§ 72a

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  1. Der Einführer darf Arzneimittel oder Wirkstoffe nur einführen, wenn
  1. die zuständige Behörde des Herstellungslandes durch ein Zertifikat bestätigt hat, dass die Arzneimittel oder Wirkstoffe entsprechend anerkannten Grundregeln für die Herstellung und die Sicherung ihrer Qualität der Europäischen Union oder nach Standards, die diesen gleichwertig sind, hergestellt werden, die Herstellungsstätte regelmäßig überwacht wird, die Überwachung durch ausreichende Maßnahmen, einschließlich wiederholter und unangekündigter Inspektionen, erfolgt und im Falle wesentlicher Abweichungen von den anerkannten Grundregeln die zuständige Behörde informiert wird, und solche Zertifikate für Arzneimittel und Wirkstoffe, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind, oder Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, gegenseitig anerkannt sind,
  2. die zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die genannten Grundregeln bei der Herstellung und der Sicherung der Qualität der Arzneimittel sowie der dafür eingesetzten Wirkstoffe, soweit sie menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind, oder Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, oder bei der Herstellung der Wirkstoffe eingehalten werden oder
  3. die zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die Einfuhr im öffentlichen Interesse liegt. Bei hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut mit Ausnahme solcher zur unmittelbaren Anwendung und solcher, die zur gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind, hat die einführende Einrichtung die in Anhang III Teil B der Richtlinie (EU) 2015/566 genannte Dokumentation bereitzuhalten und auf Verlangen der zuständigen Behörde zu übermitteln. Die zuständige Behörde darf eine Bescheinigung nach
  4. Satz 1 Nummer 2 nur ausstellen, wenn ein Zertifikat nach Satz 1 Nummer 1 nicht vorliegt und a) sie oder eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sich regelmäßig im Herstellungsland vergewissert hat, dass die genannten Grundregeln bei der Herstellung der Arzneimittel oder Wirkstoffe eingehalten werden, oder b) mit einem Staat ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Guten Herstellungspraxis im Arzneimittelbereich mit der Europäischen Union besteht und die zuständige Behörde dieses Staates sich regelmäßig vergewissert hat, dass die genannten Grundregeln bei der Herstellung der Arzneimittel oder Wirkstoffe in dem Hoheitsgebiet dieses Staates eingehalten werden, oder c) mit einem Staat ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Guten Herstellungspraxis im Arzneimittelbereich mit der Europäischen Union besteht, das auch die gegenseitige Anerkennung von Inspektionen in Drittstaaten umfasst, und die zuständige Behörde des Staates, mit dem ein solches Abkommen besteht, sich regelmäßig im Herstellungsland vergewissert hat, dass die genannten Grundregeln bei der Herstellung der Arzneimittel oder Wirkstoffe eingehalten werden,
  5. Satz 1 Nummer 3 nur erteilen, wenn ein Zertifikat nach Satz 1 Nummer 1 nicht vorliegt und eine Bescheinigung nach Satz 1 Nummer 2 nicht vorgesehen oder nicht möglich ist.

(1a) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für 1. Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind, Hilfspräparate im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 8 und 10 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder Arzneimittel, die zur Anwendung im Rahmen eines Härtefallprogramms bestimmt sind, 2. Arzneimittel menschlicher Herkunft zur unmittelbaren Anwendung oder hämatopoetische Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut, die zur gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind, 3. Wirkstoffe, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind und für die Herstellung von nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik herzustellenden Arzneimitteln bestimmt sind, 4. Wirkstoffe, die Stoffe nach § 3 Nummer 1 bis 3 sind, soweit sie den Anforderungen der Guten Herstellungspraxis gemäß den Grundsätzen und Leitlinien der Europäischen Kommission nicht unterliegen, 5. Gewebe im Sinne von § 1a Nummer 4 des Transplantationsgesetzes, 6. autologes Blut zur Herstellung von biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukten, 7. Gewebezubereitungen im Sinne von § 20c und 8. Wirkstoffe, die in einem Staat hergestellt und aus diesem eingeführt werden, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist und der in der von der Europäischen Kommission veröffentlichten Liste nach Artikel 111b der Richtlinie 2001/83/EG aufgeführt ist.

(1b) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 für Wirkstoffe, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind, oder für Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, enthaltenen Regelungen gelten entsprechend für andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe menschlicher Herkunft.

