§ 21a
- Gewebezubereitungen, die nicht mit industriellen Verfahren be- oder verarbeitet werden und deren wesentliche Be- oder Verarbeitungsverfahren in der Europäischen Union hinreichend bekannt und deren Wirkungen und Nebenwirkungen aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie abweichend von der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 von der zuständigen Bundesoberbehörde genehmigt worden sind. Dies gilt auch im Hinblick auf Gewebezubereitungen, deren Be- oder Verarbeitungsverfahren neu, aber mit einem bekannten Verfahren vergleichbar sind. Satz 1 gilt entsprechend für hämatopoetische Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut, die zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind. Die Genehmigung umfasst die Verfahren für die Gewinnung, Verarbeitung und Prüfung, die Spenderauswahl und die Dokumentation für jeden Verfahrensschritt sowie die quantitativen und qualitativen Kriterien für Gewebezubereitungen. Insbesondere sind die kritischen Verfahrensschritte daraufhin zu bewerten, dass die Funktionalität und die Sicherheit der Gewebe gewährleistet sind.
 
(1a) Einer Genehmigung nach Absatz 1 bedarf es nicht für Gewebezubereitungen, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind.
- Dem Antrag auf Genehmigung sind vom Antragsteller folgende Angaben und Unterlagen beizufügen:
 
- der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und der Be- oder Verarbeiter,
 - die Bezeichnung der Gewebezubereitung,
 - die Bestandteile der Gewebezubereitung nach Art, Darreichungsform und Packungsgröße,
 - die Anwendungsgebiete sowie die Art der Anwendung und bei Gewebezubereitungen, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung,
 - Angaben über die Gewinnung der Gewebe und die für die Gewinnung erforderlichen Laboruntersuchungen,
 - Angaben zur Herstellungsweise, einschließlich der Be- oder Verarbeitungsverfahren, der Prüfverfahren mit ihren Inprozess- und Endproduktkontrollen sowie der Verwendung von Elektronen-, Gamma- oder Röntgenstrahlen,
 - Angaben über die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung und Lagerung der Gewebezubereitung,
 - Angaben zur Funktionalität und zu den Risiken der Gewebezubereitung,
 - Unterlagen über die Ergebnisse von mikrobiologischen, chemischen, biologischen oder physikalischen Prüfungen sowie über die zur Ermittlung angewandten Methoden, soweit diese Unterlagen erforderlich sind,
 - Unterlagen über Ergebnisse von pharmakologischen und toxikologischen Versuchen,
 - eine Nutzen-Risiko-Bewertung,
 - alle für die Bewertung des Arzneimittels zweckdienlichen Angaben und Unterlagen sowie
 - bei hämatopoetischen Stammzellzubereitungen zusätzlich Angaben zur Dosierung und zur Menge des Wirkstoffs. Die Ergebnisse und Angaben nach Satz 1 Nummer 7 bis 10 sowie die Ergebnisse von klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen Erprobungen sind so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Untersuchungen hervorgehen. § 22 Absatz 4, 5 und 7 Satz 1 gilt entsprechend.
 
Für die Angaben nach Absatz 2 Nummer 4, 8 und 10 kann wissenschaftliches Erkenntnismaterial eingereicht werden, das auch in nach wissenschaftlichen Methoden aufbereitetem medizinischen Erfahrungsmaterial bestehen kann. Hierfür kommen Studien des Herstellers der Gewebezubereitung, Daten aus Veröffentlichungen oder nachträgliche Bewertungen der klinischen Ergebnisse der hergestellten Gewebezubereitungen in Betracht.
Die zuständige Bundesoberbehörde hat eine Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung innerhalb einer Frist von fünf Monaten zu treffen. Wird dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, Mängeln abzuhelfen, so werden die Fristen bis zur Behebung der Mängel oder bis zum Ablauf der für die Behebung gesetzten Frist gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag, an dem dem Antragsteller die Aufforderung zur Behebung der Mängel zugestellt wird.
Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Genehmigung schriftlich unter Zuteilung einer Genehmigungsnummer. Sie kann die Genehmigung mit Auflagen verbinden. § 28 und § 34 finden entsprechende Anwendung.
Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Genehmigung nur versagen, wenn
- die vorgelegten Unterlagen unvollständig sind,
 - die Gewebezubereitung nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht,
 - die Gewebezubereitung nicht die vorgesehene Funktion erfüllt oder das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist oder
 - das Inverkehrbringen der Gewebezubereitung gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
 
- Der Antragsteller oder nach der Genehmigung der Inhaber der Genehmigung hat der zuständigen Bundesoberbehörde unter Beifügung entsprechender Unterlagen unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn sich Änderungen in den Angaben und Unterlagen nach den Absätzen 2 und 3 ergeben. Der Inhaber der Genehmigung ist verpflichtet, die zuständige Bundesoberbehörde zu informieren, wenn neue oder veränderte Risiken bei der Gewebezubereitung bestehen oder sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Gewebezubereitung geändert hat. § 29 Absatz 1a, 1d und 2 ist entsprechend anzuwenden. Folgende Änderungen dürfen erst vollzogen werden, wenn die zuständige Bundesoberbehörde zugestimmt hat:
 
