§ 62

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  1. Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Abweichend von Satz 2 beträgt die Belastungsgrenze 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für nach dem 1. April 1972 geborene chronisch kranke Versicherte, die ab dem 1. Januar 2008 die in § 25 Absatz 1 genannten Gesundheitsuntersuchungen vor der Erkrankung nicht regelmäßig in Anspruch genommen haben. Für Versicherte nach Satz 3, die an einem für ihre Erkrankung bestehenden strukturierten Behandlungsprogramm teilnehmen, beträgt die Belastungsgrenze 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien fest, in welchen Fällen Gesundheitsuntersuchungen ausnahmsweise nicht zwingend durchgeführt werden müssen. Die weitere Dauer der in Satz 2 genannten Behandlung ist der Krankenkasse jeweils spätestens nach Ablauf eines Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst, soweit erforderlich, zu prüfen; die Krankenkasse kann auf den jährlichen Nachweis verzichten, wenn bereits die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind und im Einzelfall keine Anhaltspunkte für einen Wegfall der chronischen Erkrankung vorliegen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten zu Beginn eines Kalenderjahres auf die für sie in diesem Kalenderjahr maßgeblichen Untersuchungen nach § 25 Abs. 1 hinzuweisen. Das Nähere zur Definition einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92.

  2. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nach Absatz 1 werden die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten, seines Ehegatten oder Lebenspartners, der minderjährigen oder nach § 10 versicherten Kinder des Versicherten, seines Ehegatten oder Lebenspartners sowie der Angehörigen im Sinne des § 8 Absatz 4 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte jeweils zusammengerechnet, soweit sie im gemeinsamen Haushalt leben. Hierbei sind die jährlichen Bruttoeinnahmen für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 vom Hundert und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners um 10 vom Hundert der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern. Für jedes Kind des Versicherten und des Lebenspartners sind die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich aus den Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes ergebenden Betrag zu vermindern; die nach Satz 2 bei der Ermittlung der Belastungsgrenze vorgesehene Berücksichtigung entfällt. Zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören nicht Entschädigungszahlungen, die Geschädigte nach dem Vierzehnten Buch oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des Vierzehnten Buches erhalten, Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Entschädigungszahlungen nach dem Vierzehnten Buch sowie der Ausgleich für gesundheitliche Schädigungsfolgen nach dem Soldatenentschädigungsgesetz. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist bei Versicherten,

  1. die Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch oder die Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93 des Vierzehnten Buches oder nach einem Gesetz, das dieses für anwendbar erklärt, erhalten,
  2. bei denen die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe, der Sozialen Entschädigung oder der Soldatenentschädigung getragen werden, sowie für den in § 264 genannten Personenkreis als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches maßgeblich. Bei Versicherten, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch erhalten, ist abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelbedarf nach § 20 Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches maßgeblich. Bei Ehegatten und Lebenspartnern ist ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des Satzes 1 auch dann anzunehmen, wenn ein Ehegatte oder Lebenspartner dauerhaft in eine vollstationäre Einrichtung aufgenommen wurde, in der Leistungen gemäß § 43 oder § 43a des Elften Buches erbracht werden.
  1. Die Krankenkasse stellt dem Versicherten eine Bescheinigung über die Befreiung nach Absatz 1 aus. Diese darf keine Angaben über das Einkommen des Versicherten oder anderer zu berücksichtigender Personen enthalten.

  2. (weggefallen)

  3. (weggefallen)

Überblick und Ziel

§ 62 SGB V regelt die sogenannte Belastungsgrenze bei Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ziel ist es, Versicherte finanziell zu schützen, indem ihre jährlichen Gesamtausgaben für Zuzahlungen auf einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens begrenzt werden.

Was sind Zuzahlungen und die Belastungsgrenze?

Zuzahlungen sind Eigenbeteiligungen, die gesetzlich Krankenversicherte z. B. für Arzneimittel, Hilfsmittel, Krankenhausaufenthalte oder Fahrkosten leisten müssen. Die Belastungsgrenze bestimmt, wie viel ein Versicherter in einem Kalenderjahr maximal aus eigener Tasche zahlen muss.

