§ 72b

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  1. Gewebe im Sinne von § 1a Nummer 4 des Transplantationsgesetzes oder Gewebezubereitungen im Sinne von § 20c Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 dürfen nur von einer einführenden Gewebeeinrichtung eingeführt werden, die diese Tätigkeit gewerbs- oder berufsmäßig ausübt und die über die Einfuhr einen Vertrag mit einem Drittstaatlieferanten geschlossen hat. Drittstaatlieferant ist eine Gewebeeinrichtung oder eine andere Stelle in einem Staat, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, die für die Ausfuhr von Geweben oder Gewebezubereitungen, die sie an die einführende Gewebeeinrichtung liefert, verantwortlich ist. Die einführende Gewebeeinrichtung bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem die Betriebsstätte der einführenden Gewebeeinrichtung liegt oder liegen soll, im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde. Für die Einfuhr von Gewebezubereitungen zur unmittelbaren Anwendung gilt § 72 Absatz 2 entsprechend.

(1a) Dem Antrag auf Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 3 sind die in den Anhängen I und III Teil A der Richtlinie (EU) 2015/566 genannten Informationen und Unterlagen beizufügen. Abweichend von Satz 1 sind einem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis, Gewebezubereitungen zur unmittelbaren Anwendung bei Menschen einzuführen, nur die in Anhang I Teil A, B und C Nummer 1 bis 3 und in Anhang III Teil A Nummer 1 und 3 der Richtlinie (EU) 2015/566 genannten Informationen und Unterlagen beizufügen. § 20c Absatz 2 bis 5 und 7 gilt entsprechend.

  1. Die einführende Gewebeeinrichtung nach Absatz 1 darf die Gewebe oder Gewebezubereitungen nur einführen, wenn
  1. die Behörde des Herkunftslandes durch ein Zertifikat bestätigt hat, dass die Gewinnung, Laboruntersuchung, Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Lagerung oder Prüfung nach Standards durchgeführt wurden, die den von der Europäischen Union festgelegten Standards der Guten fachlichen Praxis mindestens gleichwertig sind, und solche Zertifikate gegenseitig anerkannt sind, oder
  2. die für die einführende Gewebeeinrichtung zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die Standards der Guten fachlichen Praxis bei der Gewinnung, Laboruntersuchung, Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Lagerung oder Prüfung eingehalten werden, nachdem sie oder eine zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sich darüber im Herstellungsland vergewissert hat, oder
  3. die für die einführende Gewebeeinrichtung zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die Einfuhr im öffentlichen Interesse ist, wenn ein Zertifikat nach Nummer 1 nicht vorliegt und eine Bescheinigung nach Nummer 2 nicht möglich ist. Die einführende Gewebeeinrichtung hat die in Anhang III Teil B der Richtlinie (EU) 2015/566 genannte Dokumentation bereitzuhalten und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen. Abweichend von Satz 1 Nr. 2 kann die zuständige Behörde von einer Besichtigung der Entnahmeeinrichtungen im Herkunftsland absehen, wenn die von der einführenden Gewebeeinrichtung eingereichten Unterlagen zu keinen Beanstandungen Anlass geben oder ihr Einrichtungen oder Betriebsstätten sowie das Qualitätssicherungssystem desjenigen, der im Herkunftsland das Gewebe gewinnt, bereits bekannt sind.

(2a) Die zuständige Behörde stellt dem Inhaber der Erlaubnis nach Absatz 1 eine Bescheinigung nach Maßgabe des Anhangs II der Richtlinie (EU) 2015/566 aus, wenn ein Zertifikat nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 vorliegt oder die Voraussetzungen für eine Bescheinigung nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 3, erfüllt sind.

(2b) Die Absätze 2 und 2a gelten nicht für hämatopoetische Stammzellzubereitungen aus dem Knochenmark, die zur gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind.