- eine Änderung der Angaben über die Art oder die Dauer der Anwendung oder die Anwendungsgebiete,
 - eine Einschränkung der Risiken,
 - eine Änderung der Hilfsstoffe nach Art oder Menge,
 - eine Änderung der Darreichungsform,
 - eine Änderung der Angaben über die Gewinnung der Gewebe oder die für die Gewinnung erforderlichen Laboruntersuchungen,
 - eine Änderung des Be- oder Verarbeitungsverfahrens oder des Prüfverfahrens,
 - eine Änderung der Art der Haltbarmachung oder eine Verlängerung der Haltbarkeit,
 - eine Änderung der Art der Aufbewahrung oder Lagerung der Gewebezubereitung und
 - bei hämatopoetischen Stammzellzubereitungen zusätzlich eine Änderung der Angaben über die Dosierung oder die Menge des Wirkstoffs. Die Entscheidung über den Antrag auf Zustimmung muss innerhalb von drei Monaten ergehen. § 27 Absatz 2 gilt entsprechend.
 
Die Genehmigung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe nach Absatz 6 Nummer 2 bis 4 vorgelegen hat. Sie ist zu widerrufen, wenn einer dieser Versagungsgründe nachträglich eingetreten ist. In beiden Fällen kann auch das Ruhen der Genehmigung befristet angeordnet werden. Vor einer Entscheidung nach den Sätzen 1 bis 3 ist der Inhaber der Genehmigung zu hören, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Ist die Genehmigung zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Genehmigung, so darf die Gewebezubereitung nicht in den Verkehr gebracht und nicht in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.
Abweichend von Absatz 1 bedürfen Gewebezubereitungen und hämatopoetische Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut nach Absatz 1 Satz 3, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht werden dürfen, bei ihrem erstmaligen Verbringen zum Zweck ihrer Anwendung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einer Bescheinigung der zuständigen Bundesoberbehörde. Vor der Erteilung der Bescheinigung hat die zuständige Bundesoberbehörde zu prüfen, ob die Be- oder Verarbeitung der Gewebezubereitungen den Anforderungen an die Entnahme- und Verarbeitungsverfahren, einschließlich der Spenderauswahlverfahren und der Laboruntersuchungen, sowie die quantitativen und qualitativen Kriterien für die Gewebezubereitungen den Anforderungen dieses Gesetzes und seiner Verordnungen entsprechen. Die zuständige Bundesoberbehörde hat die Bescheinigung zu erteilen, wenn sich die Gleichwertigkeit der Anforderungen nach Satz 2 aus der Genehmigungsbescheinigung oder einer anderen Bescheinigung der zuständigen Behörde des Herkunftslandes ergibt und der Nachweis über die Genehmigung in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder dem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vorgelegt wird. Eine Änderung in den Anforderungen nach Satz 2 ist der zuständigen Bundesoberbehörde rechtzeitig vor einem weiteren Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes anzuzeigen. Die Bescheinigung ist zurückzunehmen, wenn eine der Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn eine der Voraussetzungen nach Satz 2 nachträglich weggefallen ist. § 73 Absatz 3a gilt entsprechend.
Überblick: Was regelt dieser Paragraph?
§ 21a AMG betrifft die sogenannten Gewebezubereitungen, die im Gegensatz zu klassischen Fertigarzneimitteln nicht industriell produziert werden. Es geht speziell darum, Sicherheit und Qualität dieser Arzneimittel für Patienten zu gewährleisten. Der Paragraph legt ein alternatives Genehmigungsverfahren für nicht-industriell hergestellte Gewebezubereitungen fest – insbesondere dann, wenn das jeweilige Verfahren bereits in der EU anerkannt und deren Nutzen und Risiken ausreichend wissenschaftlich belegt sind.
Was sind Gewebezubereitungen?
Gewebezubereitungen sind Arzneimittel, die aus menschlichen (manchmal tierischen) Geweben hergestellt werden, zum Beispiel für Transplantationen, Regenerationsmedizin oder spezielle Therapien. Ein besonderer Fokus liegt auf Stammzellzubereitungen, etwa aus peripherem Blut oder Nabelschnurblut.
Voraussetzungen und Verfahren der Genehmigung
Für das Inverkehrbringen solcher Gewebezubereitungen gilt:
Gewebezubereitungen, die nicht mit industriellen Verfahren be- oder verarbeitet werden […] dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie abweichend von der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 von der zuständigen Bundesoberbehörde genehmigt worden sind.
Das bedeutet:
- Auch ohne ein vollständiges Zulassungsverfahren (wie bei neuen Arzneimitteln) ist vorab eine behördliche Genehmigung zwingend nötig.
 - Die Genehmigung umfasst die komplette Prozesskette: von der Gewebegewinnung, über die Verarbeitung, die Spenderauswahl, alle Prüfungen, bis hin zu Dokumentation und Lagerbedingungen.
 - Besonders kritisch bewertet werden die Schritte, die die Funktionalität und Sicherheit der Gewebe beeinflussen.
 
