§ 106
Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.
Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch
- arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
 - arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b. Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.
 
Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.
Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.
Wirtschaftlichkeitsprüfung – Kernelement der vertragsärztlichen Versorgung
§ 106 SGB V regelt die Überwachung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, insbesondere in der ambulanten Versorgung. Der Fokus liegt auf der systematischen Kontrolle, ob ärztliche Leistungen und Verordnungen wirtschaftlich, d.h. zweckmäßig, ausreichend, notwendig und sparsam erbracht werden. Dies betrifft u.a. auch den gezielten Umgang mit Arzneimittelverordnungen aus pharmazeutischer Perspektive.
Wer überwacht und wie?
Für die Überwachung sind die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen zuständig. Sie tun dies durch:
- Beratungen (präventiv und informativ)
 - Prüfungen (über Datenanalysen und ggf. Einzelfallprüfungen)
 
Die Details legen die Partner – Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und Kassenärztliche Vereinigungen – gemeinsam fest.
„Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen.“
Ferner können die Vertragspartner eine Prüfungsstelle beauftragen. Diese erhält relevante Daten und ist insbesondere für Verordnungen außerhalb der klassischen vertragsärztlichen Versorgung zuständig.
Was wird geprüft?
Es gibt zwei Prüfbereiche:
- Arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen (vgl. § 106a SGB V)
 - Arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen (z.B. Arzneimittel, vgl. § 106b SGB V)
 
Alle Prüfungen beruhen auf Daten, die regelmäßig und strukturiert übermittelt werden müssen. Werden Daten angezweifelt, erfolgt eine Stichprobenprüfung und statistische Hochrechnung.
„Die Prüfungsstelle […] rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.“
Pharmazeutisches Fachpersonal ist besonders im Bereich der ärztlich verordneten Leistungen einbezogen: Die Zulässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Abgabe von Arzneimitteln kann geprüft werden. Auffällige oder unwirtschaftliche Verordnungsgewohnheiten können Maßnahmen nach sich ziehen – dies betrifft ärztliche Dokumentation sowie die Abgabe durch die Apotheke.
Ablauf und Fristen der Prüfung
Die Prüfungsstelle bereitet Daten auf, beurteilt die Wirtschaftlichkeit und entscheidet z.B. über:
- Nachforderungen
 - Honorarkürzungen
 
Fristen sind entscheidend:
- Prüfungen von Amts wegen: Entscheidung binnen zwei Jahren nach Leistungs-/Honorarbescheid.
 - Prüfungen auf Antrag: Antragstellung spätestens 18 Monate nach Honorarbescheid (bei ärztlichen Leistungen) bzw. nach Ablauf des Kalenderjahres der Verordnung (bei ärztlich verordneten Leistungen). Entscheidung dann innerhalb von zwölf Monaten nach Fristende.
 
Vor weitergehenden Maßnahmen soll stets eine Beratung, z.B. auf Grundlage von Übersichten zu Verordnungsverhalten, erfolgen.
Verantwortlichkeit und Sanktionen
„Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang […] durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder […] für eine ordnungsgemäße Umsetzung.“
Das bedeutet: Die Leitung der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen trägt persönlich Verantwortung – auch finanziell – falls Prüfungen nicht korrekt oder fristgerecht ablaufen beziehungsweise relevante Daten fehlen. Die Aufsichtsbehörde kann Sanktionen bzw. Schadensersatzforderungen gegen Verantwortliche anstoßen.
Anwendungsbereich
Die Vorschriften gelten sinngemäß auch für ambulante und belegärztliche Leistungen im Krankenhaus.
Zusammenfassung
§ 106 SGB V regelt einen zentralen Kontrollmechanismus des deutschen Gesundheitswesens: Die Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen und Verordnungen wird datengestützt überwacht und bei Auffälligkeiten geprüft. Dies betrifft unmittelbar auch das pharmazeutische Personal, da Arzneimittelverordnungen in diesen Prüfprozess eingebunden sind. Präventive Beratungen und die Einhaltung von Fristen spielen eine entscheidende Rolle. Verantwortliche Vorstandsmitglieder haften bei Pflichtverstößen persönlich. Die Regelungen sind dabei sowohl auf den ambulanten Bereich als auch auf bestimmte Krankenhausleistungen anwendbar.
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