(1c) Arzneimittel und Wirkstoffe, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind oder Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, sowie andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe menschlicher Herkunft, ausgenommen die in Absatz 1a Nr. 1 und 2 genannten Arzneimittel, dürfen nicht auf Grund einer Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 eingeführt werden.

(1d) Absatz 1 Satz 1 findet auf die Einfuhr von Wirkstoffen sowie anderen zur Arzneimittelherstellung bestimmten Stoffen menschlicher Herkunft Anwendung, soweit ihre Überwachung durch eine Rechtsverordnung nach § 54 geregelt ist.

(1e) Die zuständige Behörde stellt dem Inhaber der Erlaubnis nach § 72 Absatz 4 Satz 2 eine Bescheinigung nach Maßgabe des Anhangs II der Richtlinie (EU) 2015/566 aus, wenn ein Zertifikat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorliegt oder die Voraussetzungen für eine Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 erfüllt sind.

  1. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Arzneimittel oder zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden können, nicht eingeführt werden dürfen, sofern dies zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder zur Risikovorsorge erforderlich ist.

  2. Das Bundesministerium wird ferner ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die weiteren Voraussetzungen für die Einfuhr von den unter Absatz 1a Nr. 1 und 2 genannten Arzneimitteln, zu bestimmen, sofern dies erforderlich ist, um eine ordnungsgemäße Qualität der Arzneimittel zu gewährleisten. Es kann dabei insbesondere Regelungen zu den von der sachkundigen Person nach § 14 durchzuführenden Prüfungen und der Möglichkeit einer Überwachung im Herstellungsland durch die zuständige Behörde treffen.

  3. (weggefallen)

Überblick und Zielsetzung

§ 72a AMG regelt die Einfuhr von Arzneimitteln und Wirkstoffen aus Drittstaaten, also Staaten außerhalb der EU/des EWR. Im Zentrum stehen verbindliche Zertifikate und Nachweise, die sicherstellen, dass importierte Produkte denselben strengen Qualitätsstandards genügen wie in der EU hergestellte. Der Paragraph legt genau fest, welche behördlichen Bestätigungen für eine legale Einfuhr erforderlich sind, wie Zertifikate anerkannt werden und welche Ausnahmen bestehen. Dies betrifft insbesondere die internationale Zusammenarbeit und die Kontrolle behördlicher Standards.

Einfuhrvoraussetzungen: Zertifikate und Nachweise

Importierende Unternehmen dürfen Arzneimittel oder Wirkstoffe nur einführen, wenn sie bestimmte behördliche Nachweise vorlegen können. Grundsätzlich gibt es dabei drei Wege, wie die Vorgaben erfüllt werden können:

  1. Weg 1

    die zuständige Behörde des Herstellungslandes durch ein Zertifikat bestätigt hat, dass die Arzneimittel oder Wirkstoffe entsprechend anerkannten Grundregeln für die Herstellung und die Sicherung ihrer Qualität der Europäischen Union oder nach Standards, die diesen gleichwertig sind, hergestellt werden […]

    • Dies ist der Regel-Fall: Ein offizielles Zertifikat aus dem Herstellungsland wird vorgelegt, das die Herstellung nach EU-Standards (GMP) oder gleichwertigen Maßstäben (inkl. laufender Überwachung und unangekündigter Inspektionen) bestätigt.
    • Für einige Wirkstoffe/Arzneimittel (z.B. menschlicher, tierischer, mikrobieller Herkunft oder gentechnisch hergestellt) müssen diese Zertifikate gegenseitig anerkannt werden.
  2. Weg 2

    die zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die genannten Grundregeln bei der Herstellung und der Sicherung der Qualität […] eingehalten werden

    • Dieser Weg kommt nur dann zur Anwendung, wenn ein Zertifikat nach Punkt 1 nicht vorliegt. Voraussetzung: Die zuständige (deutsche oder gleichwertige europäische) Behörde hat sich vor Ort überzeugt, dass die Herstellungsbedingungen den EU-Anforderungen entsprechen.
    • Außerdem möglich, wenn ein Anerkennungsabkommen (“Mutual Recognition Agreement”) zwischen der EU und dem Drittstaat besteht.
  3. Weg 3

    die zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die Einfuhr im öffentlichen Interesse liegt.

