§ 63c

📖 Zum Gesetz

  1. Der Inhaber der Zulassung hat Unterlagen über alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen sowie Angaben über abgegebene Mengen zu führen.

  2. Der Inhaber der Zulassung übermittelt alle Informationen über sämtliche Verdachtsfälle von

  1. schwerwiegenden Nebenwirkungen, die im In- oder Ausland auftreten, innerhalb von 15 Tagen,
  2. nicht schwerwiegenden Nebenwirkungen, die im Inland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union auftreten, innerhalb von 90 Tagen nach Bekanntwerden elektronisch an die EudraVigilance-Datenbank nach Artikel 24 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Bei Arzneimitteln mit Wirkstoffen, auf die sich die Liste von Veröffentlichungen bezieht, die die Europäische Arzneimittel-Agentur gemäß Artikel 27 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 auswertet, muss der Inhaber der Zulassung die in der angeführten medizinischen Fachliteratur verzeichneten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nicht an die EudraVigilance-Datenbank übermitteln; er muss aber die anderweitige medizinische Fachliteratur auswerten und alle Verdachtsfälle über Nebenwirkungen entsprechend Satz 1 melden. Inhaber der Registrierung nach § 38 oder § 39a oder pharmazeutische Unternehmer, die nicht Inhaber der Registrierung nach § 38 oder nach § 39a sind und die ein von der Pflicht zur Registrierung freigestelltes homöopathisches Arzneimittel oder ein traditionell pflanzliches Arzneimittel in den Verkehr bringen, übermitteln Informationen nach Satz 1 an die zuständige Bundesoberbehörde.
  1. Der Inhaber der Zulassung muss gewährleisten, dass alle Verdachtsmeldungen von Nebenwirkungen bei einer zentralen Stelle im Unternehmen in der Europäischen Union verfügbar sind.

  2. Die Absätze 1 bis 3, § 62 Absatz 6 und § 63b gelten entsprechend

  1. für den Inhaber der Registrierung nach § 39a,
  2. für einen pharmazeutischen Unternehmer, der nicht Inhaber der Zulassung oder Inhaber der Registrierung nach § 39a ist und der ein zulassungspflichtiges oder ein von der Pflicht zur Zulassung freigestelltes oder ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel in den Verkehr bringt. Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend
  3. für den Inhaber der Registrierung nach § 38,
  4. für einen pharmazeutischen Unternehmer, der nicht Inhaber der Registrierung nach § 38 ist und ein registrierungspflichtiges oder von der Pflicht zur Registrierung freigestelltes homöopathisches Arzneimittel in den Verkehr bringt,
  5. für den Antragsteller vor Erteilung der Zulassung. Die Absätze 1 bis 3 gelten unabhängig davon, ob sich das Arzneimittel noch im Verkehr befindet oder die Zulassung oder die Registrierung noch besteht. Die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 3 kann durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Inhaber der Zulassung und dem pharmazeutischen Unternehmer, der nicht Inhaber der Zulassung ist, ganz oder teilweise auf den Inhaber der Zulassung übertragen werden.
  1. Die Absätze 1 bis 4 finden keine Anwendung auf Arzneimittel, für die von der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist. Für diese Arzneimittel gelten die Verpflichtungen des pharmazeutischen Unternehmers nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 in der jeweils geltenden Fassung. Bei Arzneimitteln, bei denen eine Zulassung der zuständigen Bundesoberbehörde Grundlage der gegenseitigen Anerkennung ist oder bei denen eine Bundesoberbehörde Berichterstatter in einem Schiedsverfahren nach Artikel 32 der Richtlinie 2001/83/EG ist, übernimmt die zuständige Bundesoberbehörde die Verantwortung für die Analyse und Überwachung aller Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen, die in der Europäischen Union auftreten; dies gilt auch für Arzneimittel, die im dezentralisierten Verfahren zugelassen worden sind.

Bedeutung und Ziele

§ 63c AMG regelt Melde-, Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten im Zusammenhang mit Verdachtsfällen von Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Ziel ist die frühzeitige Erkennung und Abwehr von Arzneimittelrisiken durch ein funktionierendes Pharmakovigilanzsystem.

Zentrale Pflichten des Zulassungsinhabers

Im Zentrum des Paragraphen steht der Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels:

Der Inhaber der Zulassung hat Unterlagen über alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen sowie Angaben über abgegebene Mengen zu führen.

