§ 20b

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  1. Eine Einrichtung, die zur Verwendung bei Menschen bestimmte Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes gewinnen (Entnahmeeinrichtung) oder die für die Gewinnung erforderlichen Laboruntersuchungen durchführen will, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. Gewinnung im Sinne von Satz 1 ist die direkte oder extrakorporale Entnahme von Gewebe einschließlich aller Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, das Gewebe in einem be- oder verarbeitungsfähigen Zustand zu erhalten, eindeutig zu identifizieren und zu transportieren. Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn
  1. eine angemessen ausgebildete Person mit der erforderlichen Berufserfahrung (verantwortliche Person nach § 20b) nicht vorhanden ist, die, soweit es sich um eine Entnahmeeinrichtung handelt, zugleich die ärztliche Person im Sinne von § 8d Abs. 1 Satz 1 des Transplantationsgesetzes sein kann,
  2. weiteres mitwirkendes Personal nicht ausreichend qualifiziert ist,
  3. angemessene Räume für die jeweilige Gewebegewinnung oder für die Laboruntersuchungen nicht vorhanden sind,
  4. nicht gewährleistet wird, dass die Gewebegewinnung oder die Laboruntersuchungen nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik und nach den Vorschriften der Abschnitte 2, 3 und 3a des Transplantationsgesetzes vorgenommen werden, oder
  5. die verantwortliche Person nach § 20b oder der Antragsteller die zur Ausübung ihrer oder seiner Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Von einer Besichtigung im Sinne von § 64 Abs. 3 Satz 2 kann die zuständige Behörde vor Erteilung der Erlaubnis nach dieser Vorschrift absehen. Die Erlaubnis wird der Entnahmeeinrichtung von der zuständigen Behörde für eine bestimmte Betriebsstätte und für bestimmtes Gewebe und dem Labor für eine bestimmte Betriebsstätte und für bestimmte Tätigkeiten erteilt und kann die Möglichkeit der Gewebeentnahme außerhalb der Räume nach Satz 3 Nummer 3 durch von der Entnahmeeinrichtung entsandtes Personal vorsehen. Dabei kann die zuständige Behörde die zuständige Bundesoberbehörde beteiligen.

(1a) § 20c Absatz 4 Satz 1 und 2 und Absatz 5 gilt entsprechend.

  1. Einer eigenen Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf nicht, wer diese Tätigkeiten unter vertraglicher Bindung mit einem Hersteller oder einem Be- oder Verarbeiter ausübt, der eine Erlaubnis nach § 13 oder § 20c für die Be- oder Verarbeitung von Gewebe oder Gewebezubereitungen besitzt. In diesem Fall hat der Hersteller oder der Be- oder Verarbeiter die Entnahmeeinrichtung oder das Labor der für diese jeweils örtlich zuständigen Behörde anzuzeigen und der Anzeige die Angaben und Unterlagen nach Absatz 1 Satz 3 beizufügen. Nach Ablauf von einem Monat nach der Anzeige nach Satz 2 hat der Hersteller oder der Be- oder Verarbeiter die Entnahmeeinrichtung oder das Labor der für ihn zuständigen Behörde anzuzeigen, es sei denn, dass die für die Entnahmeeinrichtung oder das Labor zuständige Behörde widersprochen hat. In Ausnahmefällen verlängert sich die Frist nach Satz 3 um weitere zwei Monate. Der Hersteller oder der Be- oder Verarbeiter ist hiervon vor Fristablauf unter Mitteilung der Gründe in Kenntnis zu setzen. Hat die zuständige Behörde widersprochen, sind die Fristen in Satz 3 und 4 gehemmt, bis der Grund für den Widerspruch behoben ist. Absatz 1 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 5 dem Hersteller oder dem Be- oder Verarbeiter erteilt wird.

  2. Die Erlaubnis ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe nach Absatz 1 Satz 3 bei der Erteilung vorgelegen hat. Ist einer dieser Versagungsgründe nachträglich eingetreten, so ist die Erlaubnis zu widerrufen; an Stelle des Widerrufs kann auch das Ruhen der Erlaubnis angeordnet werden. Die zuständige Behörde kann die Gewinnung von Gewebe oder die Laboruntersuchungen vorläufig untersagen, wenn die Entnahmeeinrichtung, das Labor oder der Hersteller oder der Be- oder Verarbeiter die für die Gewebegewinnung oder die Laboruntersuchungen zu führenden Nachweise nicht vorlegt.

  3. Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Gewinnung und die Laboruntersuchung von autologem Blut für die Herstellung von biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukten.

  4. Der Inhaber der Erlaubnis hat der zuständigen Behörde jede Änderung der in Absatz 1 Satz 3 genannten Voraussetzungen für die Erlaubnis unter Vorlage der Nachweise vorher anzuzeigen und er darf die Änderung erst vornehmen, wenn die zuständige Behörde eine schriftliche Erlaubnis erteilt hat. Bei einem unvorhergesehenen Wechsel der angemessen ausgebildeten Person nach § 20b hat die Anzeige unverzüglich zu erfolgen.

Erlaubnispflicht für Gewebeentnahme und zugehörige Laboruntersuchungen – Anforderungen, Ausnahmen, Verfahren

§ 20b AMG regelt zentrale Voraussetzungen und Verfahren zur Gewinnung von Gewebe beim Menschen sowie zu den erforderlichen Laboruntersuchungen. Ziel ist es, die Qualität, Sicherheit und Rückverfolgbarkeit bei der Gewebegewinnung sicherzustellen.

