§ 28
Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.
Wird festgestellt, dass eine Person in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt, dessen verdächtig oder ansteckungsverdächtig ist, kann die zuständige Behörde Personen, die weder einen Impfschutz, der den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entspricht, noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliches Zeugnis nachweisen können, die in § 34 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Verbote erteilen, bis eine Weiterverbreitung der Krankheit in der Gemeinschaftseinrichtung nicht mehr zu befürchten ist.
Für Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 16 Abs. 5 bis 8, für ihre Überwachung außerdem § 16 Abs. 2 entsprechend.
Bedeutung der behördlichen Schutzmaßnahmen nach § 28 IfSG
§ 28 IfSG bildet die rechtliche Grundlage für schnelle und wirksame Maßnahmen der zuständigen Behörden bei Auftreten übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung. Der Paragraph regelt, wer, wann und unter welchen Bedingungen zum Schutz der Allgemeinheit eingeschränkt oder zu bestimmten Verhaltensweisen verpflichtet werden kann.
Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen
Behörden werden dann aktiv, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider ermittelt werden oder ein Verstorbener diese Eigenschaften aufwies.
Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt […]
Die Maßnahmen dienen immer dazu, die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern und müssen erforderlich sowie zeitlich begrenzt sein.
Arten und Beispiele behördlicher Eingriffe
Die zuständigen Behörden haben einen rechtlichen Spielraum bei der Wahl der Mittel. Vorrangig werden die in §§ 28a, 28b und 29 bis 31 IfSG genannten Schutzmaßnahmen umgesetzt. Typische Maßnahmen sind beispielsweise:
- Quarantäne: Verpflichtung, den aktuellen Aufenthaltsort nicht zu verlassen (z.B. 14 Tage häusliche Isolation bei Kontakt zu COVID-19-Infizierten).
 - Betretungsverbote: Untersagung, bestimmte Orte (z.B. Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Kitas) zu betreten.
 - Veranstaltungsverbote/Beschränkungen: Absage oder Beschränkung von Großveranstaltungen oder privaten Feiern zur Verhinderung von Ansteckungen.
 - Schließung von Einrichtungen: Temporäre Schließung von Badeanstalten, Schulen, Kitas oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen.
 
sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen […]
- Quarantäne: Ein Schüler ist positiv auf Masern getestet. Die Behörde ordnet an, dass er zehn Tage lang die Wohnung nicht verlassen darf.
 - Veranstaltungsverbote: Im Rahmen einer Pandemie verbietet die Behörde alle lokalen Sportevents mit über 100 Teilnehmern, um Superspreading-Ereignisse zu vermeiden.
 - Schließung von Einrichtungen: Aufgrund eines Ausbruchs werden alle Kindertagesstätten im betroffenen Gebiet vorübergehend geschlossen.
 
Eine zentrale Einschränkung ist, dass eine Heilbehandlung nicht gegen den Willen angewiesen werden darf.
Einschränkung von Grundrechten
Die im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen getroffenen Anordnungen können die Grundrechte der betroffenen Personen maßgeblich einschränken. Dazu gehören insbesondere:
- körperliche Unversehrtheit
 - persönliche Freiheit
 - Versammlungsfreiheit
 - Freizügigkeit im Bundesgebiet
 - Unverletzlichkeit der Wohnung
 
Diese dürfen jedoch nur im notwendigen Rahmen eingeschränkt werden.
Sonderfall: Masern in Gemeinschaftseinrichtungen
Wird etwa Masern in einer Gemeinschaftseinrichtung (z.B. Schule, Kindergarten) festgestellt, so kann die Behörde für Personen ohne nachgewiesenen Impfschutz (STIKO-Konformität) oder ärztlich bestätigte Immunität ein Betretungsverbot aussprechen.
…kann die zuständige Behörde Personen, die weder einen Impfschutz […] noch eine Immunität […] nachweisen können, […] Verbote erteilen […]
Das Verbot gilt für die Zeit, in der eine Weiterverbreitung der Masern zu befürchten ist.
Rechtliche Grundlage und Überwachung
Maßnahmen nach § 28 werden rechtlich durch die Vorschriften in § 16 IfSG flankiert – das betrifft insbesondere die Anordnung, Durchführung und Überwachung der Maßnahmen.
Übersicht: Mögliche behördliche Schutzmaßnahmen
| Maßnahme | Situation | Zweck/Beispiel | 
|---|---|---|
| Quarantäne | Kontakt/Infektion | Isolation von Kontaktpersonen bei COVID-19 | 
| Maskenpflicht | Ausbruch/Pandemie | Maskenpflicht im öffentlichen Raum bei hohem Infektionsgeschehen | 
| Veranstaltungsverbot | Ausbruch | Untersagung von Großveranstaltungen bei Grippewelle/Masern | 
| Schließung von Einrichtungen | Ausbruch in Kita/Schule | Vorübergehende Schließung bei Masernfällen im Kindergarten | 
Zusammenfassung
§ 28 IfSG ist die zentrale Ermächtigungsnorm für kurzfristige behördliche Schutzmaßnahmen bei Auftreten übertragbarer Krankheiten. Die zuständige Behörde darf – unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und der Einschränkung bestimmter Grundrechte – gezielte Maßnahmen wie Quarantäne, Veranstaltungsverbote, Betretungsverbote und Schließungen anordnen. Schwerpunkt ist stets die Verhinderung der Weiterverbreitung von Krankheiten unter besonderem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Für spezielle Konstellationen, wie Masernausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen, gelten ergänzend eigene Regelungen.
Die praktische Umsetzung ist immer an den Einzelfall, die Gefährdungslage und den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse gebunden.
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