(2c) Der Inhaber der Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 3 hat jede Veränderung der in § 20c Absatz 2 genannten Voraussetzungen und jede wesentliche Änderung seiner Einfuhrtätigkeiten unter Vorlage von Nachweisen der zuständigen Behörde im Voraus anzuzeigen. Der Inhaber der Erlaubnis darf die Änderung erst vornehmen, wenn die zuständige Behörde eine schriftliche Erlaubnis erteilt hat. Als wesentliche Änderung der Einfuhrtätigkeiten gelten insbesondere Änderungen im Hinblick auf 1. die Art der eingeführten Gewebe oder Gewebezubereitungen, 2. die in einem Drittstaat, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, ausgeübten Tätigkeiten, die sich auf die Qualität und die Sicherheit der eingeführten Gewebe oder Gewebezubereitungen auswirken können, oder 3. die eingesetzten Drittstaatlieferanten. Nimmt der Inhaber der Erlaubnis eine einmalige Einfuhr im Sinne des § 72c Absatz 2 von Geweben oder Gewebezubereitungen vor, die von einem Drittstaatlieferanten stammen, der nicht Gegenstand dieser Erlaubnis ist, so gilt eine solche einmalige Einfuhr nicht als wesentliche Änderung, sofern die Erlaubnis der einführenden Gewebeeinrichtung die Einfuhr derselben Art von Geweben oder Gewebezubereitungen von einem anderen Drittstaatlieferanten umfasst.

(2d) Der Inhaber der Erlaubnis hat der zuständigen Behörde unverzüglich Folgendes mitzuteilen: 1. den Widerruf, die Rücknahme oder die Anordnung des Ruhens der Genehmigung, Erlaubnis oder Bescheinigung eines Drittstaatlieferanten für die Ausfuhr von Geweben oder Gewebezubereitungen durch die zuständige Behörde des Staates, in dem der Drittstaatlieferant ansässig ist, 2. jede sonstige Entscheidung, die a) wegen Nichteinhaltung der Bestimmungen von der zuständigen Behörde des Staates, in dem der Drittstaatlieferant ansässig ist, getroffen wurde und b) für die Qualität und die Sicherheit der eingeführten Gewebe oder Gewebezubereitungen relevant sein kann, 3. die vollständige oder teilweise Einstellung seiner Einfuhrtätigkeit und 4. einen unvorhergesehenen Wechsel der verantwortlichen Person nach § 20c.

  1. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die weiteren Voraussetzungen für die Einfuhr von Geweben oder Gewebezubereitungen nach Absatz 2 zu bestimmen, um eine ordnungsgemäße Qualität der Gewebe oder Gewebezubereitungen zu gewährleisten. Es kann dabei insbesondere Regelungen zu den von der verantwortlichen Person nach § 20c durchzuführenden Prüfungen und der Durchführung der Überwachung im Herkunftsland durch die zuständige Behörde treffen.

  2. Absatz 2 Satz 1 findet auf die Einfuhr von Gewebe und Gewebezubereitungen im Sinne von Absatz 1 Anwendung, soweit ihre Überwachung durch eine Rechtsverordnung nach § 54, nach § 12 des Transfusionsgesetzes oder nach § 16a des Transplantationsgesetzes geregelt ist.

  3. (weggefallen)

Überblick und Zielsetzung von § 72b AMG

§ 72b AMG regelt die Einfuhr von Geweben und Gewebezubereitungen aus Drittstaaten in den deutschen Rechtsraum. Die Vorschrift stellt sicher, dass bei der Importation aus Ländern außerhalb der EU/EWR die hohen europäischen Standards zum Schutz von Empfänger:innen und zur Sicherstellung der Gewebequalität und -sicherheit eingehalten werden.

Im Zentrum steht eine Erlaubnispflicht für einführende Gewebeeinrichtungen und diverse Anforderungen an die Zusammenarbeit mit Drittstaatlieferanten sowie an Behörden und Dokumentationspflichten.

Wer darf Gewebe und Gewebezubereitungen einführen?

Nur einführende Gewebeeinrichtungen, die gewerbs- oder berufsmäßig handeln, sind zugelassen. Sie benötigen zwingend einen Vertrag mit einem Drittstaatlieferanten. Drittstaatlieferanten sind dazu autorisierte Einrichtungen in Staaten außerhalb von EU/EWR.

Die einführende Gewebeeinrichtung bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde.

Diese Erlaubnis wird von der jeweiligen Landesbehörde erteilt – und zwar nur im Benehmen mit der Bundesoberbehörde.

Voraussetzungen und Nachweise für die Erlaubnis

Bei der Erlaubnisbeantragung sind umfassende Unterlagen beizufügen. Grundlage hierfür sind vor allem die Anhänge der Richtlinie (EU) 2015/566, konkret:

  • Für alle Fälle: Anhang I & III Teil A der Richtlinie,
  • bei unmittelbarer Anwendung am Menschen: nur ausgewählte Teile dieser Anhänge (siehe Absatz 1a).