    • Greift nur als Ausnahmeregelung, falls beide obigen Nachweise nicht möglich sind. Diese “Öffentliches-Interesse-Bescheinigung” ist streng limitiert und darf für besonders sensible Produktgruppen nicht verwendet werden (siehe unten!).
Nachweisweg Anwendung/Zulässigkeit Typische Beispiele/Anforderungen
Zertifikat der ausländischen Behörde Regelfall GMP-Standard, Überwachung gesichert
Bescheinigung durch EU-Behörde etc. Zertifikat nicht vorhanden, regelmäßige Prüfung im Herstellungsland EU/EWR-Behörde oder MRA-Staat nachgewiesene Standards
“Öffentliches Interesse”-Bescheinigung Ausnahme, beide o.g. Wege unmöglich Sehr restriktiv, nicht bei sensiblen Produkten

Gegenseitige Anerkennung & internationale Zusammenarbeit

Insbesondere durch MRAs (Mutual Recognition Agreements) kann die EU die Einhaltung ihrer Qualitätsstandards in bestimmten Drittstaaten als gleichwertig anerkennen. Dadurch verteilen sich Prüfungen, Inspektionen und Zertifikatsanerkennung auf verschiedene Behörden, was den Import erleichtern kann, sofern Vertrauen in die ausländische Überwachung besteht.

Sonderregelungen & Dokumentationspflichten

Hämatopoetische Stammzellen

Bestimmte sensible Produkte wie hämatopoetische Stammzellen erfordern zusätzliche Dokumentationspflichten:

… hat die einführende Einrichtung die […] genannte Dokumentation bereitzuhalten und auf Verlangen der zuständigen Behörde zu übermitteln.

Übertragbarkeit und Erweiterung der Regelungen

Für andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe menschlicher Herkunft gilt das gleiche Schutzniveau wie für Wirkstoffe spezieller Herkunft (tierisch, menschlich, mikrobiell).

Ausnahmen von den Nachweispflichten

§ 72a sieht zentrale Ausnahmen von den oben beschriebenen Anforderungen vor (Abs. 1a). Dazu zählen u.a.:

  • Arzneimittel, die für die klinische Prüfung gedacht sind oder Einsatz im Härtefallprogramm finden -:Unmittelbar für einen Patientin bestimmte Arzneimittel oder hämatopoetische Stammzellen
  • Wirkstoffe zur Herstellung bestimmter homöopathischer Arzneimittel
  • Arzneimittel/Bestandteile aus bestimmten Drittstaaten auf einer von der EU-Kommission anerkannten Liste
  • Spezielle Gewebe und Gewebezubereitungen

Für diese Ausnahmen gelten keine oder abweichende Nachweispflichten – maßgeblich sind jeweils die genauen gesetzlichen Verweise und Bedingungen.

Besondere Einschränkungen

Produkte, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind, oder gentechnisch hergestellt werden, dürfen nicht über die “Öffentliches Interesse”-Bescheinigung eingeführt werden (Abs. 1c).

Handlungsspielräume & Ermächtigungen

  • Das Bundesministerium kann in besonderen Fällen per Rechtsverordnung den Import einzelner Stoffgruppen beschränken, falls Gesundheitsgefahren drohen.
  • Ebenso kann es für bestimmte Ausnahmen (Abs. 1a) weitere Detailvorgaben zum Nachweis und Prüfungserfordernissen machen.
TipWichtig für die Anwendungspraxis
  • Ohne gültiges Zertifikat oder (richtige) behördliche Bescheinigungen kein legaler Import aus Drittstaaten!
  • Die Übergänge zwischen “Zertifikat”, “Bescheinigung” und “öffentlichem Interesse” sind streng geregelt und dürfen nur im Notfall beschritten werden.
  • Sensible Arzneimittelgruppen dürfen nicht über den Ausnahmeweg (“öffentliches Interesse”) importiert werden.
  • Beachte: Die Verantwortung für das Vorliegen und Prüfen der Nachweise liegt beim Importeur!

Zusammenfassung

§ 72a AMG bildet eine zentrale Hürde für den Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen aus Drittländern: Die Qualitätssicherung basiert auf klar geregelten Zertifikaten und Nachweisen, die von Behörden im In- und Ausland ausgestellt werden. Die gegenseitige Anerkennung sowie spezifische Ausnahmeregeln tragen zur internationalen Arzneimittelsicherheit bei. Nur wer die jeweiligen behördlichen Bestätigungen sorgfältig beachtet, handelt rechtssicher und bewahrt die Arzneimittelqualität für Patient*innen in Deutschland.

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