§ 62
Die zuständige Bundesoberbehörde hat zur Verhütung einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der menschlichen Gesundheit die bei der Anwendung von Arzneimitteln auftretenden Risiken, insbesondere Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Risiken durch gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe, zentral zu erfassen, auszuwerten und die nach diesem Gesetz zu ergreifenden Maßnahmen zu koordinieren. Insbesondere koordiniert sie Maßnahmen bei Rückrufen von Arzneimitteln und im Zusammenhang mit Qualitätsmängeln bei Wirkstoffen. Sie wirkt dabei mit den Dienststellen der Weltgesundheitsorganisation, der Europäischen Arzneimittel-Agentur, den Arzneimittelbehörden anderer Länder, den Gesundheitsbehörden der Bundesländer, den Arzneimittelkommissionen der Kammern der Heilberufe, nationalen Pharmakovigilanzzentren sowie mit anderen Stellen zusammen, die bei der Durchführung ihrer Aufgaben Arzneimittelrisiken erfassen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Öffentlichkeit über Arzneimittelrisiken und beabsichtigte Maßnahmen informieren. Die Bundesoberbehörde betreibt ein Pharmakovigilanz-System. Sie führt regelmäßig Audits ihres Pharmakovigilanz-Systems durch und erstattet der Europäischen Kommission alle zwei Jahre Bericht, erstmals zum 21. September 2013.
Die zuständige Bundesoberbehörde erfasst alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, von denen sie Kenntnis erlangt. Meldungen von Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe können in jeder Form, insbesondere auch elektronisch, erfolgen. Meldungen von Inhabern der Zulassung nach § 63c erfolgen elektronisch. Die zuständige Bundesoberbehörde stellt durch Sammeln von Informationen und erforderlichenfalls durch Nachverfolgung von Berichten über vermutete Nebenwirkungen sicher, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um sämtliche biologische Arzneimittel, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes verschrieben, abgegeben oder verkauft werden und über die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen berichtet wurden, klar zu identifizieren, wobei der Name des Arzneimittels und die Nummer der Herstellungscharge genau angegeben werden sollen.
Die zuständige Bundesoberbehörde hat jeden ihr gemeldeten und im Inland aufgetretenen Verdachtsfall einer schwerwiegenden Nebenwirkung innerhalb von 15 Tagen und jeden ihr gemeldeten und im Inland aufgetretenen Verdachtsfall einer nicht schwerwiegenden Nebenwirkung innerhalb von 90 Tagen elektronisch an die Datenbank nach Artikel 24 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (EudraVigilance-Datenbank) zu übermitteln. Die zuständige Bundesoberbehörde arbeitet mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur und dem Inhaber der Zulassung zusammen, um insbesondere Doppelerfassungen von Verdachtsmeldungen festzustellen. Die zuständige Bundesoberbehörde beteiligt, soweit erforderlich, auch Patienten, Angehörige der Gesundheitsberufe oder den Inhaber der Zulassung an der Nachverfolgung der erhaltenen Meldungen.
Die zuständige Bundesoberbehörde kontrolliert die Verwaltung der Mittel für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Pharmakovigilanz, dem Betrieb der Kommunikationsnetze und der Marktüberwachung, damit ihre Unabhängigkeit bei der Durchführung dieser Pharmakovigilanz-Tätigkeiten gewahrt bleibt.
Die zuständige Bundesoberbehörde trifft in Zusammenarbeit mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur insbesondere folgende Maßnahmen:
- sie überwacht die Ergebnisse von Maßnahmen zur Risikominimierung, die Teil von Risikomanagement-Plänen sind, und die Auflagen nach § 28 Absatz 3, 3a und 3b,
 - sie beurteilt Aktualisierungen des Risikomanagement-Systems,
 - sie wertet Daten in der EudraVigilance-Datenbank aus, um zu ermitteln, ob es neue oder veränderte Risiken gibt und ob das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Arzneimitteln davon beeinflusst wird.
 
- Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel herstellen oder in den Verkehr bringen oder klinisch prüfen, die Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken und die Koordinierung notwendiger Maßnahmen überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einschließlich der Pharmakovigilanz-Stammdokumentation einsehen sowie Auskünfte verlangen. Satz 1 gilt auch für von Betrieben und Einrichtungen nach Satz 1 beauftragte Unternehmen. Über die Inspektion ist ein Bericht zu erstellen. Der Bericht ist den Betrieben und Einrichtungen nach Satz 1 zur Stellungnahme zu geben. Führt eine Inspektion zu dem Ergebnis, dass der Zulassungsinhaber die Anforderungen des Pharmakovigilanz-Systems, wie in der Pharmakovigilanz-Stammdokumentation beschrieben, und insbesondere die Anforderungen des Zehnten Abschnitts nicht erfüllt, so weist die zuständige Bundesoberbehörde den Zulassungsinhaber auf die festgestellten Mängel hin und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Die zuständige Bundesoberbehörde informiert in solchen Fällen die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten, die Europäische Arzneimittel-Agentur und die Europäische Kommission.
 
