§ 36

📖 Zum Gesetz

  1. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen oder Arzneimittel in bestimmten Abgabeformen von der Pflicht zur Zulassung freizustellen, soweit eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit nicht zu befürchten ist, weil die Anforderungen an die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erwiesen sind. Das Bundesministerium kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die zuständige Bundesoberbehörde übertragen. Die Freistellung kann zum Schutz der menschlichen Gesundheit von einer bestimmten Herstellung, Zusammensetzung, Kennzeichnung, Packungsbeilage, Fachinformation oder Darreichungsform abhängig gemacht sowie auf bestimmte Anwendungsarten, Anwendungsgebiete oder Anwendungsbereiche beschränkt werden. Die Angabe weiterer Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen durch den pharmazeutischen Unternehmer ist zulässig.

  2. Bei der Auswahl der Arzneimittel, die von der Pflicht zur Zulassung freigestellt werden, muss den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Heilberufe und der pharmazeutischen Industrie Rechnung getragen werden. In der Wahl der Bezeichnung des Arzneimittels ist der pharmazeutische Unternehmer frei.

  3. Die Rechtsverordnung nach Absatz 1 ergeht im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und, soweit es sich um radioaktive Arzneimittel und um Arzneimittel handelt, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet werden, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.

  4. (weggefallen)

  5. Die der Rechtsverordnung nach Absatz 1 zugrunde liegenden Monographien sind von der zuständigen Bundesoberbehörde regelmäßig zu überprüfen und soweit erforderlich, an den jeweils gesicherten Stand der Wissenschaft und Technik anzupassen. Dabei sind die Monographien daraufhin zu prüfen, ob die Anforderungen an die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einschließlich eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses, für die von der Pflicht zur Zulassung freigestellten Arzneimittel, weiterhin als erwiesen gelten können.

Standardzulassung: Vereinfachte Zulassung für definierte Arzneimittel

Wesentliche Funktion und Zielsetzung

§ 36 AMG regelt die sogenannte Standardzulassung als Sonderweg neben der sonst vorgeschriebenen Einzelzulassung für Arzneimittel. Die Standardzulassung ist auf solche Arzneimittel oder Gruppen beschränkt, bei denen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit als bewiesen gelten. Für diese Produkte kann das Bundesministerium durch Rechtsverordnung festlegen, dass eine Zulassung nicht erforderlich ist („Freistellung von der Pflicht zur Zulassung“).

„soweit eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit nicht zu befürchten ist, weil die Anforderungen an die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erwiesen sind.“

Wie funktioniert die Standardzulassung?

Voraussetzungen

Eine Freistellung erfolgt nur, wenn

  • das Produkt genau beschrieben ist (Monographie) und
  • keine Gesundheitsgefährdung befürchtet werden muss.

Die Freistellung kann an Bedingungen geknüpft sein, z.B. an bestimmte

  • Herstellungsarten,
  • Zusammensetzungen,
  • Kennzeichnungen,
  • Packungsbeilagen oder Fachinformationen,
  • Darreichungsformen,
  • Anwendungsgebiete.

Nicht jede Abweichung vom Standard ist zulässig – nur das, was von der Verordnung exakt umfasst ist, fällt unter die Standardzulassung.

Zuständigkeiten und Verfahrensweise

Das Bundesministerium kann die Regelung per Verordnung treffen (ohne Zustimmung des Bundesrats) und diese Befugnis auf eine Bundesoberbehörde (i.d.R. das BfArM) übertragen. Bei speziellen Arzneimitteln, etwa mit Radioaktivität, sind zusätzliche Ministerien einzubeziehen.

Beteiligte Interessen

Die Auswahl der freigestellten Präparate muss ein Abwägen zugunsten von

  • Arzneimittelverbrauchern,
  • Heilberufen und
  • pharmazeutischer Industrie

darstellen.

„muss den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Heilberufe und der pharmazeutischen Industrie Rechnung getragen werden“

Bedeutung in der Praxis

Für typische Standardzulassungen kommen etwa viele altbewährte Rezeptursubstanzen und klassische Teedrogen infrage. Die Verwendung ist an die Einhaltung der offiziell festgelegten Monographie gebunden („so viel wie Rezeptpflicht, aber nach Vorlage“*). Eine eigenständige, von der offiziell genehmigten Zusammensetzung abweichende Herstellung ist nicht abgedeckt – für solche Varianten bleibt nur die Einzelzulassung.

Hersteller und Anwender profitieren von einem vereinfachten und schnelleren Verfahren. Allerdings müssen sie sicherstellen, dass das Produkt exakt nach den vorgegebenen Kriterien hergestellt und in Verkehr gebracht wird.

An der Produktgestaltung dürfen pharmazeutische Unternehmer zusätzliche Gegenanzeigen, Neben- oder Wechselwirkungen angeben. Die Namensgebung besteht ohne Einschränkung in ihrer Freiheit.

Überwachung und Anpassung

Die für die Standardzulassung maßgeblichen Monographien werden regelmäßig von der Bundesoberbehörde überprüft und dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. Stellt sich heraus, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis kippt oder die Anforderungen an Wirksamkeit/Sicherheit nicht mehr erfüllt sind, kann die Freistellung widerrufen werden.

„Die […] Monographien sind […] regelmäßig zu überprüfen und […] an den jeweils gesicherten Stand der Wissenschaft und Technik anzupassen.“

TipPraxisrelevanz

Für Apotheken bedeutet die Standardzulassung eine erhebliche Entlastung beim Umgang mit bewährten Arzneistoffen: Die Prüfung von Einzelzulassungen entfällt, sofern streng nach Monographie bzw. Verordnung gearbeitet wird. Für Abweichungen ist weiterhin eine klassische Einzelzulassung erforderlich.

Verantwortlichkeiten im Überblick

Akteur Aufgabe/Zuständigkeit
Bundesministerium Erlaubt per Rechtsverordnung die Zulassungsfreistellung
Bundesoberbehörde Führt ggf. Überwachung und Aktualisierung der Monographien durch
Pharmazeut. Unternehmer Muss Vorgaben zur Herstellung, Zusammensetzung und Kennzeichnung einhalten; kann Arzneimittelbezeichnung frei wählen und weitere Warnhinweise aufnehmen

Zusammenfassung

§ 36 AMG bietet mit der Standardzulassung eine praktikable Ausnahme von der Einzelzulassung für klar geregelte, bewährte Arzneimittel. Sie setzt voraus, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach aktuellem wissenschaftlichen Stand belegt sind. Beteiligte müssen die strikten Vorgaben der Freistellung beachten; für jede Abweichung gilt weiter die reguläre Zulassungspflicht. Aufsicht und Weiterentwicklung der maßgeblichen Monographien sichern die fortlaufende Patientensicherheit.

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