Bevor eine Gewebezubereitung (z.B. Stammzellpräparate für eine bestimmte Person) genutzt wird, muss eine Genehmigung der Bundesoberbehörde (meist das Paul-Ehrlich-Institut) vorliegen. Erst nach dieser Prüfung ist der Vertrieb erlaubt.
Ausnahme: Keine Genehmigung bei klinischen Prüfungen
Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn die Gewebezubereitung ausschließlich für eine klinische Prüfung bestimmt ist. Hierbei greifen separate Regelungen.
Notwendige Angaben und Unterlagen bei Antragstellung
Bei Beantragung der Genehmigung sind umfangreiche Unterlagen einzureichen. Hierzu gehören im Wesentlichen:
- Angaben zu Hersteller/Verarbeiter, Art und Zusammensetzung der Zubereitung
 - Detaillierte Informationen zu Gewinnung, Prüfung, Vorratshaltung und Lagerung
 - Nachweise zum Nutzen-Risiko-Verhältnis sowie zu Funktionalität und Risiken der Gewebezubereitung
 - Werden Stammzellzubereitungen beantragt: zusätzlich Angaben zur Dosierung und Wirkstoffmenge
 
Damit die Behörde sachgerecht prüfen kann, müssen insbesondere der Ablauf und Zeitpunkt aller Untersuchungen dokumentiert sein.
Wissenschaftliches Erkenntnismaterial
Der Gesetzgeber erlaubt für einige Nachweise die Nutzung von wissenschaftlichem Erkenntnismaterial. Das können auch Daten aus der Praxis, veröffentlichte Erfahrungsberichte oder Studien des Herstellers sein – sofern sie wissenschaftlichen Standards entsprechen.
Fristen und Ablauf der Genehmigung
- Die Behörde muss innerhalb von fünf Monaten über die Genehmigung entscheiden (Verlängerungen bei fehlenden Unterlagen möglich).
 - Die Genehmigung wird schriftlich ausgestellt – mit einer eigenen Genehmigungsnummer und ggf. Auflagen.
 
Wann wird eine Genehmigung versagt?
Die Behörde darf nur ablehnen, wenn:
- Unterlagen unvollständig sind,
 - Die Zubereitung nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht,
 - Die Funktion nicht gegeben oder das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist,
 - Gesetzliche oder EU-rechtliche Vorschriften verletzt werden.
 
Änderungen und Informationspflichten
Nach Genehmigung besteht eine umfassende Informations- und Anzeigepflicht:
- Jede wesentliche Änderung (wie Anwendungsgebiete, neue Risiken, Herstellungsschritte) muss der Behörde gemeldet und genehmigt werden.
 - Bei bestimmten Änderungen (z.B. neue Indikation, andere Zusammensetzung, Änderung der Haltbarkeit) darf die Änderung erst nach behördlicher Zustimmung durchgeführt werden.
 
Die Behörde hat dann bis zu drei Monate Zeit zur Entscheidung.
Rücknahme und Widerruf der Genehmigung
Wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung nicht (mehr) vorlagen oder wegfallen, so
- muss die Genehmigung zurückgenommen oder widerrufen werden,
 - darf das Produkt nicht mehr in den Verkehr gebracht werden.
 
Der Inhaber der Genehmigung hat vorher das Recht, angehört zu werden – außer “Gefahr im Verzug”.
Sonderfall: Gewebezubereitungen aus dem EU-/EWR-Ausland
Abweichend von Absatz 1 bedürfen Gewebezubereitungen … die in einem Mitgliedstaat … in den Verkehr gebracht werden dürfen, bei ihrem erstmaligen Verbringen … einer Bescheinigung der zuständigen Bundesoberbehörde.
- Für den Import von Gewebezubereitungen (bzw. Stammzellzubereitungen) aus dem EU-/EWR-Ausland ist keine reguläre Genehmigung, sondern eine spezielle Bescheinigung nötig.
 - Diese Bescheinigung wird nur erteilt, wenn die ausländischen Verfahren (z.B. Gewinnung, Prüfung) den deutschen Anforderungen mindestens gleichwertig sind.
 
Zusammengefasst
§ 21a AMG schafft ein eigenes Verfahren für Gewebezubereitungen, die nicht industriell hergestellt werden:
- Ohne behördliche Genehmigung dürfen solche Präparate nicht in den Verkehr gebracht werden.
 - Es gelten strenge Anforderungen und umfangreiche Dokumentations-, Melde- und Prüfpflichten – insbesondere zur Sicherheit und Funktionalität der Arzneimittel.
 - Importierte Präparate benötigen eine Sonderbescheinigung.
 
Damit trägt § 21a AMG erheblich zur Patientensicherheit und zum kontrollierten Einsatz von Gewebezubereitungen im Gesundheitssystem bei.
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