regelungen zur Wirksamkeit von Verträgen nach BGB greifen nur, wenn das SGB V nicht ausdrücklich Sonderregeln vorsieht.

Einbindung des Wettbewerbsrechts

Paragraf 69 Abs. 2 stellt klar:

  • Teile des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gelten entsprechend für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern.
  • Ausnahme: Diese Regel gilt nicht, wenn die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet sind, Verträge oder Vereinbarungen zu schließen – in solchen Fällen entfällt die Anwendung des Wettbewerbsrechts.

Diese Differenzierung ist insofern praxisrelevant, als das Wettbewerbsrecht im öffentlichen Gesundheitssektor häufig eine untergeordnete Rolle spielt, wenn zwingendes Sozialrecht zur Anwendung kommt.

Vergaberechtliche Besonderheiten bei öffentlichen Aufträgen

Absätze 3 und 4 behandeln das Thema öffentliche Vergaben durch die Krankenkassen:

Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

Das bedeutet: Krankenkassen müssen beim Einkauf größerer Leistungen die Regeln für öffentliche Auftraggeber beachten.

Gleichzeitig erlaubt § 69 Abs. 4 aber auch, dass bei der Vergabe bestimmter sozialer Dienstleistungen abweichende, einfachere Verfahren möglich sind, sofern Transparenz und Gleichbehandlung gewahrt bleiben. Dies ist insbesondere relevant für Dienstleistungen, die unmittelbar im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden (z.B. Apothekerleistungen).

Die Umsetzung dieser Regeln wird zudem vom Spitzenverband der Krankenkassen kontrolliert und dem Bundesministerium für Gesundheit berichtet.

TipPraxisrelevanz

Wer als Pharmazeut*in Vertragsverhandlungen, Ausschreibungen oder das Verhältnis zur Krankenkasse mitgestaltet, muss wissen:
Das SGB V (und die dort genannten Detailregelungen) ist die zentrale und abschließende Grundlage der Zusammenarbeit. Externe Verträge oder alternative Lösungen sind grundsätzlich nicht zulässig, das Wettbewerbs- und BGB-Recht gilt immer nur ergänzend und sofern es nicht kollidiert.

Zusammenfassung

§ 69 SGB V ist die „Schranke“ und der „Leitfaden“ für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern wie Apotheken. Er regelt klar den Vorrang und die Abschlusswirkung der sozialrechtlichen Vorgaben. Wettbewerbs- und Bürgerliches Recht gelten nur, sofern sie den sozialrechtlichen Vorgaben nicht widersprechen. Beim Abschluss und bei der Durchführung von Verträgen ist daher stets sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit Sonderregeln durch das SGB V oder andere spezifische Gesetze vorgehen.

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