Pharmakovigilanz und Überwachung von Arzneimittelrisiken: Aufgaben der Bundesoberbehörde
§ 62 AMG regelt die zentrale Verantwortung der zuständigen Bundesoberbehörde (in der Praxis z.B. das BfArM) für die Erfassung, Bewertung, Überwachung und Kommunikation von Arzneimittelrisiken in Deutschland und deren Einbindung in ein internationales Pharmakovigilanz-Netzwerk.
Zentrale Aufgaben der Bundesoberbehörde
Die oberste Priorität liegt in der Verhütung von Gesundheitsgefährdungen durch Arzneimittelrisiken. Konkret bedeutet das:
Die bei der Anwendung von Arzneimitteln auftretenden Risiken, insbesondere Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Risiken durch gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe, [werden] zentral erfasst, ausgewertet und die nach diesem Gesetz zu ergreifenden Maßnahmen […] koordiniert.
- Zentrale Erfassung & Auswertung: Alle relevanten Risiko-Informationen zu zugelassenen Arzneimitteln laufen bei der Bundesoberbehörde zusammen. Hier werden sie fachlich bewertet. Dies umfasst nicht nur klassische Nebenwirkungen, sondern auch Wechselwirkungen und Risiken durch Fälschungen.
 - Koordiniert werden besonders: Maßnahmen bei Rückrufen und bei Qualitätsmängeln, dabei werden auch andere Behörden und Institutionen einbezogen.
 
Zusammenarbeit & Internationale Vernetzung
Die Behörde agiert nicht isoliert, sondern im Austausch mit:
- Internationalen Organisationen: WHO, Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)
 - Nationalen/Regionalen Behörden: Arzneimittelbehörden anderer Länder, Länderbehörden, Arzneimittelkommissionen, Pharmakovigilanzzentren
 - Sonstigen Stellen: Alle, die Arzneimittelrisiken erfassen
 
Damit ist eine umfassende Kommunikation und Abstimmung auf nationaler wie europäischer Ebene gewährleistet.
Sie wirkt […] mit den Dienststellen der Weltgesundheitsorganisation, der Europäischen Arzneimittel-Agentur, den Arzneimittelbehörden anderer Länder […] zusammen.
Pharmakovigilanz-System und Transparenz
- Pharmakovigilanz-System: Die Bundesoberbehörde betreibt ein eigenes System, um alle Risiken systematisch zu erfassen und zu überwachen.
 - Qualitätskontrolle: Dieses System wird regelmäßig auditiert.
 - Informationspflicht: Die Öffentlichkeit kann über Risiken und geplante Maßnahmen informiert werden.
 
Die Bundesoberbehörde betreibt ein Pharmakovigilanz-System. Sie führt regelmäßig Audits […] durch und erstattet der Europäischen Kommission […] Bericht.
Erfassung und Bearbeitung von Nebenwirkungsmeldungen
- Alle bekannten oder gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen werden zentral erfasst.
 - Meldungen können von Patienten, Angehörigen der Gesundheitsberufe und Zulassungsinhabern kommen – letzteres zwingend elektronisch.
 - Die Bundesoberbehörde gewährleistet, dass insbesondere bei biologischen Arzneimitteln eine genaue Identifikation mit Handelsname und Chargennummer erfolgt.
 
Pflichten zur Weiterleitung und Vermeidung von Doppelerfassungen
Schwerwiegende Verdachtsfälle werden binnen 15 Tagen, nicht schwerwiegende binnen 90 Tagen elektronisch an die europäische EudraVigilance-Datenbank weitergeleitet.
Die zuständige Bundesoberbehörde arbeitet mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur und dem Inhaber der Zulassung zusammen, um insbesondere Doppelerfassungen […] festzustellen.
Unabhängigkeit, Kontrolle und Ressourcen
Die Verwaltung der für Pharmakovigilanz nötigen Mittel wird überwacht, damit die Fachentscheidungen unabhängig getroffen werden können.
Maßnahmen und Analytik im Risikomanagement
In Kooperation mit der EMA obliegt der Bundesoberbehörde insbesondere:
- Überwachung von Maßnahmen zur Risikominimierung (Risiko-Management-Pläne)
 - Beurteilung von Aktualisierungen im Risikomanagement-System
 - Analyse der Daten aus EudraVigilance, um ggf. neue oder veränderte Risiken zu identifizieren
 
Kontrollrechte und Inspektionen
Die Bundesoberbehörde ist berechtigt, Hersteller, Vertreiber oder Prüfeinrichtungen vor Ort zu überprüfen und Einsicht in die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation zu nehmen.
Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde […] Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten […]
Nach einer Inspektion wird ein Bericht erstellt, und dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Bei schwerwiegenden Mängeln werden die Zulassungsinhaber sowie auch internationale und europäische Behörden informiert.
Die Bundesoberbehörde ist das nationale Zentrum für Risikobewertung und Pharmakovigilanz – Meldungen, Kommunikation und Koordination laufen stets durch dieses Nadelöhr. Das Zusammenspiel zwischen Behörde, Apotheken, Ärzten, Patienten, Industrie und internationalen Stellen ist ein tragender Pfeiler der Arzneimittelsicherheit in Deutschland.
Zusammenfassung
§ 62 AMG verpflichtet die Bundesoberbehörde zur systematischen Erfassung, Bewertung und Weiterleitung von Arzneimittelrisiken, zur Information und Transparenz, zur engen Zusammenarbeit mit internationalen und nationalen Partnern und zur Kontrolle ihrer eigenen Qualitätssicherung und der Pharmakovigilanz-Systeme von Herstellern. Sie ist damit der zentrale Akteur der Arzneimittelsicherheit und Pharmakovigilanz in Deutschland.
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