Außerdem gelten ergänzende Vorschriften aus § 20c AMG.

Wann dürfen Gewebe/Gewebezubereitungen eingeführt werden?

Die Einfuhr ist nur erlaubt, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

  1. Zertifikat der Herkunftsbehörde: Die ausländische Behörde bestätigt schriftlich, dass alle Prozessschritte nach EU-Standards der Guten fachlichen Praxis erfolgt sind und diese gegenseitig anerkannt werden.
  2. Bescheinigung einer deutschen oder EU-/EWR-Behörde: Diese hat sich vor Ort von der Einhaltung der Standards überzeugt.
  3. Öffentliches Interesse: Ist weder ein Zertifikat noch eine Bescheinigung möglich, kann die Behörde die Einfuhr gestatten, sofern sie im öffentlichen Interesse liegt.

Die erforderlichen Nachweise und die jeweils passende Dokumentation müssen jederzeit vorliegen und bei Bedarf der Behörde vorgelegt werden.

Ablauf und Behördenzuständigkeit

Die folgende Tabelle verdeutlicht die Abläufe und Zuständigkeiten:

Schritt Zuständigkeit Anmerkung
Antrag & Unterlagen Einführende Gewebeeinrichtung Anhänge I/III (EU) 2015/566
Erlaubniserteilung Landesbehörde (mit Bund) Erlaubnis nach Abs. 1
Prüfung/Inspektion Behörde (ggf. im Herstellungsland) Bei Mängelfreiheit kann auf Inspektion verzichtet werden
Ausstellung von Bescheinigungen Zuständige Behörde Nach Vorliegen Zertifikat/Erfüllung der Voraussetzungen
Anzeige von Änderungen/Meldepflichten Einführende Gewebeeinrichtung Änderung nur mit behördlicher Genehmigung zulässig

Sonderfälle & Ausnahmen

  • Hämatopoetische Stammzellzubereitungen aus Knochenmark, die für eine bestimmte Person bestimmt sind, sind von den Absätzen 2 und 2a ausgenommen.
  • Einmalige Einfuhren eines anderen Drittstaatlieferanten (gleiche Gewebeart, bereits genehmigter Importeur) gelten nicht als wesentliche Änderung.

Melde- und Dokumentationspflichten

Einführende Gewebeeinrichtungen sind verpflichtet, jede wesentliche Änderung ihrer Tätigkeit vorher anzuzeigen und zu dokumentieren. Dazu zählen u. a.:

  • Wechsel der Gewebearten,
  • Veränderungen der Verfahren im Drittstaat,
  • Wechsel des Lieferanten,
  • behördliche Maßnahmen/Entscheidungen gegen Drittstaatlieferanten,
  • Änderung in der verantwortlichen Person (§ 20c).
TipWichtig für die Praxis:

Vor einer Änderung (z.B. neuer Drittstaatlieferant, neue Gewebeart) immer erst Genehmigung der Behörde einholen. Unverzügliche Meldung wichtiger Ereignisse (wie Einstellung der Tätigkeit oder behördliche Maßnahmen im Ausland) ist vorgeschrieben!

Weiterführende Regulierungsmöglichkeiten

Das Bundesministerium kann Regelungen zur Einfuhr definieren, um die Qualität der Gewebe oder Gewebezubereitungen sicherzustellen – z.B. Prüfungsumfang oder Überwachung im Herkunftsstaat.

Überwachungsmaßnahmen können sich durch andere Gesetze (§ 54 AMG, § 12 Transfusionsgesetz, § 16a Transplantationsgesetz) verschieben.

Zusammenfassung

§ 72b AMG sorgt dafür, dass importierte Gewebe und Gewebezubereitungen aus Drittstaaten dem hohen europäischen Sicherungsstandard entsprechen. Wer importieren will, braucht eine behördliche Erlaubnis, muss umfassende Nachweise und Dokumentation erbringen und ist zu strenger Melde- und Änderungspflicht verpflichtet. Die Behörde wacht über Einhaltung und Qualität – eine sichere Versorgung mit Geweben steht dabei stets im Vordergrund.

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