Das bedeutet:

  • Jede bekannte oder gemeldete Nebenwirkung muss systematisch dokumentiert werden, unabhängig vom Ursachenzusammenhang.
  • Zusätzlich sind die abgegebenen Mengen des Arzneimittels aufzuzeichnen.

Meldung von Nebenwirkungen: Fristen & Empfänger

Die Pflicht zur Meldung hängt vom Schweregrad und Ort des Auftretens ab:

Art der Nebenwirkung Ort des Auftretens Frist Empfänger
schwerwiegend¹ In- oder Ausland 15 Tage EudraVigilance-Datenbank
nicht schwerwiegend Inland / EU-Mitgliedsstaat 90 Tage EudraVigilance-Datenbank
Literaturverdachtsfälle s. Ausnahmen - - Auswertung/Meldung je Vorgaben¹
homöopath./trad. pflanzliche Arzneimittel s. Gesetzestext s.o. zuständige Bundesoberbehörde

¹Schwerwiegende Nebenwirkungen sind z.B. lebensbedrohend, tödlich oder erfordern einen Krankenhausaufenthalt.

…übermittelt alle Informationen über sämtliche Verdachtsfälle… elektronisch an die EudraVigilance-Datenbank…

Besonderheit: Für bestimmte in Fachliteratur gelistete Wirkstoffe entfällt eine doppelte Meldepflicht, sofern die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) bereits systematisch auswertet. Trotzdem muss die weitere medizinische Literatur gesichtet und relevante Verdachtsfälle gemeldet werden.

Zentrale Verfügbarkeit

Nebenwirkungen dürfen nicht „versanden“. Daher schreibt das Gesetz vor:

…dass alle Verdachtsmeldungen von Nebenwirkungen bei einer zentralen Stelle im Unternehmen in der Europäischen Union verfügbar sind.

Die Organisation der zentralen Meldestelle liegt beim Zulassungsinhaber und sichert eine durchgängige Überprüfbarkeit, auch bei Inspektionen und Auditierungen.

Erweiterter Anwendungsbereich und Übertragbarkeit

Absatz 4 stellt sicher, dass die Vorschriften auch für:

  • Inhaber bestimmter Registrierungen (z.B. homöopathische oder pflanzliche Arzneimittel),
  • Antragsteller vor Zulassungserteilung,
  • pharmazeutische Unternehmer ohne Zulassung,

gelten. Die Pflichten bestehen unabhängig vom aktuellen Status des Arzneimittels (im Verkehr oder nicht).

Die Erfüllung der Verpflichtungen … kann durch schriftliche Vereinbarung … ganz oder teilweise … übertragen werden.

Unternehmensintern ist somit eine Delegation der Aufgaben möglich, sofern sie dokumentiert ist.

Ausnahmen und Sonderfälle

Für zentral zugelassene Arzneimittel (Zulassung durch EU/EWG) gelten nicht die Pflichten dieses Paragraphen, sondern unmittelbar die europäischen Vorgaben (z.B. Verordnung (EG) Nr. 726/2004). Für bestimmte Anerkennungs- und Schiedsverfahren übernimmt die jeweilige Bundesoberbehörde die Melde- und Überwachungsaufgaben.

TipWichtig für die Praxis

Als (angehende) Apotheker/in oder Pharmaziestudent/in müssen Sie das Grundprinzip verstehen: Meldungen zu Nebenwirkungsverdachtsfällen sind zentral für die Arzneimittelüberwachung. Das AMG legt genau fest, wer, was, wann, wohin und unter welchen Voraussetzungen melden muss. Das Ziel ist ein Höchstmaß an Patientensicherheit.

Zusammenfassung

§ 63c AMG ist zentral für die Organisation der Pharmakovigilanz im Unternehmen: Er verpflichtet zur Dokumentation, schnellen Meldung (je nach Schweregrad und Ort) und zur Verfügbarkeit der Daten. Die Pflichten gelten für verschiedene Beteiligte – auch über die Zulassung oder den Vertrieb hinaus – und lassen eine interne Übertragung zu. Für europaweit zugelassene Produkte greifen die europäischen Meldevorschriften direkt.

Kenntnis und korrekte Anwendung dieser Vorgaben sind essenziell für die rechtssichere pharmazeutische Berufsausübung und die Patientensicherheit.

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