Höhe und Ermittlung der Belastungsgrenze

Für die meisten Versicherten gilt:

Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt

Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine deutlich niedrigere Grenze:

… beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt.

Wichtige Ausnahmen:

  • Für nach dem 1. April 1972 geborene chronisch Kranke, die vor ihrer Erkrankung die in § 25 Abs. 1 SGB V beschriebenen Gesundheitsuntersuchungen nicht regelmäßig genutzt haben: Weiterhin 2 % Grenze.
  • Wer aber an einem strukturierten Behandlungsprogramm für seine Erkrankung teilnimmt, kann wieder auf 1 % herabgestuft werden.

Bedeutung für die Praxis

Sobald die Belastungsgrenze im Laufe des Jahres erreicht ist, gilt:

… hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind.

Diese Befreiung stellt sicher, dass keine weiteren Eigenanteile mehr gezahlt werden müssen.

Die Definition einer “schwerwiegenden chronischen Erkrankung” regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (§ 92 SGB V).

Zusammenrechnung und Freibeträge

Zur Ermittlung der Belastungsgrenze werden Einkommen und Zuzahlungen aller im Haushalt lebenden Angehörigen zusammengerechnet: Ehegatte/Lebenspartner, Kinder (auch nach § 10 versicherte Kinder) und ggf. weitere Angehörige (§ 8 Abs. 4 KVLG 1989). Je mehr Angehörige im Haushalt, umso höher die Freibeträge:

Angehörige im Haushalt Verminderung des Einkommens zur Berechnung der Belastungsgrenze
Erster Angehöriger 15 % der jährlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV)
Jeder weitere Angehörige 10 % der jährlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV)
Je Kind (Freibetrag EStG § 32) Weitere Reduktion um den steuerlichen Kinderfreibetrag

Bestimmte Entschädigungszahlungen und Renten zählen nicht zum Einkommen.

Sonderfälle: Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger

Für Leistungsberechtigte nach SGB II (Hartz IV) oder SGB XII (Sozialhilfe):

… als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelbedarf maßgeblich.

Das heißt, die Belastungsgrenze basiert auf dem maßgeblichen Regelsatz, nicht auf tatsächlichem Einkommen.

Ablauf im Alltag

  1. Versicherte sammeln alle Nachweise (Quittungen) über Zuzahlungen.
  2. Wird die Belastungsgrenze erreicht, muss dies der Krankenkasse nachgewiesen werden.
  3. Die Krankenkasse stellt eine Befreiungsbescheinigung aus.
  4. Ab diesem Zeitpunkt im Kalenderjahr: Keine weiteren Zuzahlungen mehr.

Die Bescheinigung zur Befreiung darf keine Angaben über das Einkommen enthalten.

TipZentrale Aspekte für die Praxis
  • Die Belastungsgrenze schützt dauerhaft vor finanzieller Überlastung durch Zuzahlungen.
  • Chronisch Kranke (bei Erfüllung der Voraussetzungen) profitieren von besonders niedrigen Eigenbeteiligungen.
  • Sonderregelungen und Freibeträge sorgen für familiengerechte und sozial ausgewogene Ansätze.
  • Die korrekte Sammlung und Einreichung von Belegen ist entscheidend für die Befreiung – hier deutliche Beratung der Versicherten im Apothekenalltag!

Zusammenfassung

§ 62 SGB V garantiert, dass Zuzahlungen in der GKV für Versicherte – abhängig von persönlicher und familiärer Situation – auf ein zumutbares Maß begrenzt bleiben. Die konsequente Anwendung der Belastungsgrenze ist ein wirkungsvolles sozialrechtliches Instrument, das besonders für chronisch Kranke, Familien und einkommensschwache Personen hohe Relevanz hat. Für die pharmazeutische Praxis ist neben der Aufklärung über die Zuzahlungen auch die Hilfestellung beim Erreichen und Nachweis der Belastungsgrenze bedeutsam.

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