§ 94
- Der pharmazeutische Unternehmer hat dafür Vorsorge zu treffen, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen zum Ersatz von Schäden nachkommen kann, die durch die Anwendung eines von ihm in den Verkehr gebrachten, zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels entstehen, das der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist (Deckungsvorsorge). Die Deckungsvorsorge muss in Höhe der in § 88 Satz 1 genannten Beträge erbracht werden. Sie kann nur
 
- durch eine Haftpflichtversicherung bei einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten unabhängigen Versicherungsunternehmen, für das im Falle einer Rückversicherung ein Rückversicherungsvertrag nur mit einem Rückversicherungsunternehmen, das seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in einem von der Europäischen Kommission auf Grund von Artikel 172 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1) als gleichwertig anerkannten Staat hat, besteht, oder
 - durch eine Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung eines inländischen Kreditinstituts oder eines Kreditinstituts eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erbracht werden.
 
Wird die Deckungsvorsorge durch eine Haftpflichtversicherung erbracht, so gelten die § 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes, sinngemäß.
Durch eine Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung eines Kreditinstituts kann die Deckungsvorsorge nur erbracht werden, wenn gewährleistet ist, dass das Kreditinstitut, solange mit seiner Inanspruchnahme gerechnet werden muss, in der Lage sein wird, seine Verpflichtungen im Rahmen der Deckungsvorsorge zu erfüllen. Für die Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung gelten die § 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes sinngemäß.
Zuständige Stelle im Sinne des § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die für die Durchführung der Überwachung nach § 64 zuständige Behörde.
Die Bundesrepublik Deutschland und die Länder sind zur Deckungsvorsorge gemäß Absatz 1 nicht verpflichtet.
Versicherungspflicht bei Arzneimittelschäden: Deckungsvorsorge für pharmazeutische Unternehmer
Zielsetzung und Hintergrund
§ 94 AMG verpflichtet pharmazeutische Unternehmer dazu, finanzielle Vorsorge zu treffen, damit sie für Schäden haften können, die durch ihre Arzneimittel entstehen. Es handelt sich um eine Pflichtversicherung bzw. eine vergleichbare Deckung, die Risiken aus der Anwendung humanmedizinischer Arzneimittel abdeckt.
Kernpflicht: Obligatorische Deckungsvorsorge
Der pharmazeutische Unternehmer hat dafür Vorsorge zu treffen, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen zum Ersatz von Schäden nachkommen kann, die durch die Anwendung eines von ihm in den Verkehr gebrachten, zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels entstehen…
Die Pflicht zur Deckungsvorsorge erstreckt sich auf alle in Deutschland oder gemäß EU-Vorgaben zugelassenen bzw. zulassungsbefreiten Humanarzneimittel eines pharmazeutischen Unternehmers.
Die Deckungsvorsorge muss in ausreichender Höhe sichergestellt werden, wie sie § 88 Satz 1 AMG vorschreibt (wirtschaftliche Mindestbeträge).
Zulässige Arten der Deckungsvorsorge
Es stehen exakt zwei Möglichkeiten zur Auswahl, wie die Deckungsvorsorge erbracht werden darf:
- Haftpflichtversicherung:
Abschluss einer Versicherung bei einem im Gesetz genannten geeigneten Versicherungsunternehmen. Auch Rückversicherer müssen bestimmte europäische oder als gleichwertig anerkannte Standards erfüllen. - Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung durch ein Kreditinstitut:
Ein Kreditinstitut (aus Deutschland, der EU oder dem EWR) verpflichtet sich, für mögliche Schäden aufzukommen (z.B. Bürgschaft). 
Eine Kombination oder ein anderes Vorgehen ist nicht zulässig.
Kurze Vergleichstabelle der zulässigen Optionen
| Möglichkeit | Voraussetzungen | Rechtsfolgen/Verweise | 
|---|---|---|
| Haftpflichtversicherung | Im Geltungsbereich zugelassenes Versicherungsunternehmen, spezielle Rückversicherungsregeln | Pflichten nach VVG §§ 113, 114–124 | 
| Freistellungs-/Gewährleistungszusage | Zuverlässiges Kreditinstitut, Erfüllung für gesamten Deckungsvorsorge-Zeitraum | Pflichten nach VVG §§ 113, 114–124 | 
Anforderungen bei der Umsetzung
Versicherungsbedingungen: Die klassischen Pflichten aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG, §§ 113, 114–124) gelten sinngemäß, sowohl bei Versicherung als auch bei Kreditinstituten. Das sichert die Verlässlichkeit und Transparenz der Deckung.
Prüfung der Leistungsfähigkeit: Ein Kreditinstitut darf die Verpflichtung nur eingehen, wenn es dauerhaft seine Leistungskraft nachweist.
Wird die Deckungsvorsorge durch eine Haftpflichtversicherung erbracht, so gelten die § 113 Abs. 3 und die §§ 114 bis 124 des Versicherungsvertragsgesetzes, sinngemäß.
Zuständigkeiten im Überwachungsfall
Für die Aufsicht und ggf. Abwicklung ist die nach § 64 AMG zuständige Behörde benannt. Diese übernimmt die Funktionen nach VVG § 117 Abs. 2.
Ausnahmen und Sonderfälle
Einzige explizite Ausnahme: > Die Bundesrepublik Deutschland und die Länder sind zur Deckungsvorsorge gemäß Absatz 1 nicht verpflichtet.
Dies betrifft öffentliche Stellen bei eigenverantwortlichem Arzneimittelvertrieb.
Pharmazeutische Unternehmer müssen vor jedem Inverkehrbringen eines zulassungspflichtigen oder zulassungsbefreiten Arzneimittels für Menschen zwingend eine angemessene Deckungsvorsorge (Versicherung oder Bankbürgschaft) nachweisen. Andernfalls droht ein Berufsverbot für den jeweiligen Bereich – und die persönliche Haftung für entstandene Arzneimittelschäden.
Zusammenfassung
- Jeder pharmazeutische Unternehmerin benötigt zwingend eine Deckungsvorsorge für Haftungsfälle.
 - Zwei anerkannte Varianten: Haftpflichtversicherung oder Bankbürgschaft bei qualifizierten Anbietern.
 - Die Pflichten richten sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz.
 - Zuständige Landesbehörde überwacht die Einhaltung.
 - Bund und Länder selbst sind von dieser Pflicht ausgenommen.
 
Diese Vorschrift ist ein zentrales Element des Patientenschutzes und dient sowohl dem Unternehmens- als auch dem Verbraucherschutz im Arzneimittelrecht.
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