Erlaubnispflicht und Grundanforderungen

Grundsätzlich benötigt jede Einrichtung, die menschliches Gewebe für eine spätere Verwendung entnimmt („Entnahmeeinrichtung“) oder Laboruntersuchungen im Zusammenhang damit durchführt, eine behördliche Erlaubnis. Diese Regel betrifft

  • sowohl die direkte Entnahme (z. B. chirurgische Gewebeentnahme)
  • als auch die extrakorporale Entnahme (z. B. außerhalb des Körpers mit technischen Hilfsmitteln)

Die Gewebegewinnung umfasst auch Maßnahmen zur Konservierung, Identifizierung und zum Transport des Gewebes.

Erteilt wird die Erlaubnis nur, wenn u. a. folgende Bedingungen erfüllt sind:

  1. Fachliche Eignung:
    Es muss mindestens eine angemessen ausgebildete und erfahrene verantwortliche Person geben, die – bei einer Entnahmeeinrichtung – auch die ärztliche Leitung nach Transplantationsgesetz übernehmen kann.
  2. Qualifiziertes Personal:
    Auch das zusätzliche Personal muss nachweislich geeignet und ausreichend qualifiziert sein.
  3. Geeignete Räumlichkeiten:
    Die Einrichtung benötigt angemessene Räume für die jeweiligen Tätigkeiten.
  4. Wissenschaftlicher Standard:
    Die Durchführung muss den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und technischen Standards sowie den Vorschriften des Transplantationsgesetzes entsprechen.
  5. Zuverlässigkeit:
    Die verantwortlichen Personen und Antragsteller müssen zuverlässig sein.

Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn … [siehe oben die fünf Hauptpunkte]

Die Erlaubnis ist orts-, gewebe- und tätigkeitsbezogen und kann explizit auch die Gewebeentnahme außerhalb der eigentlichen Einrichtung durch eigenes Personal erlauben. Eine Vor-Ort-Besichtigung ist nicht zwingend vorgeschrieben.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Nicht jede Einrichtung braucht eine eigene Erlaubnis:
Wird die Gewebeentnahme/Laboruntersuchung im Auftrag eines zugelassenen Herstellers oder Be-/Verarbeiters (mit Erlaubnis nach § 13 oder § 20c AMG) durchgeführt, reicht eine behördliche Anzeige. Die jeweiligen Unterlagen und Nachweise müssen der Anzeige beigefügt werden.

Nach der Anzeige kann die Tätigkeit nach einem Monat (bzw. in Ausnahmefällen max. drei Monate) aufgenommen werden, solange die Behörde nicht widerspricht oder Einwände erhebt.

TipWichtiger Praxispunkt

In vielen Fällen laufen Gewebeentnahme und Erstuntersuchung über solche vertraglichen Modelle – das bedeutet reduzierte bürokratische Hürden, solange ein voll zugelassener Partner die Hauptverantwortung trägt.

Rücknahme, Widerruf und vorläufige Untersagung

Eine Erlaubnis kann nachträglich zurückgenommen oder widerrufen werden:

  • Rücknahme, falls bei Erteilung bereits ein Versagungsgrund bestand, der unentdeckt blieb.
  • Widerruf oder Ruhen der Erlaubnis, wenn ein Versagungsgrund nachträglich eintritt.

Bei fehlenden Nachweisen hinsichtlich Dokumentation oder Qualität kann die Behörde vorläufig die Tätigkeit untersagen.

Erweiterter Anwendungsbereich

Die Bestimmungen gelten auch für die Gewinnung und Untersuchung von autologem Blut, sofern es für die Herstellung biotechnologisch bearbeiteter Gewebeprodukte genutzt werden soll. Damit wird der Schutzrahmen auch auf moderne Therapieverfahren ausgeweitet.

Anzeigepflichten bei Veränderungen

Jede Änderung relevanter Rahmenbedingungen (z. B. Wechsel der verantwortlichen Person, Änderung der Räume) ist der Behörde vorab mit Nachweisen anzuzeigen. Die Änderung darf erst nach schriftlicher Erlaubnis umgesetzt werden.

Kommt es zu einem unvorhergesehenen Wechsel der verantwortlichen Person, ist die Anzeige unverzüglich nachzuholen.

Zusammenfassung

§ 20b AMG stellt einen verbindlichen Rechtsrahmen für Gewebeentnahme und entsprechende Laboruntersuchungen beim Menschen auf. Im Fokus stehen

  • behördliche Kontrolle,
  • hohe fachliche Mindestanforderungen,
  • klare Zuständigkeiten,
  • sowie die Möglichkeit flexibler und praxisnaher Kooperationsmodelle.

Für Studierende und angehende Apotheker:innen relevant: Das Wissen um diese Abläufe, Kriterien und Ausnahmen ist essenziell für den Bereich der Transplantationspräparate, Zelltherapeutika und innovativer Medizinprodukte. Fachwissen hierzu bildet eine Grundlage für die Überwachung, Dokumentation und rechtssichere Unterstützung entsprechender Prozesse in der späteren Berufspraxis.

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